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       # taz.de -- AfD-Klage gegen Berliner Justizsenator: Behrendt darf eine Meinung haben
       
       > Der Verfassungsgerichtshof gibt Dirk Behrendt (Grüne) Recht. Dessen
       > Kritik an einem AfD-Politiker verletzt nicht das Neutralitätsgebot.
       
   IMG Bild: Ein prüfender Blick nach rechts ist durchaus zulässig
       
       Berlin taz | „Der Antrag wird zurückgewiesen.“ Stehend nehmen Klägerin und
       Beklagte das [1][Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshof] am
       Mittwochmorgen entgegen. Auf der einen Seite Frank-Christian Hansel,
       Mitglied des Abgeordnetenhauses und Landesschatzmeister der AfD, und Marc
       Vallendar, ebenfalls Abgeordneter und Anwalt der Partei in diesem
       Verfahren.
       
       Auf der anderen Seite der Staatsrechtler Christoph Möllers, der
       Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) vertritt. Die AfD wollte
       höchstrichterlich feststellen lassen, dass Behrendt „ihr Recht auf
       gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb verletzt hat“. Das
       Gericht wollte diesem Ansinnen nach einstimmiger Entscheidung in allen
       aufgeführten Punkten nicht folgen.
       
       Anlass des Verfahrens waren Äußerungen des Senators in einem
       Fernsehinterview und während einer Fragestunde im Abgeordnetenhaus. Im RBB
       wurde Behrendt im Frühjahr 2017 mit dem Ausschnitt einer Rede des Berliner
       Oberstaatsanwaltes Roman Reusch auf dem Nominierungsparteitag der AfD in
       Brandenburg konfrontiert. Reusch sprach in dieser Rede unter anderem von
       „Blockparteien“, die das Land wirtschaftlich ruinieren und mit einer
       „nichtdeutschen Mehrheit“ besiedeln würden, weshalb Deutschland „auf dem
       besten Weg in die islamische Republik“ sei.
       
       Dirk Behrendt, in seiner Funktion als Justizsenator Dienstherr des um das
       christliche Abendland besorgten Staatsanwalts, zeigte sich damals vor
       laufender Kamera erstaunt über diese Einlassung: „Da steht ja einiges zu
       befürchten für den Wahlkampf. Also von daher werden die Medien zu tun
       bekommen, ihn im Blick zu behalten. Und wir als Dienstbehörde werden das
       dann auch auszuwerten haben.“ Diese Aussage wertete die AfD als direkten
       Angriff im beginnenden Bundestagswahlkampf.
       
       ## Wer fragt, dem wird geantwortet
       
       Im nächsten Akt wurde der Justizsenator im Abgeordnetenhaus gefragt, ob er
       plane, AfD-Bundestagskandidaten überwachen zu lassen. Behrendt erwiderte
       darauf: „Wenn es nötig ist, durchaus.“ Er schränkte jedoch ein, dass weder
       KandidatInnen der AfD oder anderer Parteien generell überwacht würden. Es
       ginge ganz allgemein lediglich um die Gewährleistung von Mäßigung und
       Zurückhaltung, insbesondere wenn Kandidierende Landesbeamte seien.
       
       Auf eine Nachfrage, die unterstellte, dass die AfD und ihre KandidatInnen
       hier einer besonderen Behandlung unterzogen würden, erläuterte Behrendt den
       Unterschied zu anderen Parteien: „Es ist üblicherweise so, dass
       Kandidierende einer Partei sich unter einem programmatischen Dach
       versammeln und in eine ähnliche Richtung gehen. Und von daher ist es
       durchaus angemessen, Äußerungen von Herrn Höcke […] zum Anlass zu nehmen,
       auch bei anderen Kandidierenden mal genauer hinzugucken.“
       
       Dieser von der AfD selber provozierte Schlagabtausch sollte nun vor dem
       Verfassungsgerichtshof als Beleg für eine unbegründete Generalverdächtigung
       seitens des Justizsenators dienen. Das Gericht konnte jedoch keine solche
       Beeinflussung erkennen – und erläutert in seinem Urteil, dass die
       Anmerkungen Behrendts sogar sachlich hinreichend begründet seien.
       
       Dann hält das Gericht eine Art Lehrstunde für demokratisch-parlamentarische
       Praxis ab und erklärt der AfD, dass die Antworten Behrendts die Erfüllung
       seiner verfassungsmäßigen Pflicht gewesen seien. Auch seine wertende
       Einschätzung verletze nicht seine Pflicht zur Neutralität, die im
       parlamentarischen Betrieb ohnehin nur eingeschränkt Gültigkeit habe. Dass
       die AfD nun ausgerechnet selber die Frage zur inkriminierten Antwort
       stellte, spricht aus Sicht des Gerichts ebenfalls für die Position
       Behrendts. Wer fragt, bekommt Antworten.
       
       Das Verhalten des Thüringer AfD-Chefs Bernd Höcke, das sogar den
       Verfassungsschutz auf den Plan rufe, hält der Verfassungsgerichtshof für
       einen sachlich richtigen Bezugsrahmen für die Einschätzungen Behrendts zu
       den Besonderheiten der AfD und ihrer KandidatInnen.
       
       Damit hat Behrendts Anwalt, Christoph Möllers, auf ganzer Linie gewonnen:
       Er wollte den Versuch der AfD abwehren, „die Regierung auf eine
       unpolitische Beamtenschaft zurückzuwerfen, die sich in der politischen
       Debatte nur noch ‚wertfrei‘ artikulieren kann.“ Seinen Argumenten
       entspricht das Urteil. Welche neuen Wege die AfD nun sucht, politischen
       Gegnern den Mund zu verbieten, wird sich zeigen.
       
       4 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berlin.de/gerichte/sonstige-gerichte/verfassungsgerichtshof/pressemitteilungen/2018/79-17-urteil.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
       ## TAGS
       
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