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       # taz.de -- Berliner Senat in Klausur: Ein bisschen Knatsch
       
       > Zwischen SPD und Linkspartei ist das Klima gespannt. Nicht
       > ausgeschlossen, dass das an der wachsenden Beliebtheit der Linken liegt.
       
   IMG Bild: Ramona, Michael und Klaus / sah'n auch schon mal entspannter aus
       
       Berlin taz | Die Linke als stärkste Partei in Berlin? Die letzten
       Befragungen der demografischen Institute Infratest und Forsa sehen diesen
       Trend als verfestigt an. Die Linkspartei würde demnach bei Wahlen zurzeit
       mehr als 20 Prozent holen. Die SPD ließe sie knapp, die Grünen etwas
       deutlicher hinter sich. Ob das der Grund für aktuelle Verstimmungen in der
       regierenden Koalition ist, mag niemand der Beteiligten eindeutig
       beantworten. Fakt ist jedoch, dass es insbesondere zwischen SPD und Linken
       hörbar knirscht.
       
       Auf der Senatsklausur am vergangenen Wochenende wurde das an mindestens
       zwei Punkten überdeutlich. Zunächst kritisierte Kultursenator Klaus Lederer
       (Linke), dass zur drängenden Verwaltungsreform kurzfristig eine
       umfangreiche Tischvorlage als Diskussions- und Abstimmungsgrundlage dienen
       sollte. Die war von der SPD-geführten Senatskanzlei auf Basis eines
       Berichts der sogenannten Alt-Kommission zur Verwaltungssteuerung erstellt
       worden. Im späteren Verlauf der Klausur sah sich dann die linke
       Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher zum wiederholten Male der
       Kritik der Koalitionspartner und maßgeblich des Regierenden Bürgermeisters
       Michael Müller wegen schleppender Neubautätigkeit ausgesetzt.
       
       Gegenüber der taz verweist die Senatorin auf bereits erfolgte Schritte wie
       Kooperationsvereinbarungen mit den Bezirken und mehr Nachdruck bei der
       Einbringung von Grundstücken für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften.
       „Wir prüfen weiterhin zusätzliche, insbesondere kurz- und mittelfristig
       umsetzbare Wohnungsbaupotenziale“, so Lompscher. „Bis zum Ende des Sommers
       wird meine Verwaltung konkrete Hemmnisse bei der Realisierung des
       Wohnungsbaus identifizieren. Auf dieser Grundlage legen wir anschließend
       einen Maßnahmenkatalog für die ressortübergreifende Unterstützung und
       Beschleunigung des Wohnungsbaus vor“.
       
       Der bau- und mietenpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger,
       ist das bislang nicht konkret genug. Bezugnehmend auf die Vereinbarungen
       des Koalitionsvertrages erklärt sie: „Was wir jetzt entscheiden, muss auch
       noch in dieser Wahlperiode kommen.“ Planungen und Genehmigungen alleine
       erfüllten nicht den erklärten Anspruch der Koalition.
       
       ## Wirre Verwaltungspraxis
       
       Ein vertiefter Blick in die hundertseitige Ausarbeitung der Alt-Kommission
       zur Berliner Verwaltung hätte der Senatorin und ihren KritikerInnen gleich
       vor Ort bei der Senatsklausur die eine oder andere Handreichung in der
       Sache geben können. So findet sich in dem Papier ein eigenes Kapitel, das
       anhand von Baugenehmigungsverfahren beispielhaft schwer durchschaubares,
       bisweilen sogar widersprüchliches Verwaltungshandeln aufschlüsselt.
       Insbesondere sich überschneidende Zuständigkeiten zwischen Bezirks- und
       Landesebene verzögerten Genehmigungsverfahren zum Teil erheblich.
       
       So komme es immer wieder zu Situationen, in denen sich zwei verschiedene
       Stellen entweder gleichzeitig für zuständig oder nicht zuständig erklärten.
       Ein weiteres Problem sieht die Kommission in der von Bezirk zu Bezirk
       unterschiedlichen Verwaltungspraxis.
       
       Die Kommission macht in ihrem Bericht deutlich, dass sie ein koordiniertes
       Reformkonzept quer durch alle Verwaltungen auf Landes- und Bezirksebene für
       unabdingbar hält, um auch in den einzelnen Problembereichen wirksam werden
       zu können. Insbesondere eine Harmonisierung des Verwaltungshandelns auf den
       verschiedenen Ebenen und nachvollziehbare Verwaltungsstrukturen werden
       angeregt. Ebenso wird empfohlen, Möglichkeiten der Zentralisierung
       verschiedener Aufgaben und eine bessere Kooperation zu prüfen.
       
       Welche Schritte aus den Empfehlungen der Alt-Kommission zeitnah umgesetzt
       werden, soll der Senat nach Vorstellung des Regierenden Bürgermeisters
       bereits am Dienstag entscheiden. Das Paket aus der Tischvorlage der
       Senatsklausur umfasst mehr als 100 Vorschläge. Da viele der aufgeführten
       Anregungen in die Autonomie der Bezirke eingreifen werden, bleibt jedoch
       abzuwarten, wie sich die Bezirksbürgermeister zu der Verwaltungsreform
       verhalten werden.
       
       Der dringende Handlungsbedarf in der Sache ist auf allen Seiten unstrittig.
       Alleine das altersbedingte Ausscheiden von mehr als 30.000 Angestellten und
       Beamten (ca. 30 Prozent aller Beschäftigten) innerhalb der kommenden sechs
       Jahre zeigt die Notwendigkeit verbesserter Personalentwicklung und
       Gewinnung.
       
       ## Beim Menschenbild einig
       
       Dass die Stimmung auf der Klausur nicht die beste war, bestätigen mehrere
       TeilnehmerInnen. Silke Gebel, Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen im
       Abgeordnetenhaus betonte aber gegenüber der taz die Gemeinsamkeiten der
       Koalitionäre: „Wir haben weiterhin die gleiche Sichtweise auf die Probleme
       der Stadt, wenn auch nicht immer auf die möglichen Lösungen. Aber unser
       Bild von der modernen Großstadt und dem dahinterstehenden Menschenbild – da
       stehen wir klar zusammen.“
       
       Ihr Pendant bei den Linken, Udo Wolf, nimmt die Lage derweil trotz
       gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten pragmatisch: „Es sollte schon
       allen im Senat klar sein, dass es weder rechnerisch noch politisch eine
       Alternative zu Rot-Rot-Grün gibt und man nicht zuletzt deshalb gemeinsam an
       Lösungen arbeiten muss.“ Am Dienstag kann der Senat zeigen, wie gut das
       funktioniert.
       
       2 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
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