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       # taz.de -- Kommentar zum Koalitionskrach: Merkel muss bleiben
       
       > Mit dem Skalp der Kanzlerin will die CSU in den Bayern-Wahlkampf ziehen.
       > Die CDU darf jetzt nicht der Versuchung nachgeben und aufgeben.
       
   IMG Bild: Wer das vernünftige Europa personifiziert, muss auf dem Posten bleiben
       
       Inzwischen scheint es der CSU nur noch darum zu gehen, Merkel zu stürzen.
       Es war vielleicht nicht von Beginn an geplant, aber die Zuspitzung der
       letzten Tage legt den Verdacht nahe: Die CSU will mit dem Skalp der
       Kanzlerin in den Landtagswahlkampf ziehen. „Merkel muss weg“, diese
       Plumpformel des rechten Wutbürgertums wäre schließlich doch verwirklicht –
       und zwar nicht von der AfD. Sichtbarer könnte sich die CSU nicht
       durchsetzen als mit dem Sturz der Kanzlerin.
       
       Horst Seehofer [1][hatte die Asylwende zum Wahlkampfthema machen wollen.]
       Doch die Obergrenze interessiert niemanden mehr, seit ohnehin nicht mehr so
       viele Flüchtlinge kommen. Ankerzentren für die Unterbringung von
       Asylbewerbern haben sich als Rohrkrepierer entpuppt, weil selbst
       Unions-Länder darin vor allem Sicherheitsrisiken sehen. Da kam die Idee
       auf, eine alte Forderung aus den heißen Jahren 2015/2016 wiederzubeleben:
       die Zurückweisung von Flüchtlingen gleich an der Grenze.
       
       Doch langsam dürfte der CSU dämmern, dass auch dies nur ein scheinbar
       genialer Gedanke ist. Grenzminister Seehofer sähe schwach aus, wenn
       zurückgewiesene Flüchtlinge reihenweise erfolgreich an deutschen
       Verwaltungsgerichten klagten. Eigentlich dürfte die CSU also gar kein
       Interesse haben, dieses Konzept gegen die Widerstände in der
       Bundesregierung durchzusetzen.
       
       Um so seltsamer wirkt es deshalb – allerdings nur auf den ersten Blick –,
       dass die CSU-Granden nicht die geringste Kompromissbereitschaft andeuten.
       Im Gegenteil: Sie haben ihre Position weiter eskaliert. Markus Söder begann
       sogar, gegen die deutsche Politik der internationalen Verständigung
       („Multilateralismus“) zu hetzen, wohl wissend, dass dies der Kern von
       Merkels Mission ist.
       
       ## Gegenpol zu Despotie und Nationalismus
       
       Die Christsozialen scheinen darauf zu hoffen, dass die vernünftige
       [2][Merkel dem Druck nachgibt] und ihren Rücktritt ankündigt – in der
       Erwartung, dass sie so ihren Zielen am besten dient. Die CDU könnte dann
       die ebenfalls vernünftige Annegret Kramp-Karrenbauer als Kanzlerin
       vorschlagen, die Flüchtlingspolitik würde in europäischen Bahnen
       weiterlaufen und der Multilateralismus bliebe deutsche Staatsräson.
       
       Dieser Versuchung, aufzugeben, sollten Merkel und die CDU widerstehen. Wer
       die EU und das vernünftige Europa personifiziert, muss gerade in dieser
       Zeit auf dem Posten bleiben. Wenn schon in Deutschland die Hetzer und
       Raufbolde gewännen, wer würde da international die EU noch als Gegenpol zu
       Despotie und Nationalismus ernst nehmen? Eine neue Koalition ohne CSU wäre
       eine Europakoalition und die richtige Antwort an alle kurzsichtigen
       Krawallos: Merkel hat den längeren Atem.
       
       18 Jun 2018
       
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