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       # taz.de -- Takkos Textilproduktion: Billigklamotten, aber fair
       
       > Takko konkurriert bei seinen Preisen mit Kik oder NKD. Trotzdem bemüht
       > sich der Textildiscounter laut einem Bericht um faire Arbeit.
       
   IMG Bild: Dass das T-Shirt billig ist, kann man bei Takko sofort sehen, einen Herstellerhinweis jedoch nicht
       
       Berlin taz | „Kann ich so ’ne Hose mit meinem Hintern tragen?“ Nebenan in
       der Umkleidekabine diskutieren zwei Frauen. Klar, meint die eine. Echt?,
       fragt die andere. Und welcher BH pusht besser? Der pinke. Was halt so die
       Sorgen sind beim Einkauf bei Takko Fashion. Der Textildiscounter selbst hat
       andere Sorgen: Mit 1,1 Milliarden Euro Umsatz auf Platz 12 der
       Textileinzelhändler in Deutschland steht er in einem gnadenlosen Wettbewerb
       mit anderen Billigketten wie KiK oder NKD, enormem Druck durch die
       Onlinekonkurrenz, kämpft mit niedrigen Gewinnen und Verkaufsgerüchten des
       Hauptinvestors.
       
       Zwischen all diesen Nachrichten geht eines unter: Der Discounter aus Telgte
       ist eines der spannendsten Modeunternehmen in Deutschland. Es zeigt:
       Preiswert und fair, das geht. Die Läden charmant wie Fabrikhallen, darin
       preiswertes Flitterflatter, viele rosa Shirts und hellblaue Jeans mit
       massig Platz für bunten Glitter – doch hinter den Kulissen: Ringen um
       Fairness. „Ich habe wirklich Respekt vor denen“, sagt Maik Pflaum von der
       Christlichen Initiative Romero, Fachmann für die globale Textilproduktion.
       
       Seit sieben Jahren arbeitet Takko mit der Fair Wear Foundation zusammen,
       also lange bevor der [1][Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch] die
       Missstände der globalen Textilproduktion auf die Agenda brachte. Die Fair
       Wear Foundation, eine Stiftung mit Sitz in Amsterdam, da sind sich
       Menschenrechtler einig, ist eine der wenigen Institutionen, die glaubwürdig
       die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken verbessert.
       
       Die Auftraggeber in den Industrieländern arbeiten mit den Fabriken in
       Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder Vietnam zusammen, möglichst
       langfristig. Lokale Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen werden
       einbezogen, suchen Probleme und Lösungen. Bei Takko sind nach
       Selbstauskunft KollegInnen aus unterschiedlichen Abteilungen an der Arbeit
       mit der Stiftung beteiligt, das Kernteam umfasst 20 Mitarbeiter.
       
       ## Die kontrollierte Lieferkette
       
       Die Arbeit mündet schließlich in jährlichen „Brand Performance Checks“, die
       [2][auf der Website der Fear Wear Foundation] veröffentlicht werden. In den
       nächsten Tagen soll der neue [3][zu Takko Fashion online gehen]. Alle
       Interessierten können dort nachlesen, wie viel Prozent seiner Lieferkette
       Takko kontrolliert (rund 92 Prozent) und dass der Filialist zwar
       aussagekräftige Berichte liefert, es an manchen Stellen aber hapert. So
       gibt es widersprüchliche Angaben in Bezug auf die Überstunden, die in den
       Fabriken geleistet werden. Insgesamt bewertet die Fear Wear Foundation
       Takko als „good“. Das ist ein schlechteres Ergebnis, als es etwa
       Öko-Pioniere wie zum Beispiel Hess Natur erreichen.
       
       Doch selbst der Öko-Versandhändler Hess Natur habe drei bis vier Jahre
       gebraucht, um alle Zulieferer zu überblicken, sagt Textilexperte Pflaum.
       „Die waren dort selbst erstaunt.“ Noch immer sei es keine
       Selbstverständlichkeit, „dass die Markenfirmen und Händler in den
       Industrieländern wissen, wer eigentlich ihre Sachen herstellt“, so Pflaum.
       „Schon gar nicht die großen Konzerne mit ihren Hunderten von Zulieferern.“
       Transparenz, betonen Textilexperten wie die Vorsitzende der
       Menschenrechtsorganisation Femnet, Gisela Burckhardt, sei so notwendig wie
       selten in der Branche.
       
       Transparenz ist genau das, was die Fair Wear Foundation herstellt. Neben
       den Jahresberichten gibt es laufend weitere Infos über das Geschäftsgebaren
       des Unternehmens: Im September 2017 zum Beispiel wurden in einer Fabrik in
       Bangladesch, die für Takko fertigt, ArbeiterInnen des Diebstahls
       beschuldigt. Alle Beschäftigten sollten die verschwundene Kleidung mit
       Gehaltskürzungen bezahlen. Die Betroffenen riefen bei der Beschwerdestelle
       der Stiftung an, Takko mischte sich in den Konflikt ein. Schließlich
       bekamen die ArbeiterInnen die einbehaltenen Gehälter ausgezahlt. All dies
       lässt sich auf der Webseite nachlesen. Die Stiftung beschert ihren
       Mitgliedern also, bei aller Anstrengung, die Lage zu verbessern, vor allem
       eins: negative Nachrichten.
       
       ## Öko-Pionier Adidas?
       
       „Es überrascht mich gar nicht, wenn auch bei Mitgliedern der Fair Wear
       Foundation einmal Missstände auftauchen“, sagt Pflaum. Doch genau das sei
       der Fortschritt, dass Probleme transparent würden und dauerhaft daran
       gearbeitet werde, sie zu beheben. „Das Management arbeitet
       verantwortungsbewusst“, so Pflaum. „Der Einkaufschef weiß genau, was
       Arbeitsrechte sind.“ Das sei in der Bekleidungsbranche ungewöhnlich.
       
       Adidas zum Beispiel, der global agierende Sportartikelhersteller aus
       Herzogenaurach, verkauft kleine Kollektionen aus recyceltem Ozeanplastik.
       Trotz fragwürdiger Umweltbilanz erregt er damit Aufmerksamkeit als
       Öko-Pionier. In den Filialen der schwedischen Modekette H&M werden die
       Kunden aufgefordert, beim „globalen Recycling“ mitzumachen, aussortierter
       Kleidung „ein zweites Leben zu schenken und natürliche Ressourcen zu
       schonen“. In der Kinderabteilung im zweiten Stock werden Unterhosen und
       T-Shirts mit Biobaumwolle verramscht, nimm 3, zahl 2.
       
       Adidas und H&M sind zwar, wie Takko auch, Mitglied [4][im Textilbündnis von
       Entwicklungshilfeminister Gerd Müller] (CSU). Alle Mitglieder haben dort
       eine eigene Roadmap entwickelt, also Pläne, ihre Produktionskette zu
       verbessern. Doch als die Bündnismitglieder die Roadmaps freiwillig
       veröffentlichen sollten, machten die Konzerne dicht. Probleme lassen sich
       eben nur schlecht kommunizieren. „Es ist wirklich etwas Besonderes, dass
       sie eine unabhängige Organisation wie uns ihre Arbeit überprüfen lassen und
       die Ergebnisse öffentlich machen“, sagt Lotte Schuurman von der Fair Wear
       Foundation.
       
       ## Der ökologische Markt ist winzig
       
       In der Branche würden Ökologie und soziale Gerechtigkeit von den meisten
       Unternehmen noch immer als Kommunikationsproblem betrachtet, sagt Pflaum.
       „Möglich, dass diese Unternehmen etwas tun, aber sie tun nicht das Nötige.“
       Es ist ihnen nicht egal, dass sie Millionen für Werbung ausgeben, um am
       Ende mit Fabrikeinstürzen in Bangladesch, Kinderarbeit in Indien und
       vergifteten Flüssen in China in Zusammenhang gebracht zu werden. „Der
       öffentliche Druck ist stark“, sagt Tina Weber, Professorin für
       International Fashion Retail an der Hochschule Reutlingen. Vor allem die
       Discounter stehen unter Beobachtung. Billig gelte noch immer als schlecht,
       „obwohl teure Marken nicht notwendigerweise unter besseren Bedingungen
       produziert werden“, so Weber.
       
       Die Verbraucher mögen zwar keine hässlichen Nachrichten; in einer Umfrage
       von Greenpeace gab die Hälfte der Befragten an, sie wünschten sich beim
       Shoppen Siegel, um ökologisch und fair hergestellte Kleidung erkennen zu
       können. Doch nur bei jedem Vierten bestimmt das auch die Kaufentscheidung.
       Folgerichtig kommuniziert Takko sein Engagement auch äußerst defensiv. In
       den Läden findet sich kein Hinweis auf die Fair Wear Foundation, [5][auf
       der Website] sind die Informationen gut versteckt.
       
       Die in der ökosozialen Nische übliche Offenheit rentiert sich nicht
       wirklich: Noch immer ist der Markt winzig klein. Offiziell weiß niemand,
       wie viel sozial produzierte Biokleidung es gibt. Branchenkenner vermuten
       aber, dass es nicht mal ein Prozent der Kleidung ist. Die wenigen kleinen
       Unternehmen könnten zwar schneller handeln und ihre Kunden eher in ihre
       Arbeit einbeziehen – dafür hätten sie aber kaum Marktmacht, sagt Schuurman
       von der Fair Wear Foundation. Unternehmen wie Takko besäßen eine große
       Hebelwirkung, bestätigt Pflaum. Ob das Experiment Takko gelinge, werde man
       erst in einigen Jahren sagen können. „Doch wenn es gelingt und wenn sich
       die großen Sportartikelkonzerne und Ketten dann ihrer Verantwortung
       stellen“, sagt Pflaum, „dann könnte sich in der Branche endlich wirklich
       etwas bewegen“.
       
       13 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5497477/
   DIR [2] https://www.fairwear.org/resource/fwf-brand-performance-check-guide-2018/
   DIR [3] https://www.fairwear.org/member/takko-holding/
   DIR [4] /!5497606/
   DIR [5] http://www.takko.com/de-de/Sustainability.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Holdinghausen
       
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