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       # taz.de -- Deutschland vs. Schweden: Auf Messers Schneide
       
       > Die Deutschen besiegen Schweden mit 2:1. Ihre Selbstgefälligkeit und
       > Selbstgerechtigkeit könnte ihnen beim Weiterkommen im Wege stehen.
       
   IMG Bild: Sieg in letzter Minute: Toni Kroos rettet die deutsche Mannschaft mit seinem Tor
       
       Spannender und emotionaler geht es kaum. Großes Kino allererster Güte war
       dieses Spiel, insbesondere durch seine rasante Schlussphase. Das Gelingen
       der letzten Aktion entschied über das Wohl oder Wehe des deutschen Teams
       mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen. Über den Rücktritt von
       Bundestrainer Joachim Löw noch in Russland war im Falle des Scheiterns in
       der Vorrunde bereits kräftig spekuliert worden. Und ein Remis gegen
       Schweden wäre mehr oder minder gleichbedeutend damit gewesen.
       
       Alle mussten sich erst einmal sammeln. Und der deutsche Coach sollte
       erklären, ob er jemals ein Spiel mit solcher Dramatik erlebt habe. Immerhin
       hatte sein Team [1][die Partie in letzter Sekunde gar in Unterzahl
       gedreht]. Seine Antwort hätte nicht nüchterner ausfallen können: „Das gibt
       es im Fußball immer wieder mal. Gerade Spiele in der K.-o.-Phase stehen
       immer auf Messers Schneide.“
       
       Diverse Male habe er das schon erlebt. Jegliche Aufgeregtheit im Keim zu
       ersticken, das scheint zu Löws Lebensaufgabe geworden zu sein. Beim
       Halbzeitstand von 0:1 habe er seiner Mannschaft gesagt, sie müsse Ruhe
       bewahren, dürfe nicht in Panik verfallen und mit langen hohen Bällen
       agieren. Dass dies geklappt hat, hob Löw hervor, habe ihm am besten an
       diesem Abend gefallen.
       
       Das Mantra des Sich-nicht-beirren-Lassens hat die DFB-Elf in den
       vergangenen Jahren weit gebracht. In den letzten Wochen und Monaten
       verstärkt sich jedoch der Eindruck, einige im DFB-Tross interpretieren
       diese Vorgabe allzu selbstgefällig und selbstgerecht. Und das macht die
       Mannschaft und ihre Betreuer auf und neben dem Rasen angreifbar.
       
       ## Kritik dringt nicht durch
       
       Ein Paradebeispiel dafür war am Samstagabend das Auftreten des Teammanagers
       Oliver Bierhoff. „Ich hatte noch eine Diskussion mit den Schweden“,
       bekannte er. „Solch ein Spiel darf nicht belohnt werden. Von der ersten
       Minute an auf Zeit spielen, so destruktiv zu sein.“ Gefruchtet hat es
       vermutlich nicht. Die Schweden werden sich wohl kaum von den deutschen
       Kulturschützern des schönen Spiels sagen lassen, wie sie sich auf dem Feld
       zu benehmen haben.
       
       Hochnotpeinlich war obendrein der ebenfalls selbstgefällige und hämische
       Jubel von zwei deutschen Betreuern, die nach dem Schlusspiff die Fäuste
       ballend vor der schwedischen Bank feixten. Trainer Janne Andersson war ob
       dieser Provokation sehr erbost und rang noch auf der Pressekonferenz um
       Fassung. Bierhoff versuchte diesen Fauxpas mit den Emotionen zu erklären,
       spät am Abend kam dann immerhin doch noch eine offizielle Entschuldigung
       des Deutschen Fußball-Bundes.
       
       Wie die zu häufige Einnahme von Antibiotika scheint diese stete
       Verinnerlichung des Sich-nicht-beirren-Lassens immunsierend zu wirken.
       Kritik von außen dringt nicht mehr durch. Und auch intern doktern sie im
       Trainerteam schon seit Wochen an denselben Problemen. Die
       Konteranfälligkeit, die Unausgewogenheit des deutschen Spiels, bekam man am
       Samstagabend im Olympiastadion von Sotschi wieder nicht in den Griff. Schon
       viel früher hätte man in der ersten Halbzeit in Rückstand geraten könnten,
       als Jérôme Boateng den Schweden Marcus Berg elfmeterwürdig foulte, der
       Schiedsrichter jedoch nicht pfiff.
       
       ## Ausscheiden der Deutschen erwünscht?
       
       Den glücklichen Sieg in letzter Minuten durch das zauberhafte Tor von Toni
       Kroos hatte sich das Team mit seinem couragierten Auftritt selbst in
       Unterzahl durchaus verdient. Direkt nach dem Spiel jedoch – das war schon
       erstaunlich – wurden die Mauern der eigenen Wagenburg noch weiter
       hochgezogen. Kroos klagte, die Kritik der Journalisten nach dem verpatzten
       Start gegen Mexiko sei keine Hilfe gewesen. Da schien einmal wieder die
       klassische Erwartungshaltung der DFB-Vertreter an die Berichterstatter
       durch.
       
       Und der Mittelfeldspieler von Real Madrid sagte, seinem Eindruck nach
       hätten die Medienschaffenden einen größeren Spaß an Kritik als an Lob.
       Viele von ihnen hätten sich ein Ausscheiden der Deutschen gewünscht. Marco
       Reus bestätigte, er sehe das genauso.
       
       Die Alleingelassenen werden weiter ihr Ding machen. Fürs Weiterkommen bei
       dieser Weltmeisterschaft kann die Trotzhaltung hilfreich sein, dem ganz
       großen Erfolg stehen die Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit dann
       aber vermutlich doch zu sehr im Wege.
       
       24 Jun 2018
       
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