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       # taz.de -- Antisemitismus-Experte über Zivilcourage: „Zeigen Sie Solidarität!“
       
       > Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung fordert von allen mehr
       > „beherztes Eingreifen“ im Alltag. Aber wie geht das eigentlich?
       
   IMG Bild: Demonstrierende nach der antisemitischen Attacke in Berlin im April. Wie geht Zivilcourage?
       
       Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat
       gegenüber dem SWR eine „[1][Kultur des Hinschauens und des beherzten
       Eingreifens]“ gefordert. Anlass ist der Prozess wegen einer antisemitischen
       Attacke auf zwei junge Männer in Berlin im April. Daniel Poensgen vom
       Recherche- und Informationszentrums Antisemitismus (RIAS) erklärt, wie man
       sich im Ernstfall am besten verhält. 
       
       taz: Herr Poensgen, was kann ich tun, wenn ich antisemitische Äußerungen
       beobachte?
       
       Daniel Poensgen: Es ist wichtig, dass Sie der betroffenen Person zeigen,
       dass Sie nicht alleine ist. Äußern Sie deutlich Ihren Widerspruch und
       bieten Sie der oder dem Betroffen Hilfe an. Achten Sie darauf, dass Sie
       sich nicht selbst in Gefahr bringen – rufen Sie gegebenenfalls direkt die
       Polizei oder wenden Sie sich beispielsweise an BVG-Mitarbeiter_innen.
       Melden Sie anschließend den Vorfall [2][der Recherche- und
       Informationsstelle Antisemitismus] – so kann ein genaueres Bild über
       aktuellen Antisemitismus erstellt und in die Öffentlichkeit kommuniziert
       werden.
       
       Wie reagiere ich, wenn die Person argumentiert, sie habe es „nicht so
       gemeint“? 
       
       Die Abwehr der Kritik an Antisemitismus ist in der Bundesrepublik ein weit
       verbreiteter Reflex. Oft wird in öffentlichen Debatten viel mehr über den
       „Antisemitismusvorwurf“ debattiert als über den Antisemitismus selbst. Aber
       unabhängig von der Absicht der sich antisemitisch äußernden Person sind
       solche Aussagen für die Betroffenen häufig sehr verletzend. Menschen, die
       sich nicht antisemitisch äußern möchten, sollten ihre Aussagen
       reflektieren, sich entschuldigen und derartiges in Zukunft unterlassen.
       Wenn die Person stattdessen auf Ausflüchte und Rechtfertigungsversuche
       setzt, hat sie es aber wahrscheinlich doch „so gemeint“.
       
       Mache ich die Personen durch mein Ansprechen nicht am Ende größer? 
       
       Im Gegenteil: Das Schweigen von scheinbar Unbeteiligten kann die
       Täter_innen in ihrem Handeln noch bestärken. Gleichzeitig berichten
       zahlreiche Betroffene, dass sie insbesondere von der Passivität und dem
       Wegschauen von Anwesenden schockiert waren. Dies kann zu einer nachhaltigen
       Verunsicherung beitragen. Insofern ist es immer wichtig, den Betroffenen
       antisemitischer Vorfälle zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.
       
       Was kann für Betroffene getan werden? 
       
       Zeigen Sie in konkreten Situationen Ihre Solidarität und bieten Sie Hilfe
       an. So können Sie zum Beispiel den Betroffenen Ihre Kontaktdaten anbieten,
       um im Falle einer Anzeigenstellung als Zeug_in zur Verfügung zu stehen.
       Betroffene, die sich an RIAS wenden, treffen hier erstmals auf ein offenes
       Ohr. Die RIAS-Expertise kann zudem helfen, den Vorfall in einem größeren
       Kontext besser einordnen zu können. Gibt es hierfür Bedarf, unterstützt
       RIAS bei einer etwaigen Anzeigenstellung und vermittelt zum Beispiel
       passende juristische, psychosoziale oder betroffenenorientierte
       Beratungsangebote.
       
       Inwiefern beobachten Sie Entwicklungen bei antisemitischen Beleidigungen? 
       
       Generell lässt sich sagen, dass antisemitische Beleidigungen nicht
       besonders elaboriert sind. Oft geht es vor allem darum, durch die
       Beschimpfung des anderen als „Jude“ ihn als nicht-dazugehörig und als
       „Anders“ zu markieren. Dies impliziert auch die Androhung von Gewalt.
       Vielen Menschen fällt es schwer, antisemitische Beleidigungen als solche zu
       erkennen, wenn das Wort „Jude“ nicht fällt. Wenn aber antisemitische
       Stereotype auf Israelis oder tatsächliche und vermeintliche Zionist_innen
       übertragen werden, handelt es sich ebenfalls um Antisemitismus.
       
       20 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/31987
   DIR [2] https://report-antisemitism.de/#/home
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Isabella Greif
       
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