URI: 
       # taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Süchtig nach Plastik
       
       > Mikroplastik ist überall im Wasser. Warum darf in Kosmetik überhaupt
       > Kunststoff enthalten sein? Und müssen Babys wirklich in Plastik baden?
       
   IMG Bild: Braucht kaum Verpackung: Seife
       
       Mikroplastik soll im Hamburger Wasser sein. Das kommt vom Duschen, zum
       Beispiel. In manchen Duschgels sind kleine Kügelchen drin,
       Plastikkügelchen, die sollen anscheinend irgendwie die Haut sauberer
       machen. Ich habe mal nachgeforscht, wo noch Mikroplastik drin ist. In
       Peelingprodukten, in Make-up und Puder, in Lidschatten, in Shampoo, in
       Sonnencreme, sogar im Babybad! Überall kann man Plastik finden. In
       Handwaschlotions, in Lipgloss, in Bodylotion. Es ist nicht in allen
       Produkten, aber schon in einigen. Wenn man wissen will, wo sowas drin ist,
       dann muss man sich informieren, es steht nicht direkt auf den Produkten
       vorn drauf.
       
       Warum ist Kunststoff in Kosmetikprodukten? Warum ist es erlaubt, dass das
       da drin ist? Warum ist Plastik in Pflegeprodukten erlaubt? Warum soll
       jemand ein Baby in Kunststoff-Substanzen baden? Warum nimmt er nicht lieber
       eine Seife? Warum nehmen die Leute überhaupt nicht einfach ein Stück Seife,
       wenn sie sich waschen wollen? Einfach nur ein Stück Seife? Ich wasche mich
       mit Seife, und Seife, das kann ich mal sagen, ist die beste Erfindung, wenn
       es um das Waschen geht, überhaupt.
       
       Ein Stück Seife braucht so gut wie keine Verpackung. Man kann es in ein
       Stück Papier tun. Ich tue das. Ich kaufe Seife, die in gar nichts verpackt
       ist. Sie reicht, das kann ich allen versichern, zum Waschen vollkommen aus.
       Wenn sie alle ist, dann braucht man gar nichts mehr wegschmeißen. Eine
       Seife braucht sich einfach auf. Sie enthält auch keine Plastikkügelchen.
       Wer übrigens hartnäckigen Schmutz zu entfernen hat, der benutze doch eine
       Bürste. Bürsten sind auch ganz hervorragende Erfindungen und reinigen
       besser als winzige Plastikkügelchen. Und für ganz hartnäckige Stellen gibt
       es den Bimsstein.
       
       ## Flüssigseife: widerlich!
       
       Seife ist eines der Dinge, die man durch sehr viel schlechtere Dinge
       ersetzt hat. Duschgel braucht kein Mensch. Das hat man uns bloß eingeredet.
       Flüssige Seife ist das widerlichste, was es gibt. Ich kann es nicht leiden.
       Wenn ich mir so ein Zeug in die Hände drücken muss, dann fühlt sich das an,
       als ob mir jemand in die Hand wichst. Neuerdings gibt es ja auch Seife für
       die Haare. Ich habe mir sogar ein Stück gekauft, weil ich verreisen wollte
       und ich dachte, da ist es doch praktisch, wenn ich einzig nur ein solches
       Stück Seife für die Reise mitnehmen muss. Damit kann ich mir die Hände
       waschen, den Körper und sogar die Haare.
       
       Leider habe ich diese Seife im Hotelzimmer liegen lassen. Es war ein etwas
       merkwürdiges Haargefühl, zugegeben. Aber ich werde das Experiment
       fortsetzen. Ein Stück Seife macht übrigens auch gar keine Probleme am
       Flughafen. Es gibt gar keine Seifenbeschränkung, weil eine Seife keine
       Flüssigkeit ist.
       
       Ich glaube, es ist eine Verschwörung der Industrie, dass Dinge, die nicht
       verpackt sein müssen, wie zum Beispiel Seife, so verändert werden, dass man
       sie doch verpacken kann oder sogar muss. Denn das Verpacken ist eine große
       Sucht dieser Gesellschaft, es ist eine Verpackungsgesellschaft. Wenn ich
       manchmal in einen Supermarkt gehe, um mir etwas zu essen zu kaufen, dann
       kann ich mir unverpackt eigentlich nur eine Banane kaufen.
       
       Es gibt sonst natürlich alles. Es gibt Sushi und Sandwiches und sogar
       Salate, die alle in genau passenden Plastikschalen angeboten werden. Und
       diese Lebensmittel, die in diesem Plastik sind, die werden dann zum
       Feierabend geschreddert in den Kompost getan.
       
       Wer soll sich auch die Mühe machen und die Lebensmittel von all dem Plastik
       trennen? Bis zu 12.200 Tonnen Plastik landen jährlich, [1][wie die Neue
       Osnabrücker Zeitung berichtete], durch Komposterde auf den Äckern. Plastik,
       das prophezeie ich, wird irgendwann die Substanz dieser Erde sein. Wenn sie
       irgendwann auf diesem Planeten landen, die Außerirdischen, wenn wir lange
       nicht mehr sind, dann werden sie eine Welt vorfinden, die aus Plastik ist,
       deren Erde aus Plastik ist, deren Luft von Plastik durchsetzt ist, und
       alles wird rosa und hellblau sein, türkis und pfirsichfarben, und es wird
       duften wie Meeresbrise, Vanille, Limette und Kokos.
       
       13 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/1258985/kompost-ist-voller-mikroplastik-jaehrlich-122-millionen-plastiktueten
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Seddig
       
       ## TAGS
       
   DIR Mikroplastik
   DIR Meere
   DIR Verpackungen
   DIR Kosmetik
   DIR Plastikmüll
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Digital Natives
   DIR Fluglärm
   DIR Getränke
   DIR Plastiktüten
   DIR Mikroplastik
   DIR Mikroplastik
   DIR Mikroplastik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Studie zu Kunststoffen in Kosmetik: Verseucht mit Plastik
       
       Greenpeace weist in Hunderten Kosmetikprodukten Mikroplastik nach.
       Besonders hoch ist die Konzentration in Augen-Make-up und Lippenstiften.
       
   DIR Vermüllung der Erde mit Plastik: Abgabe für Einwegbecher
       
       Die Grünen legen einen Aktionsplan gegen Plastikmüll vor: Der
       Verpackungsabfall soll bis 2030 halbiert werden – mit einer Abgabe auf
       Wegwerfprodukte.
       
   DIR Klimagefahr durch Mikroplastik: Plastik schwitzt Methan
       
       Durch UV-Strahlung setzen Kunststoffe Treibhausgase frei. Die Struktur
       spielt auch eine Rolle: je kleiner die Partikel, desto schlimmer.
       
   DIR Kolumne Fremd und befremdlich: Das Handy, eine verlockende Kammer
       
       Handys versetzen die Leute permanent in eine andere Welt. Das ist das
       Gefährliche. Am liebsten würde ich ihnen ihr Handy aus der Hand reißen.
       
   DIR Kolumne Fremd und befremdlich: Aus der Wohnung vertrieben
       
       Die Flugzeuge des Hamburger Flughafens fliegen im Zwei- bis Dreiminutentakt
       tief über meinem Haus. Man wird wirklich verrückt. Ich hätte gerne einen
       Schuldigen.
       
   DIR Alternativen zum Plastik-Strohhalm: Kleines Röhrchen, großes Problem
       
       Milliarden Trinkhalme aus Plastik landen jährlich im Müll oder im Meer. Das
       Bewusstsein dafür wächst – und auch die Zahl der Alternativen. Ein Test.
       
   DIR Kenias strenges Verbot von Plastiktaschen: Einigen fehlt die Tüte
       
       Seit Sommer 2017 hat Kenia das weltweit strikteste Anti-Plastiktüten-Gesetz
       – sogar Haftstrafen sind möglich. Gerade Arme leiden oft darunter.
       
   DIR Studie zu Mikroplastik im arktischen Eis: 12.000 Plastikteilchen pro Liter
       
       Meeresforscher finden eine bedenklich hohe Menge Mikroplastik im arktischen
       Meereis. Darunter findet sich auch Müll aus dem weit entfernten
       Deutschland.
       
   DIR Ökologe über Plastik im Trinkwasser: „Das Risiko muss geklärt werden“
       
       Eine WHO-Studie weist Mikroplastik in Mineralwasser nach. Was das für
       Mensch und Wasserkreislauf bedeutet, bleibt ungeklärt, bemängelt Thomas
       Fischer.
       
   DIR Mikroplastik in Kosmetik: Grüne fordern Verbot
       
       Deutschland dürfe nicht auf EU-Regeln warten, weil die Schäden für die
       Umwelt so groß sind. Das sehen auch BUND und Umweltbundesamt so.