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       # taz.de -- Die Wahrheit: Ein Sternenkrieg für Angela Merkel
       
       > Was kann die Bundeskanzlerin in dieser alles entscheidenden Woche noch
       > retten? Ein morgendlicher Einblick ins Innere der Macht.
       
   IMG Bild: Der dunkle Lord Darth Vader ist der letzte Kämpe, der Angela Merkel jetzt noch helfen kann
       
       Glockenhell perlt das Babygebrabbel durchs Kanzleramt. Mit dem
       quietschvergnügten Gegiggel in den Ohren eilen die Mitarbeiter fröhlich
       durch die Gänge, durch die sie monatelang mürrisch geschlurft waren. Ein
       Kind ist geboren. Die Sonne scheint. Und alle, alle haben ihre Freude –
       nicht nur im endlich wieder pumpenden Herz der Regierung, auch draußen im
       Land können die ehemaligen Wutbürger gar nicht genug bekommen vom „First
       Baby“. Welchen Namen bekommt die Kleine? Wann ist die Taufe? Wird Donald
       Trump ihr Patenonkel?
       
       Das sind die Fragen, die Deutschland bewegen, und die ganze wieder
       wiedervereinte Nation lacht über Wirtschaftsminister Peter Altmaier und
       seinen Tweet mit dem gebrochenen Arm in der Schlaufe und dem eingegipsten
       „Like“-Daumen, der nach oben weist. Das dicke Trampel war über eine von
       einer Mitarbeiterin des Bundeskanzleramts zielsicher platzierte
       Nuckelflasche gestolpert und hatte sich eine Fraktur des speckigen
       Unterarms zugezogen. Und Merkels Baby hat alles Meckern und Murren
       weggezaubert …
       
       Seufzend erwachte Steffen Seibert an der Stelle, die ihm selbst im Traum zu
       unrealistisch erschien. Deutschland ohne schlechte Laune, das war wie Trump
       ohne Twitter, Putin ohne Haifischblick oder Söder ohne seinen verbalen
       Durchfall. Während er sich ächzend aus seinen zerwühlten Kissen quälte,
       würgte der Regierungssprecher ein wenig bei der Vorstellung, dass dem
       bayerischen Ministerpräsidenten die braune Soße aus dem Mund quoll, wenn er
       ungeniert Worte wie „Asyltourismus“ hervorstieß.
       
       ## Augenringe wie Nosferatu
       
       Erschrocken sah Seibert in den Spiegel. Wenn alles vorbei war, würde er
       sich die Augenringe endlich wegmachen lassen. Er hatte sich schon von
       seiner Assistentin die Adresse eines Schönheitschirurgen am Tegernsee
       heraussuchen lassen. Anders ging es nicht, wenn er nach seiner Amtszeit
       wieder in seinen Fernsehjob auf dem Mainzer Lerchenberg zurückkehren
       wollte. Er war immer so stolz auf seine jugendlich frische Ausstrahlung
       gewesen – und jetzt sah er aus wie Klaus Kinski als Nosferatu.
       
       Warum konnte die Chefin aber auch nicht ein paar Jahre jünger sein? Wie
       diese Neuseeländerin … die Ministerpräsidentin … Ader … Ader … Ardern, hieß
       sie. Was für herrliche Bilder einer glücklichen Familie mit einem
       knubbeligen Neugeborenen. Beinah begann Steffen Seibert beim Zähneputzen zu
       weinen. Einmal wollte auch er dieses Glück spüren, eine gut erzählte
       Homestory über seine Kanzlerin erfolgreich in Umlauf gebracht zu haben.
       Längst aber war Merkel zu einem Roboter geworden, einem Perpetuum mobile
       politicum. Wenigstens hatte sie als Physikerin damit eines der letzten
       physikalischen Geheimnisse gelöst, lachte Seibert höhnisch auf.
       
       Wenn sie nur einmal dieses Technokratenvokabular vermeiden könnte. Dabei
       hatte er alles versucht, doch sie war seit Langem resistent gegen jeden
       Vorschlag, den er aus der untersten Schublade hinten rechts hervorkramte –
       da, wo die Tricks fürs Massenpublikum lagen: mehr Weiblichkeit, mehr
       Gefühle, mehr Tränen. Merkels Tränensäcke waren so leer wie die verdammte
       Zahnpastatube, fluchte Seibert, der sich jetzt den Kopf empfindlich an der
       Kante der Spiegelschranktür stieß.
       
       Dann half nur noch der Hammer: Krieg! Der alte Bismarck-Trick. Wenn es im
       Staate stinkt, die Nation einen, indem man einen bewaffneten Konflikt vom
       Nachbarzaun bricht. Aber wie sollte man das heutzutage hinkriegen in diesem
       dicht zugestellten Mitteleuropa? Selbst die schwachsinnigen Serben mit
       ihren idiotischen Verschwörungstheorien über den deutschen
       WM-Schiedsrichter, der ihr Spiel gegen die Schweiz angeblich verschoben
       hatte, würden einem nicht den Gefallen tun, einen Krieg zu beginnen. Die
       erinnerten sich nur zu gut an die Bombardierung Belgrads durch die
       Luftwaffe in den Neunzigern. Dieses total zerrüttete Serbien würde selbst
       die marode Bundeswehr plattmachen, grinste Seibert und griff nach dem
       Rasiermesser.
       
       ## Plumpe und clevere Inszenierung
       
       Thatcher und die Falkland-Inseln – das waren noch Zeiten! Eine Nummer
       kleiner ging’s ja auch. Wie großartig Theresa May die Russland-Karte
       gespielt hatte bei dem angeblichen Giftgasanschlag von Salisbury auf den
       russischen Überläufer. Fast hätte es funktioniert. Putin war sichtlich
       verblüfft gewesen, wie plump und clever zugleich der britische Geheimdienst
       die sauber inszenierte Geschichte durchzog. Seibert nickte begeistert und
       schnitt sich prompt ins Kinn, dass das Blut nur so ins Waschbecken
       spritzte.
       
       Damals, ja damals, da konnte Helmut Kohl die Sache noch aussitzen. Mitten
       in einer seiner schärfsten Regierungskrisen, kurz bevor er gestürzt werden
       sollte, kam die Rettung von außen. Was dem großen Helmut der Mauerfall, war
       dann dem kleinen Gerhard später das Hochwasser im Osten, das Schröder die
       nächste Amtszeit bescherte. Aber wo sollte Angela Merkel jetzt ein
       Hochwasser hernehmen, geschweige denn einen Mauerfall von historischen
       Ausmaßen? Da müssten schon Außerirdische in Mecklenburg-Vorpommern landen
       und mit Strahlenwaffen Merkels Heimatland endgültig entvölkern.
       
       Doch den Gefallen taten einem die Aliens wohl in dieser alles
       entscheidenden Woche nicht. Müsste er also wieder ganz auf die schwächelnde
       Nationalmannschaft bei der WM in Russland setzen, stöhnte Seibert und
       brachte die Blutung mit einem Pflaster endlich zum Versiegen. Oder sollte
       er doch mal Astro-Alex anrufen? Den deutschen Kommandanten auf der
       Internationalen Raumstation? Vielleicht konnte man ja mit dem guten Mann
       etwas drehen?
       
       Der Regierungssprecher überlegte. Ein Sternenkrieg um Prinzessin Angela?
       Mit dem dunklen Lord Darth Vader? Und die schwangere Prinzessin Angela
       erwehrt sich der Angriffe von Horst Seehofer alias Jabba the Hutt. Noch war
       die Story nicht perfekt, aber Steffen Seibert war der Lösung all seiner
       Probleme dicht auf der Spur …
       
       26 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Ringel
       
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