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       # taz.de -- Kolumne Russia Today: Von Isländern kämpfen lernen
       
       > Wer dieser Tage in Russland einen isländischen Fan trifft, muss sich auf
       > hartes Tackling einstellen. Und die Menschen von der Insel sind alle
       > gleich!
       
   IMG Bild: Familienbande statt Nationalismus: In der isländischen Fankurve sind alle irgendwie verwandt
       
       Island will man wirklich nicht zum Gegner haben. Am selben Tag, [1][an dem
       sie die Argentinier zum Verzweifeln gebracht haben], hat mich einer dieser
       unzähligen isländischen Fans schonungslos in die Mangel genommen – er trug
       natürlich dieses blaue Nationaltrikot. Als er erfuhr, dass ich für eine
       Tageszeitung arbeite und den Journalisten auch in Deutschland die
       schwindende Leserschaft der papiernen Ausgabe großes Kopfzerbrechen
       bereitet, herrschte er mich geradezu an: „Ihr müsst kämpfen!“
       
       Meinen ersten zaghaften Versuchen, etwas zu entgegnen, begegnete er jedes
       Mal aufs Neue mit dem Appell: „Ihr müsst kämpfen!“ Es war einfach kein
       Vorbeikommen.
       
       Er dagegen attackierte unermüdlich weiter. „Ihr seid schuld an Donald Trump
       und den anderen Verbrechern in den Regierungen. Ihr seid schuld, dass die
       Leute glauben, ihr würdet Fake News verbreiten. Ihr seid schuld, dass die
       Leute keine Zeitungen mehr kaufen. Ihr müsst kämpfen!“
       
       All meine Versuche, das Spiel breiter zu gestalten, vergeblich. Er ließ mir
       einfach keinen Platz. Auf einmal schlug er mir dann aber doch ganz
       plötzlich versöhnlich auf die Schulter und entschuldigte sich. Isländer, so
       erklärte er mir, seien eben immer direkt und sie seien Kämpfer.
       
       ## „Entschuldigung, wir können nicht anders“
       
       Denn um auf ihrer kargen Insel zu überleben, bleibe ihnen gar nichts
       anderes übrig. Man schrecke vor keiner Herausforderung zurück und mache aus
       bescheidenen Mitteln immer das Beste. Ungefragt zeigte mir dieser
       isländische Fan so den gesamten kulturhistorischen Hintergrund dieses
       Unentschiedens seines Teams gegen Argentinien auf.
       
       In unserer Gesellschaft befand sich auch noch der russische Geschäftsmann
       Sergej, der wiederum darum bemüht war, die Unterschiedlichkeit der Russen
       aufzuzeigen. Ihm sei es ein Anliegen, erklärte er mir, allen WM-Touristen
       zu zeigen, dass es eben auch viele in seinem Land gebe, die nicht der
       Staatspropaganda glaubten und sich anders als Putin für ein offenes,
       europäisch orientiertes Russland einsetzten. Es gebe viele, die wüssten,
       dass Russland der Aggressor im Ukraine-Konflikt sei. Und all diese Menschen
       würden sich nicht wohl fühlen in ihrem eigenen Land.
       
       Eine Frage drängte sich mir auf: Könnte es denn nicht auch unterschiedliche
       Isländer geben? Ich wurde von meinem Fachmann beruhigt. Seine Landsleute,
       erklärte er, würden alle gleich ticken. Wenn sich zwei träfen, müssten sie
       sich nur lange genug unterhalten, um verwandtschaftliche Bande zu finden.
       Keiner wolle anders sein. Alle wüssten, dass sie zu einer Familie gehören.
       
       Und um ganz sicher zu gehen, erinnerte er noch einmal daran: „Alle wissen,
       dass sie kämpfen müssen.“ Ich kann danach ein wenig mitfühlen. Die
       kommenden Gegner von Island tun mir jetzt schon leid. Es wird für sie in
       jedem Fall sehr eng werden.
       
       19 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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