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       # taz.de -- Protest gegen den Bau der A33-Nord: Die billigste Autobahn der Welt
       
       > Anwohner wollen gegen die A33-Nord bei Osnabrück vor dem
       > Bundesverwaltungsgericht klagen: Bei der Berechnung der
       > Wirtschaftlichkeit sei getrickst worden.
       
   IMG Bild: Protestaktion der Anwohner*innen im Jahr 2009
       
       Es gibt Kämpfe, die nehmen scheinbar kein Ende. Der Kampf gegen die
       A33-Nord bei Osnabrück zum Beispiel. Jahrzehnte ist er alt.
       
       Käme er, der Neubau zwischen Belm und Wallenhorst, zwischen B51 und A1,
       wäre er 9,4 km lang, ausgelegt für bis zu 21.000 Kfz pro Tag und „ein
       Drama, ökologisch wie finanziell“, so Rainer Comfere, Sprecher der
       örtlichen „Arbeitsgemeinschaft ‚Besseres Verkehrskonzept‘“.
       
       Comfere zeigt ein Foto. Es ist vom 26. April 2009, entstanden auf Hof Espel
       in Rulle, aus dem Korb einer Feuerwehr-Drehleiter: 1.200 Aktivisten
       gruppieren sich zu einem „Stoppt A33“, recken Luftballons in die Höhe.
       
       „Eine coole Aktion“, sagt Comfere. „Aber allzu oft kannst du sowas
       natürlich nicht machen. Vor allem nicht, wenn sich die Sache so endlos
       hinzieht. Irgendwann erlahmt einfach das Engagement, selbst bei den
       Aktivsten.“
       
       Bei Comfere ist es nie erlahmt. Kultur- und Familien-Hoffeste hat er
       mitorganisiert, gegen die A33-Nord, mit bis zu 5.000 Besuchern. Blaue
       Protestkreuze standen an den Straßen.
       
       Da waren die schwarzen Streifen, von zornigen Bauern durch ihre Felder
       gegrubbert, um die verhasste Trasse in der Landschaft sichtbar zu machen.
       Da war der Anhänger, von einem Gabelstapler auf sieben Meter Höhe
       gewuchtet, um die Krone des Fahrbahndamms anzudeuten. „Aber wenn das alles
       scheinbar nichts hilft“, Comfere nimmt einen Schluck Biolimonade,
       „resignieren dir halt viele“.
       
       Aber jetzt gilt es nochmal. Ein letztes Mal. Denn jetzt geht der Kampf in
       seine entscheidende Runde: Für die A33-Nord, im „Bundesverkehrswegeplan
       2030“ (BVWP) unter „vordringlicher Bedarf“ eingestuft, steht das
       Planfeststellungsverfahren an. Baubeginn ist 2021, prognostiziert Bernd
       Althusmann, Niedersachsens Verkehrsminister.
       
       Wenn es nach Andreas Peters geht, dem 1. Vorsitzenden des „Umweltforums
       Osnabrücker Land“, des Dachverbands der Umweltverbände der Region, kommt es
       dazu nicht. Ende Mai hat das Forum eine Resolution beschlossen, in der
       Vorwürfe stehen wie „aus naturschutzfachlicher Sicht strikt abzulehnen“,
       „verkehrlich überflüssig“ und „Verschwenden von Steuergeldern“.
       
       ## Gerichtliche Überprüfung angekündigt
       
       Auch eine gerichtliche Überprüfung ist angekündigt, eine Verbandsklage vor
       dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht. Peters ist zuversichtlich: „Unsere
       Chancen sind gut!“ Comfere schmunzelt ein bisschen. „Vor Gericht und auf
       hoher See bist du in Gottes Hand, heißt es ja …“
       
       Und dann listen die beiden auf. Beeinträchtigung von drei Natura
       2000-Schutzgebieten, von Grundwasserspiegel und Bestandsklima. Gefährdung
       von Bechsteinfledermaus und Kamm-Molch, von Brutplätzen für 40 seltene
       Vogelarten. Trockenlegung von Feuchtgebieten und Teichen. Lärmbelastung und
       Luftverschmutzung. 520.000 Quadratmeter Flächenbedarf, 784.000 Kubikmeter
       Bodenabtrag …
       
       Einer der mächtigsten Hebel, den das Umweltforum in Leipzig ansetzen kann,
       ist das angeblich so gute Nutzen-Kosten-Verhältnis, mit dem der BVWP die
       hohe Dringlichkeitsstufe der A33-Nord rechtfertigt. Das ist nämlich, sollte
       es je bestanden haben, längst überholt, hat Prof. Dr. Jürgen Deiters Anfang
       März 2018 vorgerechnet, emeritierter Wirtschaftsgeograph der Universität
       Osnabrück.
       
       ## Veraltete Daten
       
       Denn der BVWP legt Kosten von 87 Millionen Euro zu Grunde, in Wirklichkeit
       fallen jedoch 145 Millionen an. Das gab Niedersachsens Landesregierung im
       April 2017 zu, auf der letzten Sitzung des fünfjährigen „Bürgerdialogs
       A33-Nord“, dem es, zur Empörung der Autobahngegner, letztlich nur um das
       Wie des Baus ging, nicht um das Ob. Die Vordringlichkeits-Einstufung sei
       „damit hinfällig“, urteilt Deiters.
       
       Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen aus der Region
       Osnabrück, hakte beim Bundesverkehrsministerium nach. Das Ergebnis: Das
       Land Niedersachsen gab die Kostensteigerung erst im April 2017 an die
       Bundesregierung weiter. Der BVWP, Ende 2016 verabschiedet, fußt auf
       veralteten Daten aus 2014.
       
       Enak Ferlemann, CDU, Parlamentarischer Staatssekretär im
       Bundesverkehrsministerium, ficht das nicht an. Das Projekt sei „weiterhin
       wirtschaftlich“ und bedürfe „keiner Neubewertung“. Polat: „Verwunderlich.“
       Die Kostenexplosion und das zweifelhafte Nutzen-Kosten-Verhältnis zeige,
       „dass eine A33 Nord keinesfalls auf einem soliden Fundament gebaut werden
       kann“. Sie fordert, „das unnötige Projekt endlich zu begraben“.
       
       ## Unter den Tisch gewischt
       
       Otto Steinkamp, Bürgermeister der Gemeinde Wallenhorst, sieht das genauso:
       „Schon seltsam, wie diese Kostensteigerung unter den Tisch gewischt wurde –
       und wird. Der Bau soll politisch offenbar um jeden Preis durchgedrückt
       werden.“
       
       Sicher seien da auch Begehrlichkeiten der Wirtschaft im Spiel: „Wo eine
       Autobahn ist, kommt ja schnell auch ein Gewerbegebiet hin.“ Wallenhorst
       gehört seit jeher zu den Gegnern der Trasse. Das Planfeststellungsverfahren
       bereitet Steinkamp Sorge: „Die Situation spitzt sich dadurch derzeit zu.
       Jetzt muss jeder Farbe bekennen.“
       
       Auch Viktor Hermeler, Bürgermeister der Gemeinde Belm, stimmt der
       Resolution des Umweltforums „uneingeschränkt zu“: „Der Bau der A33-Nord ist
       überflüssig. Mit dem Bau würde es zu Zerschneidungen hofnaher
       landwirtschaftlicher Flächen, Siedlungsräume und wertvoller
       FFH-Schutzgebiete kommen.“ Die Kosten-Nutzen-Rechnung stehe „in keinem
       sinnvollen Verhältnis. Und das nicht erst seit der neusten
       Kostenschätzung.“
       
       Natürlich haben auch die Autobahnbefürworter Argumente. Entlastung von
       Ortsdurchfahrten, Erhöhung der Verkehrssicherheit, Zeitersparnis, Abbau von
       Kapazitätsengpässen.
       
       ## Osnabrücks Stadtrat ist für den Bau
       
       Auch auch verkehrlich hat das Forum gute Karten, meint Deiters. Durch einen
       sechsspurigen Ausbau der A30 zwischen Lotter Kreuz und Kreuz Osnabrück-Süd
       erübrige sich der Bau der A33-Nord. Ohnehin diene sie „hauptsächlich dem
       Quell- und Zielverkehr innerhalb der Region“ und erzeuge „in erheblichem
       Umfang Neuverkehr“.
       
       Osnabrücks Stadtrat sieht das derzeit mehrheitlich anders. Die
       Verkehrssituation in Osnabrücks Innenstadt ist desolat, da greift man nach
       jedem Strohhalm. Auch Osnabrücks Bürgervereine sind für den Bau. Peters:
       „Eine Betonfront.“
       
       Und die IHK Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim, die einst sogar Geld
       gab, die A33-Nord-Planungen voranzutreiben, ist sowieso ein Autobahnfreund.
       Hauptgeschäftsführer Marco Graf erkennt eine „hohe Bedeutung für die
       regionalen Unternehmen“. Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert
       (CDU) spricht sogar von einem „Lückenschluss von A33 zur A1“, der „mit
       Priorität vorangetrieben werden muss“.
       
       Als ob da eine Lücke wäre. Da ist einfach nur keine Straße, sondern Natur.
       Peters: „Die haben wohl gedacht, wenn die Trasse hauptsächlich nur durch
       Wald und Wiese geht, protestieren höchstens ein paar blöde Ökos, und die
       sind schnell still.“
       
       7 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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