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       # taz.de -- Kolumne Right Trash: Wovor rechte Vögel Schiss haben
       
       > Die Vogelschissdebatte ist nicht nur PR für die AfD, sondern zeigt auch
       > die Risse der Partei. Ein Abweichler wird antisemitisch beschimpft.
       
   IMG Bild: Was für eine beschissene Debatte
       
       Es ist erstaunlich, [1][was ein Kotfleck anrichten kann]: Plötzlich steht
       die AfD nicht mehr als eine Front da, sondern diskutiert, ringt mit sich.
       War die NS-Diktatur wirklich nur ein Vogelschiss in der deutschen
       Gesellschaft? Wie hat Alexander Gauland seinen Satz gemeint? War es klug,
       so zu formulieren? Hätte man es ganz lassen sollen? Siehe da: [2][Plötzlich
       diskursiert es in einer Blase], die sonst nur vorbereitete Talking Points
       ständig wiederholt oder gezielt polemisiert, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
       
       Interessant wird es an einer Stelle: Wo [3][ein AfDler Gauland deutlich
       kritisiert], selbst eine Entschuldigung anbietet und vom Partei- und
       Fraktionschef eine einfordert. Der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt hat das
       Samstagnacht getan und es wird deutlich: Die AfD und ihre
       Unterstützer*innen dulden keine Abweichler. Schon in der ersten Antwort auf
       den Tweet schimpft ein AfD-Kollege, dass Witt ein „AfD-Umfaller“ sei.
       
       Andere fahren deutlichere Geschütze auf: Witt sei ein „Cuck“, eine in
       rechten Kreisen gängige rassistische und sexistische Beschimpfung, ein
       „Jammerlappen“, er solle sich ein paar „Eier“ wachsen lassen. Er sammle
       wohl „Goypoints“, heißt es in einem Tweet – eine antisemitische
       Beschimpfung, die Witt unterstellt, er versuche sich bei Juden anzudienen.
       
       In der Diskussion findet sich aber auch Lob für Witt und viele
       Diskutierende suchen nach den Erklärungen für Gaulands Satz: Dieser habe
       die NS-Zeit gar nicht verharmlost, sondern zeitlich einsortiert,
       argumentieren einige. Andere wiederum finden, dass Gauland die NS-Zeit sehr
       wohl und zu Recht kleinrede, denn es müsse endlich Schluss sein, mit dem
       „Schuldkult“ in Deutschland. Eine twitternde Person wird ganz deutlich:
       „Herr Hitler“ habe sich nur für sein Volk eingesetzt.
       
       Gaulands Satz war kalkuliert komponiert, um genau diese beiden Positionen
       zu bedienen und zu vereinen. Für diejenigen, die die Nazis verherrlichen,
       sollte er signalisieren: „Schaut, wir sehen das genauso“. Für andere
       Rechte, die eine rote Linie bei der Verherrlichung der Nationalsozialisten
       ziehen, bleibt genug Raum, um den Satz zu rationalisieren: Es sei nur eine
       zeitliche Einordnung. Diese gezielte Ambivalenz, findet man bei der AfD
       immer wieder: Etwa wenn Extremisten wie Bernd Höcke oder Jens Maier von
       einem „Denkmal der Schande“, beziehungsweise vom AfD-Bundestagseinzug
       [4][als „einem der größten Erfolge seit 1945“] sprechen.
       
       ## Nicht jeder Tabubruch nützt der AfD
       
       Solange sich die unterschiedlichen Rechten das Ihre denken, klappt das.
       Doch bei der Skandalisierung in der Öffentlichkeit zeigen sich die
       Bruchlinien der rechten Partei: Wie hält man es eigentlich mit der
       deutschen Geschichte? Ist die Abgrenzung von NS-Zeit und Antisemitismus
       nützlich, um pauschal gegen Antisemitismus bei Muslimen zu hetzen? Oder
       droht Europa durch [5][„Morgenlanddenken“ aus Judentum, Christentum und
       Islam] zu verweichlichen? Für Rechtsextremist*innen, die in der AfD ihre
       neue Hoffnung gefunden haben, sind das keine Nebensachen, sondern zentrale
       politische Konflikte.
       
       Das heißt aber auch: Nicht jeder Tabubruch der AfD ist ein „Stöckchen“,
       über das man nicht hüpfen dürfe, und die AfD profitiert nicht von jeder Art
       von Empörung. Innerhalb der Partei bietet sich einiges an Spaltpotenzial.
       Ihre Position zu Wirtschaft und Soziales ist beispielsweise höchst umkämpft
       zwischen Steuersenkern und Arbeitslose-sind-faul-Neoliberalen auf der einen
       [6][und „solidarischen Patrioten“], die einen Wohlfahrtsstaat nur für
       „Deutsche“ haben wollen, auf der anderen Seite. Auch die Frage nach der
       Anständigkeit dürfte in einer Partei, die ständig Politiker*innen anderer
       Parteien als Selbstbediener beschimpft, aber selbst [7][Zehntausende Euro
       für Häppchen] ausgibt und deren [8][Abgeordnete überdurchschnittlich oft
       Probleme mit dem Gesetz] haben, nicht unumstritten sein.
       
       Nicht immer nützt die Kontroverse also der AfD, manchmal ist das Stöckchen
       auch ein Bumerang. Und womöglich kann man der Partei auch selbst mal ein
       paar Stöckchen hinhalten.
       
       4 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gaulands-Relativierung-der-NS-Zeit/!5510144
   DIR [2] /Kolumne-Right-Trash/!5504959
   DIR [3] https://twitter.com/Witt_Uwe/status/1003019928641986560
   DIR [4] /AfDler-ueber-den-Bundestagseinzug/!5449273
   DIR [5] https://twitter.com/Juergen_Fritz/status/1002410609835724800
   DIR [6] /Hoecke-die-AfD-und-ihre-Sozialpolitik/!5478015
   DIR [7] http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/AfD-soll-Zehntausende-Euro-fuer-Catering-ausgegeben-haben
   DIR [8] https://www.welt.de/politik/deutschland/article176088649/AfD-und-Justiz-Fast-jeder-zehnte-AfD-Abgeordnete-hat-Aerger-mit-dem-Gesetz.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lalon Sander
       
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