URI: 
       # taz.de -- Vorwürfe gegen Boris Pistorius: Minister mit Mail-Schwäche
       
       > Die FDP sorgt sich um die Sicherheit Niedersachsens, weil Innenminister
       > Boris Pistorius (SPD) eine E-Mail zur Bamf-Affäre durchgerutscht ist.
       
   IMG Bild: Hat im Urlaub den Kopf frei bekommen: Innenminister Boris Pistorius (SPD)
       
       Hannover taz | Die FDP in Niedersachsen arbeitet sich gerade an einem
       vermeintlichen Skandal ab. Der Vorwurf: Innenminister Boris Pistorius (SPD)
       habe schon im Juni 2017 durch einen Informanten vom angeblich großen Ausmaß
       des sogenannten „Bamf-Skandals“ gewusst und daraus keinerlei Konsequenzen
       gezogen. Zuerst berichtete die Bild am Sonntag (Bams). In einer daraufhin
       von der FDP geforderten Sondersitzung des Innenausschusses gestand
       Pistorius am gestrigen Mittwoch Fehler ein – einen Skandal sehen darin aber
       selbst die ebenfalls oppositionellen Grünen nicht.
       
       Konkret geht es um eine Mail. Die hatte Pistorius von der damaligen
       Bundestagsabgeordneten Michaela Engelmeier (SPD) zugespielt bekommen. Ein
       Mitarbeiter der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und
       Flüchtlinge (Bamf) hatte sich im Sommer 2017 an die SPD-Abgeordnete gewandt
       und ihr von Vorwürfen berichtet, die später von vielen Medien aufgegriffen
       wurden. Der Kontakt geht aus einem Chat zwischen Engelmeier und dem
       Informanten hervor, den die Bams veröffentlicht hat.
       
       Der Informant berichtet demnach etwa davon, dass Asylsuchende aus dem
       gesamten Bundesgebiet in Bussen zum Bamf nach Bremen gebracht worden sein
       sollen und vermutet, dass die Busse von einem Anwalt gechartert worden
       seien, dessen Fälle die Behörde bevorzugt bearbeitet habe.
       
       Engelmeier sprach Pistorius auf dem Parteitag der SPD am 25. Juni 2017 an
       und antwortete dann dem Informanten laut Bams: „Er braucht, um sich ein
       Bild zu machen, kurz aufgeschrieben, um was es sich als Vergehen handelt!
       Er prüft dann den Sachverhalt.“
       
       ## Es passierte nichts
       
       Doch obwohl Pistorius einen Tag später die Mail mit den schriftlichen
       Vorwürfen bekam, passierte nichts. Er sei auf dem Weg in den Urlaub
       gewesen, sagt Pistorius. Die Mail habe er an sein Büro im Ministerium
       weitergeleitet – an wen könne aufgrund „turnusmäßiger Löschungen“ nicht
       mehr nachvollzogen werden. Irgendjemand hat die Mail jedoch verschlampt.
       
       Das sei besonders ärgerlich, da es sich um einen so brisanten Vorgang
       handele, so Pistorius. Eine solche Panne sei seinem Büro bisher nie
       passiert. Auch er selbst habe die Mail nach dem Urlaub vergessen gehabt.
       
       „Der Vorwurf, ich hätte einen Verdacht auf fragwürdige Praktiken im Bamf
       vertuschen wollen, ist absurd“, sagt der SPD-Politiker. Der FDP-Abgeordnete
       Jan-Christoph Oetjen hatte vor der Ausschusssitzung gesagt, dass man so
       kurz vor den Wahlen in Bund und Land den Eindruck bekommen könne, dass
       Pistorius bewusst zu den Vorgängen geschwiegen habe. Der Minister
       widersprach: „Wir hätten ein Interesse daran gehabt, das politisch zu
       verwerten im Zweifel.“
       
       Schon im September 2016 hatte der niedersächsische Innenminister einen
       internen Brief an den damaligen Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise geschickt.
       Pistorius beschwert sich darin über die Verfahrensweise der Bremer
       Außenstelle, die „nicht im Ansatz nachvollziehbar“ sei. Das werfe
       „grundsätzliche Fragen der Zusammenarbeit“ auf. Zudem betonte der
       Innenminister die Dringlichkeit seines Anliegens.
       
       ## Elfmeter verschenkt
       
       Zuvor hatte auch der Präsident der Region Hannover [1][Hauke Jagau (SPD) an
       das Bamf geschrieben]. Ihm antwortete die Behörde im August 2016 jedoch
       lediglich, die Vorwürfe gegen die Außenstelle in Bremen würden
       „tiefergreifende Untersuchungen“ verlangen, die bereits eingeleitet worden
       seien. Dies werde Zeit brauchen.
       
       Die neuen Informationen hätten die Vorwürfe der SPD-Kollegen untermauern
       können. Der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer sprach deshalb davon, dass
       Pistorius „einen Elfmeter zum Versagen der Union verschenkt“ habe. Der
       Minister müsse sein Mailmanagement besser organisieren, so Meyer. Der
       eigentliche Skandal liege allerdings nicht in der Büroorganisation von
       Pistorius. „Skandalös sind die in vielen Fällen unrechtmäßig abgelehnten
       Asylbescheide im Bamf, die Gerichte korrigieren mussten.“
       
       Uwe Schünemann vom Koalitionspartner CDU hält die verschollene Mail
       ebenfalls nicht für ein Drama: „Das ist dem Minister glaube ich selber
       peinlich, aber es ist eben nicht so, dass man vermuten kann, dass da
       irgendwie Absicht dahinter steckt.“ Deshalb sei die Sache ausgeräumt, so
       der Ex-Innenminister.
       
       Für die FDP jedoch ist der Fall noch nicht so einfach vom Tisch. „Die
       Aufklärungsbemühungen sind überhaupt nicht ausreichend“, sagt der
       FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Pistorius habe sich nicht darum
       bemüht, die Mails über die IT-Niedersachsen wiederherstellen zu lassen.
       Zudem kritisierte er, dass sich kein Mitarbeiter mehr an die E-Mail
       erinnert: „Es ist erstaunlich, dass das Ministerbüro offensichtlich einer
       kollektiven Amnesie anheim fällt.“
       
       Noch deutlicher äußerte sich der FDP-Chef jedoch vor der Sitzung: Wenn eine
       so brisante Mail verschwinde, erfülle ihn das mit Sorge. „Das wirft auch
       die Frage auf, ob die Sicherheit des Landes bei Boris Pistorius in guten
       Händen ist“, sagte Birkner. Anscheinend sei er nicht einmal in der Lage,
       sein eigenes Haus zu organisieren.
       
       12 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5510934/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Maestro
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Asylverfahren
   DIR Boris Pistorius
   DIR Thomas de Maizière
   DIR Horst Seehofer
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Überforderte BAMF-Mitarbeiter: Regierung hat keine Ahnung
       
       Die BAMF-Mitarbeiter stehen seit der Zunahme der Flüchtlingszahlen unter
       Druck. Eine Linken-Abgeordnete wollte von der Regierung wissen, wie sehr.
       
   DIR Seehofers „Masterplan Migration“: Hauptsache weniger Flüchtlinge
       
       Der lange geheime „Masterplan“ von Innenminister Seehofer liegt nun vor.
       Ein Punkt: das Erschweren von Klagen gegen negative Asylbescheide.
       
   DIR Linke Leonidakis über Bamf-“Skandal“: „Krasse falsche Vorwürfe“
       
       Von dem vermeintlichen Bamf-Skandal ist wenig übrig geblieben. Dennoch ist
       ein schwierig zu reparierender politischer Schaden entstanden, sagt Sofia
       Leonidakis.
       
   DIR Immer mehr Zweifel an den Vorwürfen: Der Bamf-Skandal, der keiner ist
       
       Der Revisionsbericht des Bamf ist fehlerhaft, von den Vorwürfen gegen die
       Bremer Außenstelle ist kaum etwas übrig. Peinlich ist das auch für
       Seehofer.