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       # taz.de -- Visegrád-Staaten und Österreich: Der Brückenbau zum rechten Ufer
       
       > Österreichs Kanzler Sebastian Kurz rückt in Ungarn mit den
       > Visegrád-Staaten zusammen – in der Migrationspolitik sind sie sich einig.
       
   IMG Bild: Sie verstehen sich: Die Visegrád-Vier-Staaten und Österreich
       
       Wien taz | Der Besuch von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der
       Sitzung der Visegrád-Staaten (V4), war mehr als ein Höflichkeitsbesuch.
       Wenige Tage bevor Österreich die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, ging es
       beim Treffen mit Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen an diesem Donnerstag
       in Budapest um einen ostentativen Schulterschluss mit den Staaten, die
       jetzt schon praktizieren, was Kurz zum Schwerpunkt seiner Präsidentschaft
       machen will: Die hermetische Abschottung der EU gegen Flüchtlinge.
       
       Orbán äußerte nach dem Treffen die Hoffnung, „dass Europa nach dem Halbjahr
       der österreichischen Präsidentschaft stärker […]und sicherer sein wird“.
       Man sei sich mit Kurz einig, „dass Europa in der Lage sein muss, seine
       Grenzen zu schützen und die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren“. Mit
       dem Flüchtlingsgipfel am Sonntag, zu dem EU-Kommissionspräsident
       Jean-Claude Juncker eingeladen hat, ist er nicht einverstanden: „Der
       Europäische Rat, nicht die Europäische Kommission, soll EU-Migrationsgipfel
       organisieren.“
       
       Österreichs Kanzler Kurz dient dem mittel-osteuropäischen Staatenquartett
       als Brückenbauer, der den liberaleren westlichen Staaten wie Deutschland
       und Frankreich die Haltung der V4-Staaten näherbringen soll. Ungarns Viktor
       Orbán zählt Österreich unter der ÖVP-FPÖ-Regierung bereits zum Klub.
       
       Die ehemaligen Ostblockstaaten sind sich mit Kurz in einigen Punkten einig:
       Geht es nach ihnen, soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex personell
       aufgestockt werden. Wie Österreich sind die vier Staaten daran
       interessiert, die Fluchtrouten zu blockieren, die in jüngster Zeit
       verstärkt genutzt werden.
       
       ## Heute ist Brüssel das Feindbild
       
       Die Visegrád-Gruppe ist ein informelles Binnenbündnis, das seit 1991 nach
       der gleichnamigen Stadt am Donauknie in Ungarn benannt ist. Die Staaten
       sahen sich durch Verteidigungsinteressen, vor allem gegenüber Russland,
       geeint. Heute ist eher Brüssel das Feindbild – obwohl alle vier Mitglieder
       Nettoempfänger von EU-Geldern sind.
       
       In vielen EU-Staaten ist man vor allem über Ungarn empört, dessen Parlament
       am Mittwoch das sogenannte Stop-Soros-Gesetz verabschiedet hat. Das Gesetz,
       das von der Regierung mit dem Slogan „Ungarn zuerst“ gerechtfertigt wird,
       kriminalisiert die Tätigkeiten von Organisationen, die Flüchtlinge
       unterstützen oder beraten. Selbst das Drucken von entsprechendem
       Informationsmaterial wird unter Strafe gestellt.
       
       Die Bitte der Venedig-Kommission, mit der Abstimmung zu warten, bis diese
       sich am Freitag dazu äußert, wurde in den Wind geschlagen. Die
       Venedig-Kommission ist eine 1990 gegründete Einrichtung des Europarates,
       die osteuropäischen Ländern helfen sollte, moderne Verfassungen
       auszuarbeiten, die im Einklang mit den Normen des europäischen
       Verfassungsrechtsbestands stehen. Die ungarische Verfassung wurde jetzt
       durch einen Artikel ergänzt, der die Ansiedlung von nicht EU-Bürgern auf
       nationalem Territorium verbietet.
       
       22 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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