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       # taz.de -- Trumps Flüchtlingspolitik: Jetzt ganze Familien im Knast
       
       > US-Präsident Trump gibt nach massivem Protest nach. Flüchtlingskinder
       > sollen nicht mehr getrennt von Eltern inhaftiert werden.
       
   IMG Bild: Kinder werden nicht mehr alleine untergebracht – sie kommen jetzt unbefristet mit ihren Eltern ins Gefängnis
       
       New York taz |Während die Proteste gegen die Familientrennungen an der
       Südgrenze immer größere Kreise in den USA erreichten, hat Donald Trump
       erstmals in seiner Präsidentschaft einen kleinen Rückzieher gemacht. Am
       Mittwoch unterzeichnete er in Washington ein Dekret, wonach Kinder nicht
       mehr von ihren Eltern getrennt werden, wenn sie die Grenze in die USA ohne
       Dokumente überqueren.
       
       Stattdessen sollen künftig die kompletten Familien – Eltern und Kinder
       jeden Alters – auf unbefristete Zeit ins Gefängnis kommen. Trump beschrieb
       sein Dekret mit dem Wort: „Mitgefühl“. Er fügte hinzu, dass er an der „Zero
       Tolerance“ gegenüber „illegalen Fremden“ festhalte.
       
       „Er ist gegenüber radikalen linken Gruppen umgekippt“, kommentierte das
       radikal rechte Medium Breitbart das Dekret. Aber republikanische
       Abgeordnete, die aus Sorge um ihre Wiederwahl im November erstmals Kritik
       an Trump geäußert hatten, zeigten sich erleichtert.
       
       Auf der anderen Seite reagierten Bürgerrechtsgruppen und religiöse
       Gemeinschaften, die im Zentrum der Proteste gestanden haben, skeptisch. „Es
       ist kein Mitgefühl, Kinder unbefristet ins Gefängnis zu schicken“, erklärte
       die Gruppe „Women's March“, die am Tag nach Trumps' Amtsantritt die großen
       Gegendemonstrationen organisiert hat.
       
       ## Zukunft der Kinder bleibt ungeklärt
       
       Neben der künftigen Kriminalisierung von ganzen Familien sorgt vor allem
       das Schicksal der bereits betroffenen Kinder für Sorge. [1][Mehr als 2.300
       Kinder sind seit Mitte April] an der Südgrenze von ihren Eltern getrennt
       worden. Die jüngsten unter ihnen [2][sind noch Säuglinge]. Die Kinder sind
       inzwischen auf Institutionen in mindestens 17 Bundesstaaten verteilt
       worden. Ihre Eltern wissen in vielen Fällen nicht, wo sie sind.
       
       Und in Trumps Dekret sind die Zusammenführungen dieser Familien mit keinem
       Wort erwähnt. Damit ist unklar, wann die Kinder wieder zu ihren Eltern
       kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass manche ihrer Eltern bereits ohne ihre
       Kinder in ihre Herkunftsländer – mehrheitlich Honduras, El Salvador und
       Guatemala – abgeschoben worden sind.
       
       Nach bisherigem Recht in den USA dürfen Kinder, die die Grenze ohne
       Dokumente überqueren, nur maximal drei Tage lang festgehalten werden. In
       Trumps‘ Dekret ist diese zeitliche Obergrenze aufgehoben.
       
       Da in seiner „Null Toleranz“-Politik grundsätzlich jede nicht autorisierte
       Grenzüberschreitung wie ein Verbrechen – und nicht mehr wie zuvor als
       Vergehen – betrachtet wird, kommen die „Straftäter“ dafür unmittelbar ins
       Gefängnis. Falls die Gerichte Trumps' Dekret nicht kippen, kann es dazu
       führen, dass künftig in den USA Kinder – inklusive Säuglinge – monatelang
       mit ihren Eltern hinter Gitter kommen.
       
       Unklar ist auch, in welchen Gefängnissen die Trump-Regierung die zu
       erwartenden zigtausenden Einwandererfamilien einsperren will. Gegenwärtig
       hat die US-Regierung nur Zugriff auf rund 3.300 Plätze in Lagern für
       Familien.
       
       ## Breiter gesellschaftlicher Protest
       
       In den Tagen vor Trumps Dekret hatten die Proteste gegen die
       Familientrennungen weite Kreise der US-Gesellschaft erfasst. Unter anderem
       sprach sich die rechte politische Organisation „Americans for Prosperity“,
       die Trumps‘ Wahlkampf massiv unterstützt hatte, dagegen aus, Kinder von
       ihren Eltern zu trennen.
       
       Auch die nationale Handelskammer unter Thomas Donahue, ebenfalls ein
       einflußreicher Trump-Unterstützer, kritisierte die Familientrennungen.
       Weniger überraschend protestierten auch die ChefInnen von zahlreichen
       Tech-Unternehmen – von Apple, über Microsoft und Google, bis hin zu AirBnB
       – dagegen.
       
       Trump stand nicht nur wegen der Proteste mit dem Rücken zur Wand. Auch die
       Uneinigkeit seiner eigenen Partei setzte ihn unter Handlungsdruck. Noch am
       Tag, bevor er sein Dekret unterzeichnete, hatte Trump behauptet, „nur“ der
       Kongress könne die Familientrennungen per Gesetz beenden.
       
       Eigentlich war für Donnerstag eine Abstimmung über ein Gesetz geplant. Doch
       am Mittwoch waren die „Hardliner“ und „Moderaten“ in der Republikanischen
       Partei immer noch uneinig.
       
       ## Behörden lassen Eltern im Unklaren
       
       Unterdessen werden die Kinder weiter über das Land verteilt. Dabei gehen
       die Ausländerbehörden extrem undurchsichtig vor. Sie nennen immer noch
       keine exakten Zahlen und Aufenthaltsorte der Kinder. Und sie informieren
       weder die Eltern der Kinder, noch die örtlichen Behörden.
       
       Am Mittwoch erfuhr der Bürgermeister von New York aus dem Fernsehen, dass
       mindestens 239 Kinder zwischen neun Monaten und 17 Jahren, die an der
       Südgrenze von ihren Eltern getrennt worden sind, in eine Einrichtung in
       Harlem gebracht worden waren. Dort werden nun Pflegefamilien für die Kinder
       gesucht, deren Eltern an der Grenze im Gefängnis sitzen oder bereits
       abgeschoben worden sind.
       
       Wenige Stunden nachdem Trump in Washington sein Dekret unterzeichnete
       besuchte Bürgermeister Bill de Blasio in New York die Einrichtung. Dort
       fand er unter anderem einen neunjährigen Jungen aus Honduras, der in einem
       Bus die 3.000 Kilometer lange Strecke von Texas nach New York transportiert
       worden war.
       
       „Beendet diese unmenschliche Politik und kommt endlich mit der Wahrheit
       heraus“, sagte De Blasio bei einer Presskonferenz auf dem Trottoir wütend:
       „wie kann es sein, dass niemand uns informiert hat, dass diese Kinder in
       der Stadt sind? Warum verheimlicht die Bundesregierung uns diese
       Informationen, die nötig sind, um den Kindern zu helfen?“
       
       Am Donnerstag wollten De Blasio und die Bürgermeister anderer
       us-amerikanischer Städte ein Kinderlager an der Südgrenze besuchen, um sich
       vor Ort ein Bild der Verhältnisse zu machen, unter denen die Kinder ihre
       ersten Tage nach der Trennung von den Eltern verbracht haben.
       
       21 Jun 2018
       
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