URI: 
       # taz.de -- Geplantes Freihandelsabkommen: Neuseeland will EU-Bauern beruhigen
       
       > Der Pazifikstaat ist größter Milchexporteur weltweit. Das Land könne die
       > Produktion allerdings kaum noch steigern, sagt Handelsminister Parker.
       
   IMG Bild: Auch deshalb ist Neuseelands Milch so billig: Die Kühe können sich ganzjährig selbst auf der Weide ernähren
       
       Berlin taz Der größte Milchexporteur weltweit, Neuseeland, sieht in seinem
       geplanten Freihandelsabkommen mit der EU keine Gefahr für europäische
       Bauern. „Ich bin absolut sicher, dass EU-Milchbauern nicht ihre Betriebe
       aufgeben müssten“, sagte Handelsminister David Parker in einem Interview
       der taz in Berlin. „Wir haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, unsere
       Exporte von Milchprodukten zu steigern, weil wir schon jetzt Beschränkungen
       aus Umweltgründen haben. Die neuseeländischen Milchkuhbestände sind bereits
       geschrumpft.“ 2016/2017 gingen sie um 2,7 Prozent auf 4,9 Millionen Kühe
       zurück.
       
       Der Pazifikstaat stellt ein Drittel des Welthandels mit Milch, weil die
       Produktionskosten dort geringer sind als etwa in Europa. Das liegt zum
       Beispiel daran, dass die Neuseeländer die meisten Kühe wegen des milden
       Klimas ganzjährig auf der Weide halten und so billiger ernähren können als
       die Deutschen. In Neuseeland fressen die Tiere auch im Winter das Gras von
       der Weide, in der Bundesrepublik stehen sie überwiegend im Stall und müssen
       dort vergleichsweise aufwendig mit Futter versorgt werden.
       
       Traditionell ist Milch das wichtigste Exportprodukt Neuseelands. Butter
       sowie Milch- und Molkenpulver, mit dem die Lebensmittelindustrie zum
       Beispiel Fitnessgetränke, Babynahrung oder Schokolade herstellt, lassen
       sich auch über weite Strecken transportieren.
       
       Deshalb fürchten sowohl der Deutsche Bauernverband als auch die ökologisch
       orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft um die Existenz
       vieler Milchhöfe in Deutschland, wenn der Pazifikstaat mehr zollfreie
       Molkereiprodukte in Europa verkaufen darf als derzeit. Das dürfte besonders
       kleine Höfe treffen, die oft höhere Stückkosten haben. Bisher importiert
       die EU wenig Milchprodukte aus Neuseeland, weil sie sehr hohe
       Einfuhrsteuern erhebt.
       
       ## Neuseeland könnte Milch von Asien nach Europa umlenken
       
       Handelsminister Parker weist Bedenken gegen Zollsenkungen jedoch zurück:
       „In den vergangenen 20 Jahren gab es ein Problem mit steigenden
       Nitrat-Emissionen in unsere Umwelt und Flüsse.“ Eine der größten Quellen
       sind die Exkremente der Milchkühe. Die Regierung in Wellington wolle die
       Emissionen senken. So hätten die Behörden beispielsweise am größten See des
       Landes, dem Lake Taupo, den Nitrateintrag begrenzt. „Das wirkt wie eine
       Deckelung der Milchproduktion.“
       
       „In den letzten Jahrzehnten wurde in Neuseeland häufig erklärt, dass dort
       die Milchproduktion nicht mehr ausgebaut werden könne. De facto sehen wir,
       dass sie doch weiter steigt“, sagte Ludwig Börger, Leiter des Referats
       Milch des Deutschen Bauernverbands. Der Pazifikstaat hat laut EU-Kommission
       im Landwirtschaftsjahr 2016/2017 [1][rund 25 Prozent mehr Milch erzeugt als
       7 Jahre zuvor]. „Ich rechne damit, dass die neuseeländische Produktion
       weiter zunimmt, wenn der Handel liberalisiert wird“, so Börger. Derzeit sei
       die „Milchleistung“ in Neuseeland – also die Milchmenge pro Kuh –
       vergleichsweise gering. Aber durch mehr Kraftfutter ließe sie sich schnell
       steigern. Der wachsende Absatz würde die höheren Futterkosten ausgleichen.
       
       Börger belegt seine These vor allem mit einer Analyse des bundeseigenen
       Thünen-Forschungsinstituts für Ländliche Räume. Es hat durchgerechnet, was
       auf dem Markt passieren würde, wenn die EU sämtliche Zölle auf
       Milchprodukte aus Neuseeland und Australien streichen würde. Auch mit
       Australien verhandelt Brüssel gerade über ein Abkommen. „Laut der Analyse
       lägen die Produktionsrückgänge in Deutschland bei einer vollständigen
       Liberalisierung mit Neuseeland und Australien rein rechnerisch zwischen
       minus 3,3 Prozent und minus 3,9 Prozent bei Rohmilch sowie minus 3,9
       Prozent und minus 4,5 Prozent bei Milchprodukten“, [2][antwortete das
       Agrarministerium] 2017 auf eine Frage der Grünen im Bundestag.
       
       Das Modell des Thünen-Instituts erlaubt es nicht, den Effekt nur für
       Neuseeland oder Australien zu berechnen. Aber Janine Pelikan, die
       zuständige Marktanalytikerin des Instituts, sagte der taz: „Wahrscheinlich
       würden die Produktionsrückgänge in Deutschland infolge einer völligen
       Liberalisierung des Handels mit beiden Staaten vor allem auf Importe aus
       Neuseeland zurückgehen.“ Denn die neuseeländischen Landwirte exportierten
       zurzeit ungefähr vier Mal so viel Milch wie die australischen.
       
       Selbst, falls die Neuseeländer nicht ihre Produktion ausweiten würden,
       könnten sie mehr Milch nach Deutschland und in die EU verkaufen. „Wenn die
       EU ihre Importzölle aufheben sollte, wäre sie für Neuseeland als
       Absatzmarkt attraktiver als andere Weltregionen, in die sie derzeit Milch
       exportieren“, so Pelikan.
       
       25 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://ec.europa.eu/agriculture/sites/agriculture/files/market-observatory/milk/pdf/world-raw-milk-production-us-nz-au_en.pdf
   DIR [2] https://www.bundestag.de/blob/509296/78cbdd1503342b5c3c8730cbb312f42f/18236-data.txt
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
   DIR Neuseeland
   DIR Landwirtschaft
   DIR Freihandel
   DIR Welthandel
   DIR Jefta
   DIR Landwirtschaft
   DIR Mercosur
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Freihandelsabkommen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar G20-Agrarministertreffen: Adios, fairer Handel
       
       Die Vertreter der 20 größten Nationen wollen ein Zeichen gegen
       Protektionismus setzen. Tatsächlich verteidigen sie die alte ungerechte
       Weltordnung.
       
   DIR Agrarteil des Handelsabkommens Jefta: Die EU profitiert, Japan zahlt
       
       Einer neuen Prognose zufolge werden EU-Bauern wegen des Abkommens mit Japan
       ihre Produktion steigern. Das geht auf Kosten japanischer Landwirte.
       
   DIR Kommentar Importe aus Neuseeland: Globalisierter Irrsinn
       
       Die EU will den Handel mit Neuseeland erleichtern. Aber brauchen wir
       wirklich noch billigere Milch? Der Schaden für die Bauern wäre enorm.
       
   DIR Kommentar EU-Mercosur-Vertrag: Freihandel erschwert Agrarwende
       
       Das Abkommen zwischen EU und südamerikanischem Staatenbund ist viel
       gefährlicher als CETA. Problematisch ist vor allem der Fleischexport.
       
   DIR Trumps Dekret zu „Buy American“: Milchkrieg mit Kanada
       
       „America First“, so will es US-Präsident Trump. In Wisconsin wettert er
       gegen die Handelsbeziehungen und nimmt sich nun auch Kanada vor – es geht
       um Milch.
       
   DIR Freihandel zwischen Japan und EU: Und jetzt kommt „Jefta“
       
       Das geplante Abkommen wiederholt viele Fehler alter Verträge. Es fällt
       dabei hinter die Zugeständnisse zurück, die bei Ceta erkämpft wurden.