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       # taz.de -- Konflikt um Papierlose in den USA: Keine Toleranz für „Null Toleranz“
       
       > In New York ist jetzt eine vierte Frau mit ihren Kindern im Kirchenasyl
       > vor der Abschiebung bewahrt worden. Allerlei Prominenz solidarisiert
       > sich.
       
   IMG Bild: Debora Barrios mit ihrem Sohn, angekommen im sicheren Kirchenasyl in New York
       
       New York taz | Die „Zero Tolerance“ zerstört nicht nur Familien an der
       Südgrenze der USA. Sie wütet auch im Hinterland. Bei einer der größten
       Razzien seit Jahren umzingelte die Ausländerpolizei vergangene Woche eine
       Fleischfabrik in Ohio und brachte 150 ArbeiterInnen in Handschellen in
       Abschiebehaft. Ihre Kinder werden seither von NachbarInnen versorgt.
       
       Und in New York flüchtete erneut eine Guatemaltekin, die von Abschiebung
       bedroht ist, in eine Kirche. Die 32-jährige Debora Barrios-Vasquez will
       ihre beiden Kinder nicht verlassen. Sie ist die vierte Frau in der Stadt,
       die ins Kirchenasyl geht.
       
       Unterdessen wissen Tausende von Eltern nichts von ihren Kindern, die ihnen
       in den letzten Wochen an der Südgrenze weggenommen worden sind. Bis Ende
       der Woche waren nur 500 Kinder und Eltern wieder vereinigt worden.
       Mindestens 2.000 Kinder waren weiterhin von ihren Eltern getrennt.
       
       „Debora versteckt sich nicht. Sondern sie sagt mutig ihre Meinung“, sagte
       Pastor K. Karpen in der St.-Paul-&-St.-Andrew-Kirche. Die
       Methodistengemeinde an der Upper West Side hat sich kürzlich der „New
       Sanctuary Coalition“ angeschlossen, einer Gruppe verschiedener
       Religionsgemeinschaften, die EinwandererInnen bei drohenden Abschiebungen
       unterstützt.
       
       ## Und so etwas in der großartigsten Stadt der Welt?
       
       Am Donnerstag, als die papierlose Guatemaltekin zusammen mit ihrer
       zweijährigen Tochter und ihrem zehnjährigen Sohn, die beide
       US-Staatsangehörige sind, offiziell in die Kirche einzog, saßen hunderte
       Gemeindemitglieder auf den Bänken. Am Mikrofon dankte die Präsidentin des
       Stadtrats von Manhattan, die Demokratin Gale Brewer, der papierlosen
       Guatemaltekin für ihren Mut. Die Politikerin erklärte, es mache sie
       „krank“, dass das Weiße Haus Kinder von Eltern trenne, dass es bereits
       stattgefundene Einbürgerungen rückgängig mache und dass dies alles auch in
       der „großartigsten Stadt der Welt“ geschehe.
       
       Eine andere Demokratin, die Schauspielerin Cynthia Nixon („Sex in the
       City“), die Gouverneurin des Bundesstaats New York werden will, nannte die
       Abschiebepolizei ICE eine „terroristische Vereinigung“ und verlangte die
       Auflösung der Einheit, die 2002 gegründet worden ist.
       
       Barrios-Vasquez selbst erzählte in ihrer zweisprachigen Ansprache auf
       Englisch und Spanisch über ihre 13 Jahre in den USA, den Schulabschluss,
       den sie gemacht hat, und die zwei Jobs, mit denen sie die Familie ernährt.
       
       Sie war der Polizei im Jahr 2011 bei einer Straßenverkehrskontrolle
       aufgefallen. „Sie haben mich angehalten, weil ich ausländisch aussehe“, ist
       die junge Frau überzeugt. Seither musste sie sich in regelmäßigen Abständen
       bei der Ausländerpolizei melden, aber durfte bleiben. Aber in diesem
       Frühling erhielt sie einen Abschiebungsbescheid.
       
       ## Konflikt bis in die Kirchengemeinden hinein
       
       Nach zahlreichen juristischen Versuchen, ihre Abschiebung nach Guatemala
       abzuwenden, war sie kurz davor, aufzugeben und die Koffer zu packen. Doch
       ihr zehnjähriger Sohn, der eines Tages ein Nasa-Ingenieur werden will und
       nie in Guatemala war, erklärte, dass er nicht mitkommen wolle und dass er
       seine Mutter in New York brauche.
       
       Die prominenten RednerInnen sind eine Reaktion auf die Zero-Tolerance
       Politik der US-Regierung. Während Donald Trump mit Worten und Taten die
       Bereitschaft zu extremer Härte gegen EinwandererInnen und ihre Kinder
       zeigt, wächst auf der anderen Seite die Unterstützung für Papierlose und
       ist das Thema Einwanderungspolitik ins Zentrum des Wahlkampfs für die
       Kongresswahlen im November gerückt.
       
       Die Kontroverse reicht bis tief hinein in die Kirchen, auch die
       Methodistengemeinde. Aus ihr kommen sowohl Justizminister Jeff Sessions,
       der die Kriminalisierung von EinwandererInnen mit der Bibel begründet, als
       auch hunderte Geistliche und Gemeindemitglieder, die dem Justizminister in
       einem internen Disziplinarverfahren die „Verletzung von Kirchenregeln“
       vorwerfen, als auch Pastor Karpen, der jetzt jede Woche für Barrios-Vasquez
       zur Ausländerpolizei geht, um dort um ein Bleiberecht für sie zu bitten.
       Vor seinem Altar stehen Schilder mit Aufschriften wie: „Liebe kennt keine
       Grenzen“ und: „Einwanderer machen Amerika groß“.
       
       25 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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