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       # taz.de -- Kolumne „Eier“: Männer, die an Knöpfen scheitern
       
       > Maschinen waren einmal metallgewordene maskuline Muskelkraft. Heute
       > hingegen muss man sie streicheln wie ein Mäusebaby.
       
   IMG Bild: Schalter muss man heute „berühren“. Wohin dann aber mit der ganzen Kraft?
       
       Auf dem Sitz neben mir kommt es zum Handgemenge zwischen einem Herrn
       mittleren Alters und einem Bildschirm. Wir befinden uns auf einem
       Interkontinentalflug und der Entertainment-Touchscreen meines Nachbarn hat
       sich mitten in „Eine Frage der Ehre“ plötzlich aufgehängt. Weshalb der Typ
       seit 20 Minuten mit den Fingern auf das Ding einhämmert. Es ist mir
       schleierhaft, warum der Mann glaubt, dass man mit Körperkraft und Agitation
       ein Betriebssystem in Bewegung setzen kann. In wenigen Minuten wird ein
       Flugbegleiter meinen Nachbarn mit einem sanften Druck auf den Reset-Knopf
       erlösen, bis dahin aber habe ich Zeit, über das Verhältnis von Mann und
       Maschine nachzudenken.
       
       Maschinen waren einmal metallgewordene maskuline Muskelkraft. Sie waren
       groß und grobschlächtig und ihre Bedienung erforderte große Anstrengung.
       Und wenn sie mal nicht funktionierten, schlug man auf sie ein oder trat
       dagegen. Das galt bis vor kurzem sogar noch für Fernseher und
       Getränkeautomaten.
       
       Dann aber fing die Göttin Fortschritt an, in alles filigrane Drähte und
       Mikrochips einzubauen. Geräte wurden kleiner und empfindlicher, aus Hebeln
       wurden Knöpfe und schließlich verschwanden auch die. Heute bedient man
       Maschinen, indem man sie stupst und streichelt wie ein Mäusebaby. Und viele
       Männer sind nicht mitgekommen.
       
       Das ist nicht nur der Sitznachbar im Flugzeug. Es ist auch der Typ in der
       Berliner S-Bahn, der auf den Türknopf einhämmert, als hätte er die Antwort
       zur Frage im Millionenquiz. Dabei muss man die Türknöpfe der Berliner
       S-Bahn behandeln wie einen Akkupressurpunkt: sanft, aber bestimmt. Ein
       anderer Fahrgast, den ich im Bus beobachtet habe, fing schon hundert Meter
       vor der Haltestelle an, den Türknopf zu bearbeiten, als könnte er ihn von
       irgendeiner Dringlichkeit überzeugen. Wer damit aufgewachsen ist, dass rohe
       Gewalt letztlich alles löst, muss hier an seine Grenzen kommen.
       
       Die alten U-Bahnen in Berlin haben noch Türhebel, gegen die man sich mit
       aller Gewalt werfen muss, aber auch die Verschwinden und werden durch
       Streichelknöpfe ersetzt. Unsere Telefone und Entertainment-Touchscreens
       sind sowieso längst so gebaut. Der nächste Schritt ist, dass der Mann mit
       seinem Fernseher bloß noch redet – sprich, wenn das Smart TV sich in
       Zukunft aufhängt, muss man flehen, wo man früher draufgeschlagen hat.
       
       16 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
       ## TAGS
       
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