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       # taz.de -- EU-Hilfen für syrische Flüchtlinge: Gestrandet in Istanbul
       
       > Europa zahlt Milliarden an die Türkei, damit diese Flüchtlinge versorgt.
       > Kommt das Geld auch bei den Menschen an? Nicht immer.
       
   IMG Bild: Flüchtlingskinder in der Türkei lernen das Alphabet. Künftig läuft der Unterricht auf Türkisch
       
       Istanbul taz | Fatma Abbas, sie trägt einen langen schwarzen Mantel und ein
       schwarzweiß gemustertes Kopftuch, das Gesicht ist blass und ungeschminkt,
       bildet eine Sitzreihe mit ihren Kindern. Das sind: Mustafa, 12, Hana, 9,
       und Rima, 5; die dreijährige Tiçen spielt noch unten im Haus. Die Mädchen
       tragen Zöpfe und bunte Schleifen, der Junge hat dafür abstehende Ohren.
       2014 floh die Familie aus Aleppo in die Türkei. Fatma Abbas, die in
       Wahrheit einen anderen Nachnamen trägt, lächelt schüchtern und etwas
       gequält, da sie sich bereit erklärt hat, Journalistenfragen zu beantworten.
       Ein Zeichen guten Willens für gute Taten, die ihr im Gemeindezentrum des
       türkischen Halbmonds in Sultanbeyli, einem Vorort Istanbuls, zuteil werden.
       Arztbesuche, Impfungen, sozialpsychologischer Dienst, Dolmetscher. Auch
       jetzt ist einer zur Stelle.
       
       Der zwölfjährige Mustafa, links neben seiner Mutter sitzend, hatte sich
       nach zwei Jahren plötzlich geweigert, zur Schule zu gehen. Er besuchte eine
       türkische Schule. „Ich habe ihn nicht gedrängt“, sagt die Mutter, „ich
       wollte keinen Druck machen. Er hat nichts gegessen und nur geweint, wenn
       ich ihn nach der Schule gefragt habe.“ Mustafa schweigt, grinst. Nach
       einiger Zeit hat ein Sozialarbeiter des Gemeindezentrums interveniert, der
       Junge geht jetzt wieder zum Unterricht. Er habe sich wohl gemobbt gefühlt,
       sein Türkisch sei anfangs noch schlecht gewesen, meint die Mutter. Heute
       übersetzt Mustafa oft für sie, denn anders als für Kinder gibt es für die
       syrischen Erwachsenen in der Türkei keine Sprachkurse.
       
       Fatma Abbas und ihre Familie profitieren von einem Programm, das vom
       türkischen Familien- und Sozialministerium verwaltet und überwiegend aus
       EU-Geldern finanziert wird. Es nennt sich Conditional Cash Transfer for
       Education, übersetzt etwa „bedingter Bildungszuschuss“ und abgekürzt CCTE.
       Dadurch erhalten Familien zur Unterstützung für jedes zur Schule gehende
       Kind eine eher symbolische Summe von 35 bzw. 40 Türkischen Lira (etwa 6
       bzw. 7 Euro). In der Oberschule gibt es 15 bzw. 20 Lira mehr, für Mädchen
       prinzipiell die höhere Summe. „Das Geld hilft uns“, sagt Fatma Abbas
       diplomatisch. Sie erhält die Summe zusätzlich zu den 120 Lira (22 Euro),
       die sie aus dem Hilfsprogramm der EU für syrische Flüchtlinge in der Türkei
       bekommt.
       
       ## Zuschüsse in eher symbolischer Höhe für den Schulbesuch
       
       3,9 Millionen Flüchtlinge leben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks
       inzwischen in der Türkei, das sind mehr als in jedem anderen Land der Welt;
       3,5 Millionen von ihnen sind Menschen aus Syrien – allein in Istanbul
       sollen es um die 700.000 sein. Weniger als 10 Prozent von ihnen leben in
       Lagern, die Mehrheit zieht zu Verwandten und Bekannten, taucht in die
       Anonymität der Großstädte ein – und sie sind meist sich selbst überlassen.
       
       Eine offizielle Arbeitserlaubnis besitzen nur die wenigsten, die
       bürokratischen Regularien sind kompliziert. Die meisten Menschen arbeiten
       deshalb in Bereichen, für die die Bezeichnung informeller Sektor zutrifft –
       so wie Fatma Abbas’ Ehemann, der „etwas in der Textilbranche macht“.
       
       Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan betrachtet die syrischen
       Flüchtlinge als „Gäste“ – sie genießen „zeitweiligen“, aber keinen
       „internationalen Schutz“, sind daher zwar registriert, dürfen aber kein
       Asyl beantragen. Sie können bleiben – für einige Zeit.
       
       Wie lange noch? Die Zeit macht die Wartenden wie die Helfenden mürbe, der
       Krieg in Syrien währt nun schon sieben Jahre. Wird er bald zu Ende sein,
       und können die Syrer in ihre Heimat zurückkehren? Soll die Türkei diese 3,5
       Millionen Menschen sozial und ökonomisch integrieren?
       
       „Ich habe keine Antwort darauf“, sagt der EU-Botschafter in der Türkei,
       Christian Berger. „Aber man spürt, dass diese Diskussion im Gang ist.“
       Schätzungen gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der syrischen Flüchtlinge
       in der Türkei bleiben wird – je länger der Krieg dauert, desto mehr werden
       es sein.
       
       Berger, im dunkelblauen Anzug und hellblauen Hemd, mit rotem Schlips und
       etwas schütterem Haar, ist an diesem Tag mit einem Team des
       UN-Kinderhilfswerks Unicef aus der türkischen Hauptstadt Ankara in das
       Gemeindezentrum nach Sultanbeyli gekommen, schließlich unterstützt die EU –
       als Teil der EU-Türkei-Vereinbarung – mit insgesamt 6 Milliarden Euro die
       Flüchtlingshilfe in der Türkei, um die Flüchtlinge und Migranten von
       Europa fernzuhalten. Die Gelder werden projektbezogen vergeben: Die erste
       Tranche von 3 Milliarden Euro wurde vor zwei Jahren bewilligt, die
       Auszahlung der zweiten Tranche ist so gut wie beschlossen. Ein Gremium aus
       Vertretern von EU-Kommission und Mitgliedstaaten entscheidet über die zu
       fördernden Projekte und die Partnerorganisationen, die türkischen Vertreter
       haben darin nur eine beratende Funktion.
       
       Im Kern wird sich nicht viel ändern: Knapp die Hälfte geht in die direkte
       humanitäre Hilfe, der Rest fließt in nichthumanitäre und infrastrukturelle
       Projekte: Schulen, Hospitäler, Management, Beratung, Schulung. In der
       letzten Woche erst sei der Bau von 200 neuen Schulen beschlossen worden,
       verkündet EU-Botschafter Berger zufrieden. Der Unicef-Vertreter in der
       Türkei, der Franzose Philippe Duamelle, spricht von einer „konstruktiven
       Arbeitsbeziehung“ mit der Türkei. Er glaubt, dass es das Land mit der
       Integration der syrischen Flüchtlinge ernst meine. Und er betont, dass
       Unicef auf die institutionellen Strukturen in der Türkei aufbauen könne.
       
       ## Die Kinder sollen in türkischen Klassen integriert werden
       
       Etwa eine Million der 3,5 Millionen Syrer im Land sind Kinder im
       Schulalter, schulpflichtig sind sie in der Türkei nicht. Bislang gab es für
       syrische Kinder syrische Schulen, die von Emigranten und Lehrern im Exil
       gegründet worden waren und in denen sie auf Arabisch unterrichtet wurden.
       Diese Schulen, Temporary Educational Centers (TEC) genannt, sind seit einem
       Jahr ein Auslaufmodell. Wer in die erste, fünfte oder neunte Klasse geht,
       muss nun auf Anweisung der Regierung eine türkische Schule besuchen. Ab dem
       nächsten Schuljahr kommen das zweite, fünfte und zehnte Schuljahr hinzu.
       Doch ab der sechsten Klasse steigt auch die Quote der Schulabbrecher
       dramatisch, gerade in Istanbul, viele Kinder werden von ihren Familien
       gedrängt zu arbeiten oder zu betteln. Weshalb Philippe Duamelle von Unicef
       fragt: „Was passiert mit den Kindern, die wir nicht erreichen?“
       
       Und das sind viele. Kinder wie die von Kenana Khalaf al-Kurdi, die aus Deir
       al-Sor stammt, einer Stadt in Ostsyrien. „Aus einer bedeutenden Familie“,
       wie sie betont. Heute lebt die 32-Jährige in einer kleinen
       Zweizimmerwohnung im Istanbuler Stadtteil Beyoğlu, die sie sich mit lila
       Sofaüberwürfen, Häkeldeckchen und Plastikblumen behaglich eingerichtet hat,
       die Wände, in zartem Rosa mit schwarzen Tupfern, hat sie selbst gestrichen.
       Ihr Vater, einst ein regimetreuer Mann und Arzt, sei unter Assad verhaftet
       worden und im Gefängnis gestorben, die Mutter nach sieben Monaten Haft
       wieder frei gekommen, sagt sie. Al-Kurdi landete selbst mehrfach im
       Gefängnis, entschloss sich zu fliehen. „Für meine Kinder“: Shirin, 7, und
       Keyser, 5.
       
       Es ist ein sonniger Vormittag in Istanbul, die Gassen in Beyoğlu sind
       schmal, unten im Haus befindet sich eines der typischen Männercafés. Shirin
       und Keyser schlafen noch, Shirin besucht sonst die erste Klasse einer
       türkischen Schule, aber heute ist sie zu Hause geblieben, weil Ramadan ist
       und Al-Kurdi die ganze Nacht Freunde empfangen und das Fastenbrechen
       gefeiert hat. „Ich bin eine gläubige Frau, ich trage Kopftuch“, sagt die
       Alleinerziehende, und: „Ich habe deswegen Angst vor Europa.“
       
       ## Kein Geld, weil die Mutter in Haft war
       
       Al-Kurdis Geschichte ist speziell, vielleicht untypisch. Aber ist das nicht
       jede individuelle Geschichte? Sie spricht mehrere Sprachen, hat der
       Welthungerhilfe nahe der syrischen Grenze bei der Registrierung von
       Flüchtlingen geholfen und in Istanbul zwischen türkischen Behörden und der
       syrischen Übergangsregierung vermittelt. „Ich kam in die Türkei, weil ich
       ein besseres Leben für meine Kinder wollte, und sie haben mich ins
       Gefängnis gesteckt!“ Schon in Anatolien war jemand in ihr Haus
       eingebrochen, hatte ihren Computer geklaut, mit Daten und Namen. Deswegen
       kam sie vor anderthalb Jahren nach Istanbul, fing noch mal neu an, immer
       nah dran am politischen Geschehen, an den politischen Institutionen.
       
       Bis sie im vergangenen Jahr von der Straße weg verhaftet wurde. Sie weiß
       bis heute nicht, warum. Auch nicht, weshalb sie nach sieben Monaten wieder
       frei kam. Der Vorwurf lautete Verdacht auf Terrorismus und brachte ihr eine
       Registriernummer als mutmaßliche „ausländische Kämpferin“ ein, ein Label,
       mit dem unliebsame Flüchtlinge belegt und des Landes verwiesen werden
       können. Eine durchaus gängige Praxis, wie Pro Asyl bestätigt. „Ich bin
       keine Feindin“, erklärt al-Kurdi wiederholt. „Ich bin eine aufrichtige
       Frau, das wissen sie!“
       
       Seither lebt sie in Angst vor der Abschiebung. Ihre Kinder waren mit im
       Gefängnis und haben dort Türkisch gelernt. Shirin kommt deswegen in der
       Schule gut mit, erklärt die Mutter. Anfangs hätten die türkischen Kinder
       sie als „dreckig“ gehänselt, jetzt nicht mehr. Die Siebenjährige ist
       aufgestanden und malt am niedrigen Couchtisch eine rosa gekleidete
       Prinzessin mit Krönchen auf dem Kopf. Etwas Englisch haben sie auch schon
       in der Schule gelernt. Shirin wird nicht zur „verlorenen Generation“
       gehören, wie EU-Botschafter Christian Berger befürchtet.
       
       „Die Schule ist nicht umsonst“, sagt al-Kurdi. Die alleinerziehende Mutter
       braucht Geld für den Bus, für Bücher, und sie kommt nicht in den Genuss des
       Schulgelds von der EU. Nicht einmal die Gratisbehandlung in türkischen
       Krankenhäusern steht ihr zu, weil man ihr den „Kimlik“, den Ausweis mit der
       Registriernummer entzogen hat. „Ich bin keine schlechte Frau“, „ich bin
       eine starke Frau“ – al-Kurdis Sätze klingen kraftvoll, stets ein bisschen
       dramatisch. Sie zündet Räucherstäbchen an, das entspannt sie. In ihrer
       Wohnung fühlt sie sich wohl, seit ihrer Verhaftung geht sie kaum noch auf
       die Straße.
       
       ## Furcht vor der kulturellen Entfremdung
       
       Der Vermieter, ein türkischer Kurde, schaut vorbei, lässt einen
       100-Lira-Schein da. Eine Bekannte kommt vorbei, auf ihren Anruf hin, Nadia
       Mahmod Abdamada, 43, ist Syrerin wie al-Kurdi und Mutter von fünf Töchtern,
       die jüngste geht mit Shirin gemeinsam zur Schule. Auch Abdamada bekommt das
       Schulgeld nicht, weil die Familie aus der Südtürkei nach Istanbul gezogen
       ist, weil sie dachten, dass es für sie in der Großstadt leichter ist. Das
       Geld bekommt nur, wer seine Kinder dort in die Schule schickt, wo er oder
       sie registriert wurde.
       
       Abdamada hat von ihren fünf Töchtern vor Kurzem zwei verheiratet – aus Not,
       erklärt sie. Ihr Ehemann, 53, sei zu alt, um zu arbeiten. Dass die Töchter
       lieber studiert hätten, dafür äußert die Syrerin Verständnis. Eine dritte
       Tochter arbeitet schon und belastet sie deswegen finanziell nicht, die
       beiden jüngsten gehen in die Schule. „Schule ist wichtig“, bekräftigt
       Abdamada, „aber die türkischen Lehrer verachten unsere Kinder.“
       
       Kenana al-Kurdi mischt sich ein. „Sie behandeln uns wie Spielfiguren“,
       erklärt sie. „Die Regierung sagt, wir seien Gäste und keine Flüchtlinge.“
       Gäste ohne Gastrechte – die Vereinten Nationen, die Europäische Union, die
       internationalen Nichtregierungsorganisationen, findet al-Kurdi, hätten sich
       zu sehr die türkische Sichtweise zu eigen gemacht.
       
       Es klingelt, Adnan Alhalid kommt zur Tür herein. Der 38-Jährige ist Syrer
       mit türkischem Pass und managt eine Schule im konservativen Stadtteil
       Fatih. Dort leben viele Syrer, es gibt dort syrische Geschäfte und
       Restaurants. Die syrische Schule befindet sich im gleichen Gebäude wie die
       türkische, noch gibt es gemischte Klassen. „Das ist gut“, sagt der
       Schulmanager, „die Schüler müssen Türkisch lernen. Aber wir verlieren
       unsere Identität. Die Kinder wissen nichts über Syrien, nicht, wo sie
       herkommen. Deswegen sollten sie auch Arabisch lernen können.“
       
       Sofern sie zur Schule gehen. Viele Kinder müssen arbeiten, um ihren
       Familien zu helfen, die oft aus Alten, Kranken und alleinerziehenden
       Müttern bestehen. Die Elfjährigen übernehmen Hilfsjobs, leichtere manuelle
       Arbeiten, in Hinterhofateliers zuschneiden oder nähen. Adnan Alhalid weiß,
       dass viele Kinder, selbst wenn sie morgens zur Schule gehen, anschließend
       arbeiten müssen. „Es gibt deswegen keine Hausaufgaben.“ Die türkische
       Regierung setze durchaus Sozialarbeiter ein. „Das Problem ist: Die wissen
       nichts über unser Land, unsere Kultur.“
       
       Helfen könnten da die vielen syrischen Lehrer und Lehrerinnen, offiziell
       sind es 13.000, die noch in den syrischen Schulen oder in den
       Übergangsklassen unterrichten – so wie die 39-jährige Shirin Bakri, die,
       seit zweieinhalb Jahren im Land, Arabisch- und Englischstunden erteilt. Auf
       dem Schulhof des Yıldırım Beyazıt Temporary Education Centre in
       Sultanbeyli spricht sie die Journalisten an. Aushilfslehrer und
       -lehrerinnen erhalten nur 1.300 Lira im Monat; statt der regulären 5.000,
       die Lehrer sonst verdienen. Doch die türkische Regierung blockt ihre
       Übernahme ab, noch werden diese Lehrer als „Volonteers“ von Unicef bezahlt.
       „Das Leben in Istanbul ist teuer“, sagt Bakri. Sie hofft auf einen Deal und
       ein ordentliches Gehalt, wenn die syrischen Schulen im Jahr 2019 ganz
       geschlossen sein werden.
       
       ## Spannungen zwischen Türken und Syrern steigen
       
       Bedarf besteht, beteuert EU-Botschafter Berger. Man wolle sowohl syrische
       als auch türkische Lehrer sprachlich und psychologisch schulen. Aber es
       gebe auch sehr viele arbeitslose türkische Lehrer, so erklärt Philippe
       Duamelle von Unicef den Unwillen der türkischen Regierung.
       
       Die Spannungen zwischen Türken und Syriern nehmen dem Sommer 2017 drastisch
       zu, besonders in den Ballungszentren. Bei gewalttätigen
       Auseinandersetzungen starben im vergangenen Jahr 35 Personen, davon 24
       Syrer. Die wachsende Feindseligkeit hängt nach einer [1][Studie der
       International Crisis Group] auch damit zusammen, dass die Konkurrenz um
       Arbeit zwischen beiden Gruppen härter wird. Etwa 33 Prozent der türkischen
       Erwerbsbevölkerung, oft Kurden, schuftet auf dem Bau, in der saisonalen
       Landwirtschaft, in Textilfabriken; sie verlieren ihre Jobs oder bekommen
       noch weniger Gehalt als vorher. Die Löhne variieren von Ort zu Ort, in
       Istanbuler Textilfabriken verdienen Syrer zwischen 200 und 300 Lira, die
       Hälfte von dem, was türkische Arbeiter vorher bekamen.
       
       Auch Kristian Brakel, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, die im
       zweiten Stock eines Hauses im Stadtteil Beyoğlu residiert, hat diesen
       Stimmungsumschwung bemerkt. Er sieht die türkische „Hilfsbereitschaft“ und
       Gastfreundschaft als eher „von oben verordnet“. Der rasante Währungsverfall
       und die Rezession verstärken fremdenfeindliche Tendenzen, dazu kommt die
       Ablehnung des Arabischen, die Angst vor Islamismus und dem nahen Krieg. Für
       Syrer gilt wieder die Visumpflicht.
       
       Spielt das Thema denn im Wahlkampf eine Rolle? Islamwissenschaftler und
       Nahostexperte Brakel sagt, lange sei das kein Thema gewesen. „Jetzt kommt
       es mit umso größerer Wucht zurück. Gerade von Vertretern der Opposition
       hört man ständig, dass man die Geflüchteten nach Syrien zurückschicken
       müsste. Erst nachdem Frieden herrscht zwar – aber die Natur des syrischen
       Regimes, die auch nach einem Friedensschluss Oppositionelle verfolgen wird,
       blendet man dabei aus.“
       
       Fatma Abbas im Gemeindezentrum des Türkischen Halbmonds in Sultanbeyli
       antwortet auf die Frage, ob sie sich wohlfühlt in der Türkei, schüchtern:
       „Die Türkei nimmt uns freundlich auf.“ Und setzt hinzu: „Meine Heimat
       vergesse ich nicht.“ Ihr Sohn Mustafa läuft zur Tür, in der seine kleine
       Schwester Ticen auftaucht. Sie ist drei und bereits in der Türkei geboren.
       Er flüstert seiner Mutter liebevoll etwas ins Ohr. Stille Post, auf
       Türkisch oder Arabisch?
       
       Die Reise nach Istanbul wurde von Unicef Türkei finanziert.
       
       17 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.crisisgroup.org/europe-central-asia/western-europemediterranean/turkey/248-turkeys-syrian-refugees-defusing-metropolitan-tensions
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sabine Seifert
       
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