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       # taz.de -- Kommentar Familiennachzug: Grausames Glücksspiel
       
       > Die „humanitären“ Kriterien für die Auswahl beim Familiennachzug sind
       > zweifelhaft und liefern die Geflüchteten der Behördenwillkür aus.
       
   IMG Bild: Am Ende werden flüchtende Kinder und ihre Familien im Regen stehen gelassen
       
       Einer der schrecklichsten Zustände für Menschen besteht in dem Gefühl, das
       eigene Schicksal nicht selbst beeinflussen zu können, ausgeliefert zu sein
       an unberechenbare Entscheider. In dieser Situation befinden sich viele
       Geflüchtete, nachdem das [1][neue Gesetz zum Familiennachzug] für Menschen
       mit sogenanntem subsidiärem Schutz am Freitag verabschiedet wurde.
       
       Mit dem Gesetz wird die Zahl der Nachziehenden auf 1.000 Menschen im Monat
       beschränkt. Geflüchtete, deren Ehepartner und Kinder im Herkunftsland sind,
       müssen Anträge auf den Nachzug stellen und dann auf ihr Glück hoffen –wie
       vor einer Losbude. Unwürdiger geht es nicht mehr.
       
       Da hilft es wenig, dass das Gesetz auf „humanitäre Kriterien“ bei der
       Auswahl verweist. Wessen Familie in unmittelbarer Gefahr schwebt, wer schon
       sehr lange auf die Kinder und Partner wartet, wer besonders kleine oder
       kranke und behinderte Kinder hat, der soll laut Gesetz Vorrang haben. Das
       Recht auf Familienleben darf aber nicht daran geknüpft werden, dass jemand
       im Rollstuhl mitten im Bombenhagel sitzt oder schwerkrank ist.
       
       Zynisch ist erst recht das Kriterium der langen Wartezeit – man braucht
       also erst ein paar Trennungsjahre von der Familie, bevor der Antrag eine
       Chance hat auf Bewilligung. Wobei die Kinder während der Wartezeit ja nun
       mal älter werden, was wiederum die Chancen auf den Nachzug mindert.
       
       ## Unwürdiger kann man Bürokratie kaum gestalten
       
       Es wird nicht besser dadurch, dass auch „Integrationsaspekte“ eine Rolle
       spielen sollen. Wer in Deutschland Ausbildung und Arbeit hat und
       einigermaßen Deutsch kann, soll es leichter haben, Frau und Kinder
       nachzuholen. Was aber hat die Jobsituation eigentlich mit dem Recht auf
       Familie zu tun?
       
       Unwürdiger kann man Bürokratie kaum gestalten als bei dieser Auswahl, um
       die man auch die ausführenden Mitarbeiter in Botschaften, Ausländerbehörden
       und Verwaltungsgerichten nicht beneidet. Dabei hätte die Regierung es
       einfacher haben können. Sie hätte etwa eine Stichtagsregelung einführen
       können, die den bereits hier lebenden Geflüchteten den Nachzug gestattet
       und ihn erst für die Zukunft beschränkt.
       
       Aber es ging nie um die schätzungsweise 50.000 Angehörigen der
       Geflüchteten, die jetzt von der Restriktion betroffen sind. Die Große
       Koalition sendet vor allem ein Signal der Härte aus, mit Blick auf die
       AfD-Wähler. Das Schicksal der Betroffenen ist da wurscht. Es ist eine
       Schande.
       
       15 Jun 2018
       
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   DIR Barbara Dribbusch
       
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