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       # taz.de -- Kommentar Ungarns Anti-NGO-Gesetz: Immer einen Schritt voraus
       
       > Ungarns Premier Orbán bestraft NGOS, die Flüchtlingen helfen. Das neue
       > Gesetz folgt der Logik: Was heute empört, wird morgen EU-Mainstream.
       
   IMG Bild: 2016 schottete sich Ungarn massiv gegen Flüchtlinge ab, jetzt geht es gegen ihre Unterstützer vor
       
       Dass das neue [1][„Stop-Soros-Gesetz“, das Nichtregierungsorganisationen
       für Flüchtlingshilfe bestraft], vom ungarischen Parlament ausgerechnet am
       Weltflüchtlingstag durchgewinkt wurde, war nur mehr eine unappetitliche
       Pointe. Denn im Wettbewerb „Wer ist das unattraktivste Land für
       Flüchtlinge?“ hat Ungarn schon lange die Nase vorn. Premier Viktor Orbán,
       dessen Koalition über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, sah das
       Wahlergebnis vom vergangenen 8. April als Auftrag, genau solche Gesetze zu
       verabschieden und gnadenlos anzuwenden.
       
       Schließlich war die „Anti-Soros-Kampagne“ der zentrale Wahlschlager Orbáns.
       Das Drangsalieren des liberalen ungarischstämmigen US-Milliardärs George
       Soros , der weltweit NGOs unterstützt, steht stellvertretend für Orbáns
       Kampf gegen Nichtregierungsorganisationen und deren Mitarbeiter, die
       Flüchtlinge betreuen oder beraten. Nach dem neuen Gesetz leisten sie
       künftig „Beihilfe zur illegalen Einwanderung“, für die sie mit einer
       Geldstrafe und in extremen Fällen sogar mit Haft bestraft werden können.
       
       Das ist nur konsequent: für Ungarns Regierung gibt es es gut wie keine
       legitimen Flüchtlinge. Man spricht pauschal von Wirtschaftsmigranten, die
       über Ungarn in die EU eindringen wollen. George Soros, einst selbst
       Flüchtling vor dem ungarischen Holocaust, unterstützt mit seiner Open
       Society Foundation mehrere Menschenrechtsgruppen in Ungarn, die gestrandete
       Flüchtlinge versorgen oder Asylwerber rechtlich beraten. Orbán wirft dem
       87jährigen Philanthropen vor, einen finsteren Plan zu verfolgen, der Europa
       mit Flüchtlingen überschwemmen würde. Plakatkampagnen in Ungarn stellen den
       Milliardär – nicht ohne antisemitischen Unterton – als das personifizierte
       Böse dar.
       
       Betroffen vom Gesetz sind unter anderen die Bürgerrechtsvereinigung TASZ,
       das ungarische Helsinki-Komitee und die kleine Organisation Migration Aid,
       die gar nicht von Soros-Stiftungen gefördert wird. Orbán sind sie lästig,
       weil ihre Stimmen auch im Ausland gehört werden.
       
       Schon „das Anfertigen, Verbreiten oder Bestellen von
       Informationsmaterialien“ wird strafbar sein, sobald dieses Gesetz in Kraft
       tritt. Bestraft werden soll auch jeder, der Personen, die in ihrer Heimat
       keiner Verfolgung ausgesetzt sind, „zur Einleitung eines Asylverfahrens
       verhilft“. Genau diese Frage müsste aber vorher in einem ordentlichen
       Asylverfahren geklärt werden. Es ist absehbar, dass dieses Gesetz vor dem
       Europäischen Gerichtshof nicht hält.
       
       Aber darauf kommt es nicht an. Ein Verfahren vor den europäischen Instanzen
       dauert Jahre. Und da hat Orbán die Ernte längst eingefahren. Schon mit
       seinem Grenzzaun hat er die Erfahrung gemacht: Was Anfangs noch Empörung
       auslöst, ist zwei Jahre später in der EU bereits Mainstream.
       
       21 Jun 2018
       
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