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       # taz.de -- Aktivistin über feministische Pornos: „Interessant und vielfältig“
       
       > Die Berliner SPD will eine Filmförderung für feministische Pornos. Sie
       > sollen gebührenfrei zur Verfügung gestellt werden. Gute Idee, findet
       > Laura Méritt.
       
   IMG Bild: „Wir lehnen Normen ab, wir wollen Vielfalt sehen“
       
       taz: Frau Méritt, was halten Sie von der Idee der SPD?
       
       Laura Méritt: Das ist eine sehr schöne Idee und auch keine neue. In
       Schweden wurden 2009 „Dirty Diaries“ herausgebracht, eine Sammlung kurzer
       feministischer Pornos, die der Staat gefördert hat. Dabei ging es darum,
       Vielfalt zu zeigen. Also nicht nur von Sexualität, sondern auch von
       Menschen, Gender, Praktiken, Kulturen, Alter etc. Das ist sehr gut
       gelungen. Die SPD hat das aufgegriffen. Wir von [1][PorYes als sexpositive
       Bewegung, die wir alle zwei Jahre eine feministische
       Pornfilmpreis-Verleihung] machen und diverse und nicht diskriminierende
       Darstellungen auszeichnen, unterstützen die Idee natürlich. Denn über so
       eine Förderung können auch Diskriminierungen abgebaut und Normierungen
       aufgehoben werden.
       
       Hat sich die SDP mit Ihnen dazu beraten? 
       
       Es gab einen Informationsabend, zu dem mich die Jusos eingeladen haben. Das
       haben die Grünen übrigens auch gemacht. Auf dem Gebiet der Sexualität ist
       einfach noch viel zu machen, das ist ganz deutlich und sieht man auch an
       der Zunahme der sexpositiven Bewegung. Die beschäftigt sich mit
       Alternativen zur Kommerzialisierung von Sex wie im Mainstream-Porno oder in
       der Werbung. Dort wird Sex ja sehr normierend und reduziert dargestellt.
       Und letztendlich wissen die Leute sehr wenig über Sexualität, weil auch in
       Anatomie- und Sexualitätsbüchern wenig aufgeklärt wird.
       
       Was heißt das genau, „sexpositiv“? 
       
       Die [2][sexpositive Bewegung setzt sich seit den 60ern für einen positiven
       Zugang zum Körper und zur Sexualität ein], und zwar in Worten, Bildern und
       Verhalten. Für feministische Pornos wurden [3][klare Kriterien für die
       Darstellung von Sexualität entwickelt]: Vielfalt, das bedeutet auch die
       Lust von allen zu zeigen, Konsens bzw. Kommunikation, was auch als Fairporn
       in guten Arbeitsbedingungen ausdrückt.
       
       Turnt es nicht ab, wenn Porno was mit dem Staat zu tun hat? 
       
       Das glaube ich nicht. Im Prinzip ist es ja egal, von wo es kommt.
       Hauptsache, es ist interessant und vielfältig. Auch Gespräche können
       antörnen, wenn ich gut zuhöre und die Szene mit verhandle und ausmale.
       
       Wieso sind feministische Pornos wichtig? 
       
       Weil der Mainstream-Porn sehr sehr normierend ist. Letztendlich zeigt er
       auch heterosexuelle Interaktion in einer eingeschränkten Form. Es geht
       immer um Penetration in alle Löcher der Frau mit dem Höhepunkt des Mannes,
       den man daran erkennt, dass er in das Gesicht der Frau abspritzt. Das ist
       auch für Männer sehr einseitig, deren Orgasmen könnten auch anders
       aussehen. Mainstreamporn ist eine extreme Leistungs-Show, bei der alles als
       pervers oder Fetisch kategorisiert wird, was nicht heterosexuell ist. Um
       davon wegzukommen und zu zeigen, dass es viele verschiedene Wirklichkeiten
       und nicht nur ein SexSkript gibt, ist progressiver Porno wichtig. Nicht nur
       für Jugendliche.
       
       Wie sieht feministischer Porno aus? 
       
       Feministischer Porno bedeutet nicht Blümchensex oder dass eine besondere
       Handlung existieren muss oder nicht penetriert werden darf. Wir lehnen
       Normen ab, wir wollen Vielfalt sehen. Verschiedene Sexualpraktiken und
       Kameraeinstellungen, die nicht nur genitalfixiert sind. Dass man die
       Veränderungen der Haut mal sieht, auch Gesichter von Männern. Dass Personen
       im Rollstuhl oder Bewegungseingeschränkte ganz selbstverständlich mal dabei
       sind und nicht als Krüppel-Sex sondiert werden. Dass man nicht immer klare
       sogenannte männliche oder sogenannte weibliche Verhalten zuschreibt,
       sondern Sex wahrnimmt anstatt Gender oder Geschlecht.
       
       Wie verbreitet ist feministischer Porno? 
       
       Es gibt bereits viele erfolgreiche Produktionen im alternativen Bereich,
       aber durchaus auch im Mainstream. Pink and White Production ist zum
       Beispiel eine Plattform, die feministische Filme anbietet. Petra Joy hat
       als erste hier in Europa die sehr konservative Pornoindustrie verändert,
       Jennifer Lyon Bell aus Amsterdam ist eine tolle Regisseurin. Erika Lust ist
       sehr populär und medienwirksam.
       
       Der Mainstreamporn hat sich schon zum Amateur-Sex hin gewendet, das
       bedeutet dass Darstellerinnen und Setting realistischer geworden sind, aber
       nicht minder kommerziell. Es gibt mittlerweile die Kategorie
       „pärchenfreundlich“ oder „frauenfreundlich“. Das heißt nicht, dass der Film
       dann großartig anders ist, aber auch das ist ein Prozess, die Wörter wurden
       schon mal übernommen.
       
       Die Pornos sind problematisch, trotzdem werden abertausende davon
       produziert. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der feministische
       Porno den konventionellen ablöst? 
       
       Ich würde mal sagen, in knapp zehn Jahren haben wir es geschafft. Ich sehe
       das parallel zu der Sextoy-Industrie, die sich ja auch durch den
       jahrzehntelangen Einsatz der Frauenbewegung extrem gewandelt hat und jetzt
       viel qualitätsorientierter ist. Frauen werden mit einbezogen, die Formen
       sind anders, weniger chemische Stoffe werden verwendet und so weiter. Da
       hat sich in den letzten 20 Jahren extrem viel getan. So wird es bei Pornos
       auch sein.
       
       Ihr Wort in des Pornogottes Ohr. 
       
       Ja, wir kriegen das ja mit. Immer mehr Leute beschweren sich über das ewig
       gleiche Gerammel. Mit einer staatlichen Unterstützung wären die
       Alternativen natürlich präsenter und für alle verfügbar.
       
       Reicht die Idee der SPD da – oder welche Initiativen würden Sie sich
       wünschen? 
       
       Ich finde, dass nicht nur feministische Pornos staatlich gefördert werden
       sollten, sondern die Verbreitung von sexuellem Wissen. An umfassender guter
       Aufklärung, nicht nur für Jugendliche, mangelt es. Gerade in den
       Schulbüchern ist immer noch von Fortpflanzung die Rede, die weibliche
       Sexualität ist extrem verkleinert und fehlerhaft dargestellt. Da gibt es
       noch viele Möglichkeiten, wo der Staat unterstützen kann.
       
       10 Jun 2018
       
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