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       # taz.de -- Nazi-Dorf Jamel: Anti-Rechts-Konzert in Gefahr
       
       > Ein Ehepaar macht sich seit Jahren stark gegen Rechts – auch mit dem
       > Festival im Sommer. Jetzt wurde die Wiese dafür verpachtet – an Rechte.
       
   IMG Bild: Die Rechtsextremen aus Jamel dürfte der Pachtvertrag freuen
       
       Hamburg taz | Ganz Jamel ist in Besitz von Rechtsextremen? Nein! Der alte
       Forsthof ist eine Enklave: Birgit und Horst Lohmeyer wohnen dort, und seit
       Jahren richten sie dort, in dem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, das
       Open-Air-Festival „Jamel rockt den Förster“ für Demokratie und gegen
       Rechtsextremismus aus. Kraftklub, Madsen, Die Toten Hosen und Die Ärzte
       traten unlängst direkt neben den rechten Anwohnern auf.
       
       Doch das Festival zu organisieren, wird jetzt schwieriger. Die Gemeinde
       Gägelow hat einem rechten Ehepaar eine dafür zentrale Wiese verpachtet.
       „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle engagierten Bürger in diesem
       Land“, sagt Birgit Lohmeyer. Und Horst Lohmeyer schiebt nach: „Mit diesen
       Flächenüberlassungen wird eine nicht unerhebliche Stärkung der
       völkisch-nationalen Siedlungsbewegung durch die Mitglieder der Gägelower
       Gemeindevertretung forciert“.
       
       In dem kleinen Dorf mit rund 40 Anwohnern, in das nur eine Straße
       hineinführt, leben mehrere Rechtsextreme, sie richten immer wieder auch
       Brauchtumsfeiern aus. Das Motto der Szene um den mehrfach vorbestraften
       Rechtsextremen [1][Sven Krüger:] Die „Dorfgemeinschaft Jamel“ lebt. Erst am
       Wochenende veranstalteten sie eine Sommersonnenwende. In der Mitte des
       Dorfes begann das Fest mit einem Kinderprogramm. Eine Hüpfburg und
       Strohballen standen zum Toben bereit, eine Pferdekutsche zum Umherfahren.
       An die 200 Rechte waren mit ihren Kindern gekommen. Unter den Gästen waren
       auch die NPD-Kader Stefan Köster, Michael Grewe und Torgai Klingebiel.
       
       Die Verpachtung des Dorfplatzes an das rechte Ehepaar behinderte denn auch
       prompt die Polizeiarbeit. In der Vergangenheit stellte die Polizei auf dem
       Flurstück ihre Einsatzkräfte bereit oder parkte ihre Fahrzeuge. Das war nun
       nicht mehr möglich. „Die Verpachtung der zentralen Wiese erschwert uns den
       Polizeieinsatz erheblich“, sagte Wismars Polizeirevierleiter Andreas Walus.
       Die Beamten würden von der Veranstaltung weggedrängt und könnten dort nicht
       mehr so präsent sein, wie es nötig wäre.
       
       ## „Ein riesiger Skandal“
       
       Schon Ende Februar hatte der Hauptausschuss von Gägelow den
       Gesinnungsfreunden von Krüger das Flurstück von 3.700 Quadratmetern für
       einen Jahrespachtzins von 65 Euro überlassen. Wie brisant das ist, scheint
       der Gemeindevertretung indes bewusst gewesen zu sein: Im Pachtvertrag ist
       eine Klausel, die festhält, dass die Wiese den Lohmeyers für das Festival
       überlassen werden muss. „Glauben die Politiker wirklich, das sich an den
       Vertrag gehalten wird, einen Monat vor und nach dem Festival die Fläche zur
       Verfügung zu stellen“, fragen die Lohmeyers. Die rechte Szene erklärt seit
       Jahren, das sie dieses Event nicht in – in ihren Augen „ihrem“ – Dorf haben
       will, hebt das Paar hervor, das 2004 aus Hamburg hierher gezogen ist.
       
       „Ein riesiger Skandal“, sagt Birgit Lohmeyer, der sich aber „in die
       besorgniserregende Entwicklung in unserer Gemeinde einbettet.“ Denn seit
       2015 schon hätte die Gemeinde Flächen in Jamel an hiesige Rechten
       verpachtet oder verkauft, so Horst Lohmeyer.
       
       In den vergangenen Jahren beschäftigte sich auch der mecklenburgische
       Landtag mit dem Dorf. 2007 schaute sich eine Delegation das Geschehen vor
       Ort an. Von einer „Gesamtstrategie gegen Rechts“ die folgen sollte, haben
       die Lohmeyer „nichts groß bemerkt“. Das Verhalten der Gemeinde spiegele von
       dieser Strategie bis heute nicht viel wieder, so das Paar, dessen Scheune
       2015 [2][von Unbekannten angezündet worden war]. Kurz vor dem Festival war
       sie damals abgebrannt.
       
       Im Hauptausschuss der Gemeinde sitzen auch Simone Oldenburg, Vorsitzende
       der Landtagfraktion der Linken, und Gägelows Bürgermeister Uwe Wandel.
       Oldenburg kann sich an die Abstimmung über die Verpachtung nicht mehr so
       genau erinnern, weiß aber, sich enthalten zu haben. Sie verspricht nun,
       sich stark zu machen für die Rücknahme des Pachtvertrags.
       
       Wandel [3][erklärte indes] der Ostsee-Zeitung, er wolle sich erst äußern,
       wenn er wisse, wer der Presse die Informationen gegeben habe. „Die
       politische Dimension dieser Vorgänge wird anscheinend, entgegen deren
       Aussage, von den Gemeindevertretern völlig verkannt und das Bestreben der
       demokratischen Kräfte dadurch konterkariert“, sagt Horst Lohmeyer. Dass die
       Auflösung des Pachtvertrags schnell geht, glauben Lohmeyers nicht. Sie
       zweifeln auch daran, ob die Gemeinde das „wirklich will“.
       
       28 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kolumne-Der-rechte-Rand/!5471891
   DIR [2] /Jamel-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5219778
   DIR [3] http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Wismar/Wiese-an-Neonazi-Mitstreiter-verpachtet
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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