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       # taz.de -- Kolumne Russia Today: Journalismus auf Knien
       
       > Es ist ein wildes Armfuchteln, Aufspringen, Aufschreien, Außersichsein:
       > Wie die südamerikansche Presse ganz ehrlich subjektiv berichtet.
       
   IMG Bild: Pathos pur: Auch Luis Suarez kann, was südamerikanische Sportjournalisten können
       
       Meine Nachlässigkeit verhalf mir zu dem besonderen Platz und der besonderen
       Perspektive. Um ein paar Minuten hatte ich die Akkreditierungsfrist für die
       [1][Partie zwischen Uruguay und Portugal] verpasst. Und so bekam ich nicht
       wie sonst üblich einen Tisch in dem Pulk deutscher Kollegen zugewiesen.
       Über die Warteliste gelangte ich in den Ultrafanblock der südamerikanischen
       Journalisten.
       
       Grundsätzlich lässt sich nur schwer behaupten, die Pressetribünen in den
       WM-Stadien Russlands wären ein Hort der Objektivität. Ein gewisses Bemühen
       darum kann man jedoch schon feststellen. In den Reihen der
       lateinamerikanischen Kollegen dagegen halten sich die Anstrengungen um
       Sachlichkeit sehr in Grenzen.
       
       Wie ein lebloses Phlegma muss ich ausgesehen haben inmitten dieser
       Kollegen, deren Körper von gewaltigen Energien unter Strom gesetzt wurden.
       Es war ein wildes Armfuchteln, Aufspringen, Aufschreien, Außersichsein.
       
       Als das Team von Uruguay sein erstes Tor erzielte, warf sich einer der
       Berichterstatter auf die Knie, streckte beide Hände aneinandergelegt gen
       Himmel und schrie seine ganze Anspannung heraus. Es dauerte. Vor lauter
       Dankbarkeit wollte er vom harten Betonboden gar nicht mehr aufstehen.
       
       In Deutschlands Journalistenschulen wird bis heute darüber diskutiert, wie
       denn das berühmte Neutralitätsgebot zu verstehen ist, das Hanns Joachim
       Friedrichs einst so formulierte: „Ein guter Journalist macht sich mit
       keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten.“ Und es wird darüber
       debattiert, wie frei und objektiv man wirklich sein kann.
       
       ## Das Subjektivitätsgebot
       
       Im Stadion von Sotschi bekommt man eine recht sicheres Gespür dafür, wie
       eine solche Debatte unter südamerikanischen Sportjournalisten enden würde.
       Das Gegenteil würde für richtig erklärt werden. Es würde ein
       Subjektivitätgebot formuliert werden: „Ein guter Journalist macht sich mit
       einer guten Sache – wie etwa dem eigenen Nationalteam – immer gemein.“ Zu
       loben daran ist die Transparenz. Wer die Berichte dieser Reporter kauft,
       weiß, was er bekommt.
       
       Das Subjektivitätsgebot ist jedoch kein lateinamerikanisches Ding. Die
       Medienkritik einiger deutscher Nationalspieler während dieser WM rührt
       ebenfalls aus dem Verständnis heraus, dass Spieler und Berichterstatter
       eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Schließlich reist man ja seit Jahren
       gemeinsam um die Welt.
       
       Dieses Näheverhältnis lässt auch manchen deutschen Sportjournalisten wie
       einen Fan erscheinen, selbst wenn sie sich bemühen, sich wie neutrale
       Journalisten zu benehmen. Das ist weniger transparent. Gewiss dagegen ist:
       Sollten Uruguay am Freitag gegen Frankreich gewinnen, werden die Landsleute
       auf der Pressetribüne in Nischni Nowgorod aus ihrer Freude nicht den
       geringsten Hehl machen.
       
       5 Jul 2018
       
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