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       # taz.de -- Streit in der Union: Die zwei mit den Streichhölzern
       
       > Während Horst Seehofer sich in den offenen Zweikampf mit Angela Merkel
       > stürzt, zündeln Alexander Dobrindt und Markus Söder in der CSU kräftig
       > weiter.
       
   IMG Bild: 2012 war noch alles in bester Ordnung: Dobrindt, Seehofer und Söder fröhlich vereint
       
       Horst Seehofer fühlt sich mal wieder unverstanden. Er sei kein Getriebener
       und er treibe auch niemanden, behauptete der CSU-Chef am Montagnachmittag
       nach der Vorstandssitzung seiner Partei. In der aktuellen Gemengelage, in
       der ein [1][Minister seiner Kanzlerin ein Ultimatum stellt], diese ihm mit
       der Richtlinienkompetenz droht und aus christsozialer Sicht über allem die
       nahende Landtagswahl in Bayern schwebt, bedarf eine solche Behauptung einer
       gewissen Chuzpe. Doch an der hat es Seehofer noch nie gefehlt.
       
       Eine Frage allerdings wirft die Aussage auf, und die ist durchaus
       berechtigt: Wer treibt in der CSU eigentlich noch, und wer wird schon
       getrieben? Seehofer steht sicher im Zentrum des Interesses, doch daneben
       gibt es vor allem zwei Akteure in der CSU, die die Dynamik des Zwists
       zwischen den Unionsparteien mit Kalkül weiter anschubsen: Markus Söder und
       Alexander Dobrindt.
       
       Der Ministerpräsident in Bayern und der CSU-Landesgruppenchef in Berlin
       lassen beide keine Gelegenheit aus, gegen die CDU zu zündeln. Ein
       abgekartetes Spiel lässt sich aber nicht vermuten, dazu sind sich die zwei
       trotz aller inhaltlichen Nähe viel zu fremd. Da ist auf der einen Seite
       Dobrindt, ein loyaler Gefolgsmann Seehofers, der von diesem seinerzeit als
       Generalsekretär auf die große politische Bühne gehievt wurde.
       
       ## Kettenhund oder Terrier?
       
       Gern wird er mit Hundemetaphern bedacht: Für die bayerische SPD-Chefin
       Natascha Kohnen ist er Seehofers Kettenhund, für die Süddeutsche Zeitung
       zumindest ein Terrier, in jedem Fall aber treu und in keinem Fall ein
       Schoßhündchen. Auf der anderen Seite steht Markus Söder, der ewige Rivale
       Seehofers, der ihn nun zu dessen großen Verdruss auch als Ministerpräsident
       beerben durfte.
       
       Beide provozieren auf ihre Weise, gern auf Kosten der Kanzlerin, aber jeder
       auf eigene Rechnung. Söder will keine „Berliner Verhältnisse“, das betont
       er im wieder. Doch was will er? Der Verdacht liegt nahe, dass es vor allem
       die Stimmen der potenziellen AfD-Wähler bei der Landtagswahl sind. Dass
       etwas aus der Balance geraten sei, moniert er beispielsweise gern und
       beginnt, die Bezüge „deutscher Rentner“ gegen die Ausgaben für Flüchtlinge
       aufzurechnen. Oder er sagt: „Ich habe kein Verständnis dafür, wenn jemand
       unser Gastrecht mit Kriminalität beantwortet.“
       
       Eine für sich genommen banale Aussage, die auf breiten gesellschaftlichen
       Konsens stoßen dürfte, die aber doch insinuiert, dass eben dieses Verhalten
       unter Flüchtlingen die Regel sei. „Der Fall Susanna“, fügt Söder dann im
       Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen noch an, „wirft so viele Fragen
       auf. Nur eine davon: Wieso kann jemand nicht abgeschoben werden in den
       Irak, aber selber flüchten kann er? Das verstehe ich nicht.“ Dazwischen
       noch der obligate Einschub, er wolle das nicht instrumentalisieren – doch
       natürlich ist es genau das, was er tut.
       
       [2][Seine verbalen Avancen Richtung rechts] unterfüttert der bayerische
       Regierungschef dann noch mit regionaler Symbolpolitik. So lässt er sein
       Kabinett beschließen, dass an den bayerischen Grenzen eine Zurückweisung
       von Asylbewerbern notwendig sei, will eigene bayerische Ankerzentren
       einrichten und für den Freistaat eigene Abschiebeflieger chartern.
       
       An verbaler Härte steht ihm Parteifreund Dobrindt in nichts nach,
       übertrifft ihn mitunter sogar noch. Der Landesgruppenchef fühlt sich von
       linken Eliten bedroht und fordert eine „konservative Revolution“. Wenn der
       frisch gekürte Innenminister Seehofer tönt, der Islam gehöre nicht zu
       Deutschland, legt Dobrindt gleich noch nach, er gehöre „egal in welcher
       Form“ nicht zu Deutschland. Und auf das diffamierende Bild der
       „Anti-Abschiebe-Industrie“, die „mit Klagen und Untertauch-Beratung gezielt
       die Bemühungen von Polizei und Justiz“ sabotiere, muss man schließlich auch
       erst mal kommen.
       
       ## Der leise Dobrindt
       
       Im persönlichen Umgang macht Dobrindt oft, ganz anders als Söder, einen
       leisen, fast nachdenklichen Eindruck – ein Mann, der seinen
       Gesprächspartnern aufmerksam zuhört. Zumindest, wenn es um nichts geht.
       Teilnehmer der Koalitionsgespräche beschreiben ihn wie auch den damaligen
       CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dagegen als äußerst unangenehmen
       Verhandlungspartner mit einer sehr herablassenden Art.
       
       Nach allem, was man hört, können Dobrindt und Söder nicht wirklich
       miteinander. Doch könnte es gut sein, dass sie miteinander müssen. Denn
       dass Seehofer endgültig angezählt ist, ist offenkundig. Ob die Neubesetzung
       seiner Posten als Minister und als Parteichef jetzt eine Sache von Wochen,
       Monaten oder gar Jahren ist – da möchte sich kaum jemand als Prophet
       betätigen. Doch dass sie absehbar ist, daran ist nicht zu zweifeln.
       
       Unklar ist aber noch die postseehofersche Rollenverteilung innerhalb der
       Partei. Während Söder an seinen Ambitionen auf den Sessel des
       Ministerpräsidenten nie einen Zweifel gelassen hat, lässt sich derzeit
       nicht erkennen, ob er an dem Posten des Parteichefs gar nicht oder nur zum
       jetzigen Zeitpunkt nicht interessiert ist. Sein vorrangiges Ziel ist
       zunächst die Landtagswahl im Herbst. Sollte er es allen derzeitigen
       Prognosen zum Trotz schaffen, die absolute Mehrheit der CSU zu verteidigen
       oder zumindest das Ergebnis als Erfolg zu verkaufen, wird es schwer, ihm
       den Griff nach dem Parteivorsitz zu verwehren.
       
       ## Dobrindts verzwickte Lage
       
       Sollte ihm das aber nicht gelingen oder er gar keine derartigen Ambitionen
       hegen, wäre Dobrindt freilich einer der naheliegendsten Kandidaten. An
       dessen Bereitschaft dürfte es auch nicht fehlen – womöglich aber am
       Rückhalt der Partei. Während Söder über die Jahre eine massive Hausmacht
       aufgebaut hat und nahezu die gesamte CSU-Landtagsfraktion geschlossen
       hinter sich wähnen darf, konnte Dobrindt bislang vor allem auf Seehofers
       Unterstützung zählen.
       
       Die Beliebtheit in der Gesamtpartei hält sich in Grenzen; der Vorsitz der
       Oberbayern-CSU wäre für den Abgeordneten aus dem Wahlkreis Weilheim da
       natürlich von Vorteil, doch den wird Bayerns stellvertretende
       Ministerpräsidentin Ilse Aigner fürs Erste kaum abtreten. Dazu kommt, dass
       Dobrindt in Brüssel einen veritablen Konkurrenten sitzen hat: Auch Manfred
       Weber, dem CSU-Vizechef und EVP-Fraktionsvorsitzenden, wird Interesse am
       Chefsessel nachgesagt.
       
       Und es gibt noch etwas, was die Lage für Dobrindt besonders verzwickt
       macht. Zwar hängt sein Schicksal nicht in dem Maße von den bayerischen
       Wählern ab wie Söders, dafür ist er karrieretechnisch bis auf weiteres an
       die Bundeshauptstadt gebunden. Sollte es tatsächlich zu dem Bruch mit der
       CDU kommen, droht der Landesgruppe und ihrem Chef ein tiefer Fall in die
       Bedeutungslosigkeit. So paradox es auch klingt, so bleibt dem Kettenhund
       letzten Endes nur eine Hoffnung: dass seine Kette nicht reißt.
       
       26 Jun 2018
       
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