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       # taz.de -- Die Wahrheit: Menschlich wie Bambi
       
       > Wir schreiben das Jahr 2024. Die Flüchtlingsströme in europäischen
       > Breiten suchen sich neue Wege – Richtung Süden.
       
   IMG Bild: Massenflucht aus dem kalten Deutschland ins Warme
       
       „Wolldecken! Wir brauchen hier Wolldecken!“ Verzweifelt gellen die Rufe aus
       den Funkgeräten über den Äther. Es ist die letzte Verbindung nach draußen.
       Der Leiter des Altenheims fleht die Welt um humanitäre Hilfe an. Aber
       niemand erhört ihn. Wie konnte das geschehen?
       
       Wir schreiben September 2024. Und es ist endgültig nicht mehr zu leugnen,
       dass Deutschland ein massives Flüchtlingsproblem hat. Denn das Unfassbare
       ist geschehen: Der Golfstrom, die „Zentralheizung“ Westeuropas, ist im
       Sommer 2023 infolge des Klimawandels zum Erliegen gekommen. Schon der erste
       Winter hat mit Temperaturen von minus 35 Grad und monatelangem, scharfem
       Dauerfrost gezeigt: In Deutschland wird es ungemütlich. Die meterhohe
       Schneedecke, die weite Teile des Landes bedeckte, lag bis Mitte Juni, und
       bereits seit Anfang August herrscht wieder Frost. Die Häfen Hamburg und
       Bremerhaven können wegen Eisgangs nicht mehr angefahren werden, wodurch die
       exportorientierte deutsche Wirtschaft schwer leidet. Die Ernten sind
       überwiegend vernichtet. Die Preise für Öl und Gas sind explodiert; 70 bis
       80 Prozent des Durchschnittseinkommens gehen für das Heizen drauf.
       
       Deshalb machen sich immer mehr Deutsche als Klima- und Armutsflüchtlinge in
       südliche, wärmere Gefilde auf den Weg – besonders zur Belustigung der
       osteuropäischen Öffentlichkeit: „Syrien ist gut für warme deutsche Brüder.
       Aber leider kapuuutt“, erklärte der russische Präsident Putin im
       Staatsfernsehen.
       
       ## Karawane in der Sackgasse
       
       Doch die bibbernden Menschen kommen nicht weit. Bayern hat seine Nordgrenze
       abgeriegelt und stellt nur noch Transitvisa aus. Allerdings ist Transit
       schwierig, weil Österreich und Italien darauf verweisen, dass Deutschland
       ein sicheres Herkunftsland ist, und niemanden hineinlassen. Auch der Umweg
       der Karawane über Tschechien erweist sich als Sackgasse – in Ungarn gelten
       Deutsche inzwischen von Gesetzes wegen als „jüdische Demokraten“ und werden
       mit Schüssen aus dem Grenzgebiet vertrieben. Immerhin hat das Orbàn-Regime
       dabei den Bambi-Humanismus der AfD übernommen: Es wird nur auf Mütter und
       Väter geschossen, nicht auf Kinder.
       
       Dramatisch ist die Lage vor allem für ältere Menschen. Im Altersheim für
       Deutsche, wie die „Nationale Senioren- und Demenz-Anstalt Plauen“ kurz
       genannt wird, kann nur noch notdürftig geheizt werden. Heimatvorsteher
       Alexander Gauland steht vor der schwersten Herausforderung seiner Laufbahn.
       Als Sofortmaßnahme verteilt er Strickjacken in optimistischem Braun und
       Feldgrau. Dabei hatte er noch in seiner Rede zum „Tag der Heimat“ am 2.
       September 2022 getönt, dass der fremdenfreie Gau Vogtland demnächst das
       ganze deutsche Volk befreien und die „Horden der Eindringlinge aufreiben“
       werde. Unter seinen Zuhörern war daraufhin Wehmut aufgekommen. So mancher
       dachte versonnen an die Zeit, in der es in Plauen noch eine Gastronomie gab
       und sie von syrischen Pflegekräften umsorgt wurden, statt sich gegenseitig
       waschen und füttern zu müssen. Auch hätte mancher gern mal wieder Obst
       gegessen, aber das war im Gau Vogtland mangels Erntehelfern schon länger
       nicht mehr möglich.
       
       Gauleiter Heimland hatte sich bereits über Frauke Petry, die jetzt als
       Missionarin in Mali tätig ist, diskret erkundigt, ob die Heimbewohner dort
       im Rahmen einer humanitären Ausnahme aufgenommen werden könnten. Man sei in
       echter Not. Das Gelächter seiner Gesprächspartnerin war bis Plauen zu
       hören. Nun überlegt Gauland fieberhaft, wie er unnütze Esser im Heim
       loswerden kann. Wie geht noch mal Euthanasie? Oder soll er alle
       Ariernachweise noch mal checken und endlich diesen Polacken Pazderski über
       der Weichsel entsorgen?
       
       Erst einmal lässt Gauland durchzählen. Ein paar Mitarbeiter fehlen.
       Schnarrend fragt er in den Speisesaal: „Wo ist Poggenburg?“ Er erfährt,
       dass der flotte André, getarnt als betrunkener Matrose, irgendwie an Bord
       eines U-Boots gelangt und nun in Paraguay ist. Nach dem nächsten Putsch
       soll er dort angeblich Staatschef werden. „Der ist doch zu dumm, um eine
       Kuh umzuwerfen!“, entfährt es Gauland.
       
       ## Asyl in Braunau
       
       Und was ist mit Höcke? „Der Bernd hat doch damals dieses Haus in Braunau
       gekauft. Durfte also nach Österreich rein. Er lebt momentan in einer
       Erstaufnahme in Haiderstadt am Wörthersee. Und er hat Familiennachzug
       beantragt für Alice. Die hat sich ganz fix scheiden lassen von ihrer Lesbe
       und den Björn genommen. Sicher ist sicher.“
       
       Aber wo ist die Storch? „Die ist in Libyen. Ganz legal eingereist. Und
       wissen Sie warum? Weil Störche schon immer in Afrika überwintert haben.
       Kein Witz – mit der Begründung haben die Beatrix von Storch ein Visum
       gegeben. Gilt allerdings nur bis Frühjahr. Dann wird es zurückgeflogen ins
       kalte Deutschland, unser adliges Zugvöglein. Heim ins Heim im Reich,
       hehehe“, keckert der alte Vogel in sich hinein, um dann fortzugahren: „Aber
       wisst Ihr, was sie erzählt hat? Unsere Aufwärmgebiete in Nordafrika sind
       offenbar von Ausländerhorden überrannt worden. Wenn das der Führer wüsste!“
       
       Als sich im Heim herumspricht, dass sich überall dort, wo es noch warm ist,
       Millionen von Fremde breitgemacht haben, droht die Stimmung zu kippen. Aber
       Gauland wäre nicht Gauland, wenn er dagegen kein Mittel wüsste. Den
       Stahlhelm auf dem Kopf und die Gehhilfe kampfeslustig erhoben, donnert er
       mit brüchiger Stimme in den Saal: „Wir werden sie jagen! Wir werden sie
       verjagen!“
       
       Die Insassen des Plauener Altersheims nicken beifällig, warten aber dann
       doch erst einmal auf die Wolldecken. Die aber bitte nicht von Ausländern
       gebracht werden sollen …
       
       25 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Oliver Domzalski
       
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