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       # taz.de -- Persilschein für Polizeiführung: Konsequenzen aus G20? Nö.
       
       > Die 100-Tage-Bilanz des Hamburger Bürgermeisters zeigt: Folgen aus dem
       > G20-Desaster wird es mit Peter Tschentscher nicht geben.
       
   IMG Bild: Würde den G20-Gipfel gern zu den Akten legen: Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD)
       
       Nein, das politische und polizeiliche Versagen während des G20-Gipfels, das
       sich jetzt zum ersten Mal jährt, gehört nicht zu Peter Tschentschers
       Lieblingsthemen. In dieser Debatte blieb Hamburgs neuer Bürgermeister
       bislang fast unsichtbar. Eine Interviewanfrage zum Thema lehnte er erst vor
       wenigen Tagen ab – und bei seiner 100-Tage-Bilanz geht er nur knapp auf das
       Thema ein.
       
       Die jetzt beschlossene Kennzeichnungspflicht für Polizisten sei „keine
       Konsequenz“ aus G20, sondern Ergebnis einer viel älteren Debatte. Damit
       widerspricht er teilweise seinem Innensenator Andy Grote (SPD), der die
       Kennzeichnung auch damit begründet hatte, dass ohne Nummerncode auf der
       Einsatzkleidung nicht alle Polizisten identifiziert werden konnten, denen
       Straftaten während der Gipfel-Auseinandersetzungen vorgeworfen werden.
       
       Konsequenzen aus den Gewalttaten, derer die Polizei nicht Herr werden
       konnte, sind für Tschentscher die europaweite Fahndung gegen
       „Krawalltouristen“ und die beschlossene Aufstockung der
       Bereitschaftspolizei. Dass es keine personellen Konsequenzen aus dem
       Versagen von Politik und Polizei gegeben hat, ficht Tschentscher ebenso
       wenig an, wie dass sein Vorgänger „ernsthafte Konsequenzen“ – bis hin zur
       Schließung – für die Rote Flora gefordert hat, die er für die Krawalle
       mitverantwortlich machte.
       
       „Die Flora war an den Auseinandersetzungen nicht maßgeblich beteiligt“,
       korrigiert Tschentscher die Auffassung von Olaf Scholz und wischt damit die
       Frage nach der von der CDU vehement geforderten Räumung des linken Zentrums
       vom Tisch. Nicht ohne zu betonen, dass, sollte Gewalt von der Flora
       ausgehen, „wir da reingehen“ und es dann „keine Bestandsgarantie“ für sie
       gebe – Wortstanzen, die bislang von jedem Bürgermeister zu hören waren.
       
       Tschentscher sucht keinen Konflikt mit den Linken, aber schon gar keinen
       mit der Polizei. Dass nach fast einjähriger Ermittlung noch kein Polizist
       wegen möglicher Übergriffe angeklagt wurde, ist für Tschentscher ein Indiz
       dafür, dass „die Vorwürfe ungerechtfertigt“ seien.
       
       ## Lob für die Polizei
       
       Auch die Urteile der Hamburger Zivilkammern und Verwaltungsgerichte, die
       zuletzt viele Verhaftungen von G20-Gegnern und deren Behandlung in der
       Gefangenen-Sammelstelle als Rechtsbruch verurteilt hatten, hindern
       Tschentscher nicht, eine Lob- und Verteidigungsrede auf die Polizei
       anzustimmen. Sie habe während des Gipfels „einen guten Job“ gemacht.
       
       Polizisten im Einsatz müssten „jede Sekunde Entscheidungen treffen“, da
       könnten Fehler schon mal passieren, verteidigt Tschentscher die
       Rechtsbeugungen der Einsatzkräfte während des Gipfels – immer wieder
       betonend, dass nicht die Polizei sondern die aus ganz Europa
       zusammengekommenen „Krawalltouristen“ das Problem gewesen seien.
       
       Wie sein Vorgänger stellt Tschentscher der Polizeiführung und Innensenator
       Andy Grote einen Persilschein aus. Und verteidigt erneut die Entscheidung,
       den Gipfel in Hamburg zu veranstalten – auch wenn man diesen „mit dem
       Wissen von heute, so nicht mehr organisieren würde“. Doch sein Credo
       unterscheidet sich in nichts von dem seines Vorgängers: „Ein solches
       Treffen muss in einer Stadt wie Hamburg möglich sein.“
       
       4 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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