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       # taz.de -- WM in Tschetschenien: Grüne Schatten
       
       > Ausländische Besucher werden in Grosny auf Schritt und Tritt von der
       > Polizei verfolgt. Die sitzt manchmal auch mit am Abendbrottisch.
       
   IMG Bild: Ankunft der ägyptischen Nationalspieler am Flughafen in Grosny
       
       Grosny taz Am Ende schien es doch noch ganz nett zu werden in Grosny. Ich
       war bei einer Familie, die ich kennengelernt hatte, am Tisch und wurde
       bewirtet. Salat, Suppe und Plow – eine Reispfanne, die von den südlichen
       Republiken der ehemaligen Sowjetunion aus ganz Russland erobert hat.
       
       Das war sie also, diese tschetschenische Gastfreundschaft, für die sich
       hier alle beinahe andauernd selbst loben. Jeder Taxifahrer, bei dem ich
       Passagier war, wollte mich am liebsten gleich zu sich nach Hause fahren,
       mich zum gemeinsamen Abendessen nach Sonnenuntergang einladen. Es war ja
       Ramadan.
       
       Nun saß ich also an einen tschetschenischen Tisch und gerade als ich mich
       wohlzufühlen begann, stellte sich der Nachbar vor. Polizist sei er, beim
       Omon, der Sicherheitstruppe des Innenministeriums. Er fragte mich, was ich
       in Grosny zu suchen hätte. Sportreporter sei ich, sagte ich, und dass ich
       [1][das ägyptische Team in seinem Quartier besucht hätte].
       
       Die Ägypter? Er fragte nach. Sind die nicht in Jekaterinenburg? Doch meinte
       ich. Gestern sei ich bei den Ägyptern gewesen. Gestern? Wieder fragte der
       Nachbar nach. Gestern sind die Ägypter doch abgeflogen? Ich kam mir vor wie
       in einem Verhör.
       
       ## Pass abgenommen
       
       Es war wie an dem Tag, an dem ich mich zu dem Stadion aufgemacht hatte, in
       dem die Ägypter ihre letzte Trainingseinheit vor dem Abflug zu ihrem Spiel
       gegen Uruguay abhielten. An der ersten größeren Kreuzung standen vier
       Polizisten, 200 Meter weiter standen zwei weitere. Sie schienen schon auf
       mich zu warten. Nach weiteren 200 Metern standen wieder zwei Polizisten vor
       mir. So ging es weiter. Schließlich winkte mich ein Mann in grünem
       Kampfanzug zu sich. Was ich hier wolle.
       
       Kurz darauf saß ich in seinem Auto. Er hatte mir den Pass abgenommen. Ich
       sollte auf ihn warten. Zwei Polizeiautos waren zu meiner Bewachung neben
       seinen Toyota gefahren. Der grüne Mann verschwand und kam ganz lange nicht
       zurück. So lange, bis meine Hände feucht waren. Am Ende durfte ich ins
       Teamquartier und zum Training ins Stadion. Doch allein war ich nie. Ich
       hatte einen grünen Schatten.
       
       Wenn ich zu Fuß unterwegs war, sah ich ihn hinter mir her fahren, sah, wie
       er sein Auto kurz hinter mir zum Stehen brachte, wie er wartete, als ich in
       einem Kiosk etwas kaufte. Einmal überholte er mich, ließ das Fenster
       herunter, lächelte mich an und fragte auf Deutsch: „Wie geht’s, Andreas!“.
       Als ich sein Auto später vor meinem Hotelzimmer sah, trug das nicht zu
       meinem Wohlbefinden bei.
       
       An meinem letzten Abend in Grosny hatte ich ihn fast vergessen. Bis der
       Mann vom Omon mich auszufragen begann. Zum Abschied schenkte er mir drei
       PR-Aufkleber seiner Einheit. „Wir haben das Land vor den Faschisten
       geschützt. Jetzt schützen wir es vor dem Extremismus“, steht darauf. Der
       Mann lächelte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ihn zu mögen.
       
       16 Jun 2018
       
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   DIR Andreas Rüttenauer
       
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