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       # taz.de -- Frauenpolitische Sprecherinnen fordern: Abtreibungen sollen straffrei sein
       
       > PolitikerInnen von Linken und Grünen sowie mehrere Organisationen wollen,
       > dass Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird.
       
   IMG Bild: Nur ein erster Schritt: Das Informationsverbot für Abtreibungen muss aufgehoben werden
       
       Die Linksfraktion im Bundestag, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen
       und mehrere Organisationen fordern die Legalisierung von
       Schwangerschaftsabbrüchen. „Wir wollen das Selbstbestimmungsrecht der
       Frauen stärker in den Fokus nehmen und Frauen den sicheren Zugang zu
       Schwangerschaftsabbrüchen ermöglichen“, sagte die frauenpolitische
       Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring, der taz.
       
       Nach der Sommerpause wolle ihre Fraktion deshalb einen Antrag einbringen,
       der den Arbeitstitel „Beratungspflicht aufheben – Beratungsrecht stärken“
       trage, sagte Möhring. Sie sehe die aktuelle Debatte um die [1][Streichung
       des Paragrafen 219a], der die „Werbung“ für Abtreibungen verbietet, so weit
       gereift, dass es nun an der Zeit sei, einen Schritt weiter zu gehen.
       „Langfristig muss klar werden, dass das gesamte Thema
       Schwangerschaftsabbruch nichts im Strafgesetzbuch zu suchen hat.“
       
       Der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch steht gleich hinter Mord, Totschlag und
       Tötung auf Verlangen und stellt den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe.
       Nach Paragraf 218a ist die Abtreibung aber „straflos“, wenn sie in den
       ersten zwölf Wochen vorgenommen wurde und sich die Schwangere vorher
       beraten ließ. Der Paragraf 219a verbietet die Werbung für Abbrüche,
       worunter allerdings auch Information darüber fällt. Seit die [2][Gießener
       Ärztin Kristina Hänel] vergangenen November zu einer Geldstrafe von 6.000
       Euro verurteilt wurde, weil auf ihrer Website steht, dass sie
       Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, wird über die Abschaffung des Paragrafen
       219a StGB diskutiert.
       
       Die Linksfraktion, deren Antrag der taz in einer vorläufigen Fassung
       vorliegt, will nun den Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch
       sicherstellen, ohne der Frau eine verpflichtende Beratung aufzuerlegen. Das
       Angebot von Beratungen vor Abbrüchen sei zwar Bestandteil einer guten
       Gesundheitsversorgung, die Inanspruchnahme solle aber auf Freiwilligkeit
       beruhen.
       
       ## „Der Paragraf 218 ist frauenfeindlich“
       
       Nicht nur die Linksfraktion geht über die bisherige Forderung nach einer
       Abschaffung des Paragrafen 219a hinaus – auch die Deutsche Gesellschaft für
       Sexualforschung (DGfS) und die Giordano-Bruno-Stiftung wollen die
       ersatzlose Streichung beziehungsweise Revision aller Paragrafen im
       Strafgesetzbuch zu Schwangerschaftsabbrüchen.
       
       „Die moralische Verurteilung, die Frauen häufig immer noch erfahren, wenn
       sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, wird durch die
       strafrechtlichen Bestimmungen verstärkt und gesellschaftsfähig gemacht“,
       schreibt der Vorstand der größten deutschen Fachgesellschaft für
       Sexualwissenschaft DGfS in einem Papier, das der taz vorliegt. Die
       Gesetzgebung greife „massiv in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein“,
       so unter anderen die beiden Vorsitzenden Martin Dannecker und Hertha
       Richter-Appelt. Die Paragrafen 218 und 219 müssten deshalb abgeschafft
       werden.
       
       Die Gesetze zu Abbrüchen, argumentiert zudem die gemeinnützige
       Giordano-Bruno-Stiftung, die nach den Prinzipien Humanismus und Aufklärung
       arbeitet, seien „weder rational noch evidenzbasiert noch weltanschaulich
       neutral“. Es sei eine „eigentümliche Idee“, sagte Sprecher Michael
       Schmidt-Salomon der taz, empfindungsfreien Zellformationen ein Recht auf
       Leben zuzubilligen und schwangeren Frauen aufgrund dieses Rechts ein
       „zumutbares Opfer“ abzuverlangen. Aufgrund überkommener religiöser
       Forderungen maße sich der Staat an, Frauen ins Gewissen zu reden. „Meiner
       Ansicht nach ist das verfassungswidrig“, sagte Schmidt-Salomon.
       
       Gesine Agena, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, sagte, sie
       unterstütze Positionen wie die der DGfS, den Schwangerschaftsabbruch aus
       dem Strafgesetzbuch zu streichen. „Der Paragraf 218 ist frauenfeindlich“,
       sagte Agena. Er unterstelle, Frauen könnten keine verantwortungsvolle
       Entscheidung treffen und bringe damit Misstrauen gegenüber Frauen zum
       Ausdruck. Die Entscheidung über Schwangerschaftsabbrüche solle deshalb
       allein bei der Frau liegen. „Sie hat das Recht, über ihren Körper selbst zu
       entscheiden.“
       
       18 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abtreibungsstreit-um-Paragraf-219a/!5500896
   DIR [2] /Paragraf-219a-und-der-Fall-Kristina-Haenel/!5510910
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patricia Hecht
       
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