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       # taz.de -- Kolumne Familie und Gedöns: In der Vorstadt leben, nein danke
       
       > Ein Umzug steht an! Aber wohin? Die Vorstadt lockt mit Raum und Garten,
       > aber dann drohen weite Wege und immer die gleiche Individualität.
       
   IMG Bild: Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt. Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt
       
       Wir ziehen um. Statt im Cossi zu planschen, werden wir unsere Füße bald im
       Alsterwasser kühlen. Es geht nach Hamburg. So viel steht fest. Doch wohin
       genau, wissen wir noch nicht. Mit dem Umzug stellt sich die Frage, wie wir
       eigentlich leben wollen, plötzlich noch einmal neu.
       
       Auch in unserem Freundeskreis wird sie hitzig diskutiert. Während eine
       Gruppe plant, gemeinschaftlich ein Mehrfamilienhaus auszubauen, zieht es
       andere an den Stadtrand ins Eigenheim.
       
       Ein eigener Garten wäre schon schön, denke ich, als wir zu Besuch bei
       meinen Schwiegereltern in der Vorstadt sind. Ich genieße es, barfuß über
       den Rasen zu laufen, aus der Hängematte die Wolken zu beobachten, hier ein
       paar Himbeeren zu naschen, dort Kirschen zu pflücken.
       
       Aber wie wäre es, würden wir hier dauerhaft wohnen? Ich mache einen
       Spaziergang. Während ich Haus um Haus passiere, begegne ich niemandem.
       Nicht mal ein Hund schlägt an. Nur ab und zu zwitschert ein Vogel, hallt
       ein Wortfetzen aus einem der durch die Häuser verborgenen Gärten.
       
       ## Zäune sind wichtig!
       
       Den Grundstücken sieht man das Streben ihrer Bewohner nach Individualität
       an. Doch in ihrer Summe ergeben sie nur die Wiederholung des Immergleichen:
       Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt. Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt.
       Zaun …
       
       Überhaupt die Zäune. Sie scheinen mit der Vorstadt untrennbar verbunden,
       dienen als sichtbare Demarkationslinie des hart erarbeiteten Eigentums. Bis
       hierhin und nicht weiter! Unerbittlich grenzen sie den Gemeinschaftsraum
       vom eigenen und von dem des Nachbarn ab.
       
       Wer Abstand möchte, der findet ihn hier. Man hat mehr Platz zum Leben als
       in der Stadt. Der Preis dafür sind weite Wege.
       
       Die gesamte Topografie der Vorstadt ist darauf ausgelegt, von Autos
       befahren zu werden. Ab und an zieht eines an mir vorbei, um wenig später
       unter einen schützenden Carport zu rollen. Ich bleibe auch auf meinem
       Rückweg die einzige Fußgängerin.
       
       Nein, dann doch lieber mitten hinein in die laute, volle, dreckige
       Großstadt.
       
       19 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadja Mitzkat
       
       ## TAGS
       
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