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       # taz.de -- Unfall bei Zirkus Krone in Osnabrück: Elefantenschinder dürfen bleiben
       
       > Ein Unfall mit Zirkuselefanten befeuert in Osnabrück eine alte Debatte
       > wieder aufs Neue. Der Stadtrat hatte 2015 ein Verbot aufgestellt, doch
       > dann wieder gekippt.
       
   IMG Bild: Freuen sich laut Zirkus Krone auf ihren Auftritt: Elefanten in der Manege
       
       Osnabrück taz Es kann eine heikle Angelegenheit werden, wenn
       Zirkustierbefürworter und Gegner von Wildtieren sich gegenüberstehen. So
       geschehen am Samstagnachmittag am Haupteingang der Osnabrücker Halle
       Gartlage. „Leid der Elefanten stoppen“, heißt es von der einen Seite, wo
       sich das Osnabrücker „Peta Zwei Streetteam“ und Sympathisanten aufgestellt
       haben. „Tiere gehören zum Circus“ nennt sich das zwei Personen starke
       Aktionsbündnis auf der anderen Seite, direkt vor dem Eingang des Zirkus.
       
       Ihre Banner hängen an dessen Zaun. „Circus, ein guter Ort für Tiere!“ ist
       eine der Botschaften. Die Demonstranten von der Gegenseite dürfen nicht so
       nah ran. Aber das macht nichts. Das Spalier, das Tierschützer Kai Seidel
       und seine Aktivisten rechts und links des Geländetors bilden, mit
       Botschaften wie „Artgerecht ist nur die Freiheit“ wirkt trotzdem.
       
       Seidel und die anderen hätten auch ohne den Vorfall vom 4. Juli hier
       gestanden. An diesem Tag ging bei der Premiere des Osnabrücker Gastspiels
       des „Krone“-Programms „Evolution“ etwas schief: Zwei Elefantenkühe
       attackierten eine dritte, die stürzte in den Logenbereich. Ein Zuschauer
       wurde verletzt, andere flüchteten.
       
       Viele Passanten solidarisieren sich. Manche von ihnen sind vorher an den
       engen Gehegen des „Krone“-Zoos vorbeigegangen. Haben Löwen auf
       Parkplatzasphalt gesehen, der kaum bedeckt ist durch Einstreu. Haben
       Elefanten gesehen, die unablässig mit Rumpf und Kopf von links nach rechts
       wiegen, ein von Transportanhängern umgebenes Außengehege, in dem es nichts
       gibt außer ein paar Sandhaufen und vertrockneten Ästen.
       
       ## Kopfschaukeln aus Vorfreude?
       
       Die Elefanten würden täglich beschäftigt, sagt Andreas Kielbassa,
       Marketingleiter von Zirkus Krone. Das Hin- und Herbewegen der Köpfe, auch
       Weben genannt, würden die Elefanten nur machen, weil sie sich so sehr auf
       ihren Auftritt freuen würden, erklärt Kielbassa.
       
       „Für mich sind das Gefängnisse“, sagt Kai Seidel. „Der Stadtrat muss
       endlich ein Wildtierverbot beschließen!“ Zirkus Krone nennt Menschen wie
       Seidel in seiner Online-Broschüre „Wir lieben unsere Tiere“ „militant“ und
       „fanatisch“. Auch Andreas Kielbassa ist auf die Tierschützer nicht gut zu
       sprechen: Man habe mehrmals versucht, auf die Aktivisten und auch auf die
       Organisation Peta zuzugehen, doch die wollten keine Diskussionen.
       
       Die Stadt Osnabrück fährt zum Thema Wildtiere im Zirkus einen
       Schlingerkurs. 2015 beschließt der Rat, Zirkusbetrieben mit Wildtieren
       keine städtischen Flächen mehr zur Verfügung zu stellen. 2017 widerruft er
       das Verbot. Zwar hält er daran fest, „das Halten und Zurschaustellen von
       Wildtieren in Zirkussen abzulehnen“ sei und appelliert, „nur Zirkussen
       Flächen zu überlassen, die keine Wildtiere mitführen“. Aber das ist
       Kosmetik. Der Bundesgesetzgeber sei gefordert. Der müsse das
       Tierschutzgesetz aktualisieren, heißt es.
       
       ## Peinlich für die Grünen
       
       Michael Hagedorn, dem Fraktionschef der Grünen, ist das sichtlich peinlich,
       hat seine 2015 noch verbotsfreudige Partei den Rückzug von 2017 doch
       mitgetragen: „Solange sich die juristischen Rahmenbedingungen nicht
       ändern“, sagt er, „sind unsere Möglichkeiten als Kommune leider begrenzt.“
       Hagedorn hofft, dass Zirkus-Wildtierhaltung „ein Geschäftsmodell der
       Vergangenheit“ ist. Bis sich von der gesetzgeberischen Seite etwas tut,
       kann die „Osnabrücker Herdbuch eG“, der Betreiber der Großeventfläche Halle
       Gartlage, den Ratsappell getrost ignorieren. Äußern will sich der
       Geschäftsführer dazu nicht.
       
       Die Stadtrats-Gruppe Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG)/Piraten, auf die
       der Verbotsbeschluss von 2015 zurückgeht, kritisiert die Herdbuch hart:
       „Schwer begreiflich“ findet Nils Ellmers, Ratsmitglied der Piraten, dass
       sie „ihre finanziellen Interessen über das Wohl der Tiere und Menschen
       gestellt hat“. Auch die Ratsfraktion von der Linken drängt darauf,
       Wildtier-Zirkusse in Osnabrück nicht mehr auftreten zu lassen.
       
       Vorfälle wie der Elefantensturz von Osnabrück sind keine Seltenheit. Eine
       Studie der „Eurogroup for Animals“ von 2017 listet über 300 Zwischenfälle
       in Zirkussen auf, seit 1995 wurden dabei EU-weit 86 Menschen zum Teil
       schwer verletzt, 11 starben. Fast die Hälfte dieser Zwischenfälle ereignete
       sich in Deutschland, einem der letzten EU-Länder ohne
       Zirkus-(Wild-)Tierverbot.
       
       Bei Wildtieren im Zirkus muss also nicht nur nach dem Tierschutz gefragt
       werden, auch nach der öffentlichen Sicherheit. Yvonne Würz, Biologin und
       Fachreferentin für Zoo und Zirkus bei Peta Deutschland, kommentiert den
       Osnabrücker Rückzug von 2017 so: „Enttäuschend! Über 100 andere deutsche
       Kommunen haben ein solches Verbot!“
       
       Gerade geht wieder eine Familie durch das Spalier der Tierschützer. Sie
       wollten zwar eigentlich nur zum Flohmarkt. Aber ein Ticket für den Zirkus
       kaufen würden auch sie sich jetzt „ganz bestimmt“ nicht mehr, sagen sie.
       
       8 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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