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       # taz.de -- Protest gegen Elektrofischerei: Nicht im selben Boot
       
       > In Flensburg beteiligen sich Kutter-Kapitäne am europaweiten Protest
       > gegen die Elektrofischerei: Unter dem Siegel der Forschung werde sie im
       > großen Stil betrieben.
       
   IMG Bild: Wollen die Elektrofischerei stoppen: Flensburger Fischer
       
       NEUMÜNSTER taz | Der Protest der Flensburger Fischer beginnt geruhsam:
       „Setzt euch man, kost’ das gleiche“, lädt Rudi, einer der Männer in
       blau-weißer Leinenbluse, die zur Demo angereisten Gäste an den Holztisch
       vor der Steganlange am Hafen. Aber hinter der gelassenen Fassade sind die
       Fischer sauer. Sie kämpfen mit KollegInnen in elf Häfen in ganz Europa und
       mehreren Umweltschutzorganisationen gegen die Methode, Seetiere mit
       elektrischen Schocks aufzuscheuchen.
       
       Zwar ist die Elektrofischerei ist seit 1998 in der EU verboten, aber es
       gibt Ausnahmegenehmigungen. Aktuell wird auf europäischer Ebene erneut über
       die Methode diskutiert.
       
       Eigentlich soll der Strom-Impuls, der Plattfische wie Butt und Flunder oder
       Krebstiere wie Krabben aus dem Sand und in die Fangnetze treibt, eine
       umweltschonende Alternative zum schweren Schleppnetz, der Baumkurre, sein.
       „Die Umweltauswirkungen sind – wie Studien zeigen – in vielen Bereichen
       geringer als bei herkömmlichen Baumkurren“, teilt das Kieler Umwelt- und
       Fischereiministerium auf taz-Anfrage mit.
       
       Denn durch den Elektroimpuls wird der Boden nicht so stark aufgewühlt.
       Allerdings seien noch nicht alle Auswirkungen hinreichend erforscht, heißt
       es weiter aus dem Ministerium, das von dem Grünen Robert Habeck geführt
       wird.
       
       Für die GegnerInnen der Elektrofischerei sind die gegenteilige Effekte
       bereits deutlich: „Die Gebiete sehen wie Friedhöfe aus“, sagt Valeska
       Diemel, Aktivistin der Umweltorganisation [1][The Black Fish], die gegen
       illegalen und zerstörerischen Fischfang kämpft. Nach dem Einsatz von Strom
       seien Fische mit Verbrennungen, inneren Verletzungen und sogar gebrochener
       Wirbelsäule in die Netze gegangen.
       
       Zudem komme die Methode am meisten den fabrikähnlichen Riesen-Trawlern
       zugute, während die traditionellen Kutterfischer das Nachsehen hätten, sagt
       Wolfgang Albrecht, Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen
       Fischereischutzverbandes und Mitbegründer der Low Impact Fishers of Europe,
       dem Zusammenschluss der kleinen Betriebe.
       
       „Wir sitzen eben nicht alle im sprichwörtlichen selben Boot, sondern in
       sehr unterschiedlichen“, sagt Albrecht. „Die deutschen Krabbenfischer
       wollen keine Elektrofischerei.“ Er spricht sich angesichts der Rückgänge
       der weltweiten Fischbestände für eine Wende aus: „Die Zeiten von höher,
       schneller, weiter sind endgültig vorbei.“
       
       Aber besonders die niederländischen Fangflotten treiben die
       Elektrofischerei voran. Eigentlich sollten im Rahmen der Ausnahmeregelungen
       nur fünf Prozent der Schiffe eines Landes mit dem Strom-Impuls auf die Jagd
       gehen dürfen, „aber die Holländer legen das schon sehr großzügig aus“, sagt
       Diemel.
       
       ## Ermittlungsverfahren beantragt
       
       Die Umweltorganisation Bloom mit Sitz in Paris, die den Protesttag der
       Fischer organisiert hat, kritisiert besonders, dass Hollands Fischer
       EU-Subventionen erhalten haben, um ihre Trawler mit der Impuls-Technik
       auszustatten. „Unter dem Deckmantel von Forschung und Wissenschaft wurde
       eine komplette Handelsflotte auf eine verbotene Fangmethode umgerüstet“,
       kritisiert Bloom in einer Pressemitteilung. In zwei Jahren seien rund 3,8
       Millionen Euro aus EU-Fonds an die Elektrofischerei-Flotte der Niederlande
       geflossen, unter Stichworten wie „Forschung“ oder „Innovation“.
       
       Mitte Juni haben 23 Umweltschutzgruppen und Fischereiverbände beim
       Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung ein Ermittlungsverfahren gegen die
       Niederlande beantragt, da diese die europäischen Transparenzregeln
       missachtet hätten. Inzwischen haben die Niederländer weitere Daten über die
       Verwendung der öffentlichen Gelder geliefert, die aktuell geprüft würden,
       teilt Bloom mit.
       
       ## Gesetzestext in der Abstimmung
       
       Die Gruppe zieht einen Vergleich zu der Jagd auf Wale, die Japans Fischer
       ebenfalls mit der Forschung begründen. Das Problem: Sowohl das Fleisch der
       Wale als auch die per Stromschlag in die Netze getriebenen Fische und
       Krabben werden kommerziell verwertet. Das ärgert nicht nur die
       UmweltschützerInnen, sondern auch die Konkurrenz.
       
       [2][Das Europäische Parlament sprach sich im Januar gegen das
       Elektrofischen aus.] „Es war eine mühsame Abstimmung“, berichtete damals
       die ARD. Der endgültige Gesetzestext wird noch abgestimmt. „Von einer
       teilweisen Zulassung bis zum Komplettverbot ist alles möglich“, sagt
       Black-Fish-Aktivistin Diemel.
       
       Der Flensburger Fischer Rudi kann über viele Entscheidungen nur den Kopf
       schütteln: „Die EU sollte an die Fabrikschiffe ran und uns Kleine in Ruhe
       lassen“, meint er. Wie alle 45 Fischer im Flensburger Verein betreibt er
       seinen Kutter nur im Nebenerwerb: Für ein hauptberufliches Auskommen
       reichen die Erträge nicht.
       
       20 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.theblackfish.org/
   DIR [2] /Archiv-Suche/!5472455&s=Elektrofischerei/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
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