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       # taz.de -- Die Wahrheit: Rückrufaktion für Horst Seehofer
       
       > +++ CSU zieht Vorsitzenden aus dem Verkehr +++ Fehlerhafte Charge +++
       > Verunreinigung mit rechten Fremdkörpern +++
       
   IMG Bild: „Das Politprodukt Horst Seehofer ist deshalb keinesfalls zum Verbrauch geeignet und kann von den Wählern in allen Amtsstuben sofort zurückgegeben werden“
       
       Immer wieder werden Produkte zurückgerufen, weil etwas mit der Qualität
       nicht stimmt. Dabei spielt es keine Rolle, ob nur ein falsches Etikett
       aufgedruckt wurde oder ob Fremdkörper eingedrungen sind. Jetzt trifft es
       die CSU.
       
       Wie die parteinahe Hanns-Seidel-Stiftung am Montag in München bekanntgab,
       muss der Vorsitzende Horst Seehofer wegen Verunreinigungen seiner
       politischen Handlungen zurückgerufen werden. Durch Analysen wurden bei dem
       Ingolstädter ein erhöhter Schimmelwert (sogenannte AfD-Sporen)
       festgestellt. Betroffen ist die Charge 04071949 mit dem Haltbarkeitsdatum
       09/2018. Die Mindesthaltbarkeit bis zur bayerischen Landtagswahl sei nicht
       gewährleistet.
       
       „Das Politprodukt Horst Seehofer ist deshalb keinesfalls zum Verbrauch
       geeignet und kann von den Wählern in allen Amtsstuben sofort zurückgegeben
       werden“, erklärt die CSU in ihrem Warnschreiben und verspricht, dass die
       Wähler „den politischen Preis selbstverständlich auch ohne Wahlschein
       rückerstattet bekommen.“ Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein,
       bekundet der Vertreiber CSU, dass er „seiner Eigenverantwortung gemäß den
       polithygienerechtlichen Bestimmungen nachkommt“. Für die
       Hanns-Seidel-Stiftung ist klar: „Diese Warnung besagt nicht, dass die
       Gefährdung vom Erzeuger, Hersteller, Importeur oder Vertreiber verursacht
       wurde!“
       
       In einer ersten Stellungnahme äußerte sich Angela Merkel über den
       Twitter-Account der stellvertretenden Regierungssprecherin „sehr
       betroffen“. Die Bundeskanzlerin wünsche Horst Seehofer „für seinen weiteren
       Weg alles erdenklich Gute“, heißt es aus dem Kanzleramt lapidar.
       
       ## Es grünt so grün
       
       „Endlich tritt ein 68er ab“, lobte der FDP-Chef Christian Lindner die CSU
       mit Blick auf den 69. Geburtstag Horst Seehofers am morgigen Mittwoch. Die
       Grüne Katrin Göring-Eckardt hingegen geißelte das „schwarze Affentheater“,
       um kurz darauf nach Rassismusvorwürfen aus der Partei ihre Aussage als
       „unüberlegt“ zurückzuziehen und die Gründung eines Diversity-Ausschusses
       bei den Grünen zu verlangen, damit künftig solche Kommentare auch von ihr
       ausgeschlossen werden könnten. Vorerst spendete sie zum Ausgleich 1.000
       Euro für ein Flüchtlingsheim.
       
       Ganz und gar außer Rand und Band gebärdete sich wie üblich die AfD-Frau
       Beatrix von Storch, die in einem CNN-Interview davon sprach, dass „Angela
       Merkel standrechtlich abgesetzt“ werden müsse. „Einen verdienten
       Innenminister wie Horst Seehofer zu verhaften, ist das perfide Werk einer
       Diktatorin“, sagte von Storch, die den CNN-Reporter einen „Asylanten“
       nannte, als der sie darauf hinwies, dass Seehofer gar nicht verhaftet
       worden sei. „Ich sehe nicht aus wie dieser Ausländer“, schrie von Storch
       und verließ wutentbrannt das Studio, nachdem der Aufnahmeleiter in London
       live über den Sender gefragt hatte, warum man hier gerade „den kroatischen
       Fußballspieler Luka Modrić“ zur deutschen Krise interviewe.
       
       Derweil sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder das geplante
       Sommerfest der Staatsregierung in München ab. Er und seine Mitarbeiter
       seien „massiv erschüttert“ über die Rückrufaktion. Jetzt wäre nicht die
       Zeit, um zu feiern. Dutzende bereits bestellte Kisten Nymphenburg Brut
       wurden eilig in Söders Staatskanzlei am Hofgarten umgeleitet.
       
       ## Fackelzug für Seehofer
       
       Unerschütterlichen Zuspruch erhielt Horst Seehofer hingegen vom
       Parteinachwuchs. Die Junge Union Ingolstadt plante für die Nacht zu
       Dienstag einen Fackelzug ihm zu Ehren durch die Donaumetropole. Man werde
       weder einen Rücktritt noch einen Rückruf und erst recht kein Rückgrat
       Seehofers akzeptieren, verlautete aus der Nachwuchsorganisation.
       
       Horst Seehofer selbst hielt sich am Montag bedeckt. Nach dem Rücktritt, dem
       Rücktritt vom Rücktritt und dem Rückruf befände er sich in einem
       „emotionalen Ausnahmezustand“, hieß es in unterrichteten Kreisen. Wie die
       Bild-Zeitung berichtete, soll Seehofer auf dem Weg ins Kanzleramt von der
       Rückrufaktion erfahren haben. Daraufhin sei er „völlig ausgetickt“. Er habe
       seine Dienstlimousine mitten auf der Straße Alt-Moabit stoppen lassen, sei
       ausgestiegen und habe zornesrot beide Außenspiegel des Wagens abgetreten,
       bevor er unter lautstarkem Protest in die Notaufnahme der Berliner Charité
       verbracht worden sei, wie Augenzeugen bestätigten.
       
       Bei der Rückrufaktion der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung handelt es sich
       um einen historisch einmaligen Vorgang in der politischen Geschichte der
       Bundesrepublik Deutschland. Wie Politikwissenschaftler in den üblichen
       Sondersendungen erläuterten, werde der Vorgang wohl als „Seelenhoferei“ in
       die Geschichtsbücher Eingang finden. Ob die Kanzlerin demnächst auch einer
       Rückrufaktion anheim fallen werde, ließe sich zu Wochenanfang allerdings
       noch nicht sagen.
       
       3 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Ringel
       
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