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       # taz.de -- Zukunft des RAW-Geländes in Berlin: Alt neben Neu
       
       > Das Ringen um das RAW-Gelände geht weiter. Nun aber sind an der Revaler
       > Straße Lösungen zwischen Investor und Nutzern in Sicht.
       
   IMG Bild: Nicht dicht genug bebaut
       
       Berlin taz | Wenn man darüber nachdenkt, in wessen Haut man am
       Dienstagabend im Säälchen auf dem Gelände des Holzmarkts an der Spree am
       wenigsten stecken will, fällt die Wahl gar nicht so leicht. Verhandelt wird
       die Zukunft des RAW-Geländes an der Revaler Straße. Die Dialogwerkstatt
       dazu hat der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt
       (Grüne), initiiert.
       
       Vielleicht ist es Lauritz Kurth, der heute am unglücklichsten zu sein
       scheint. Kurth gehört die Firmengruppe Kurth, die 2015 gut zwei Drittel des
       Areals kaufte. Einige der Mieter und Initiativen sagen zwar, vieles sei
       besser geworden seitdem. Bei anderen schwingt nach wie vor nackte
       Verachtung mit, wenn sie sich an ihn wenden.
       
       Oder würde man doch lieber nicht in der Haut von Baustadtrat Florian
       Schmidt stecken? Schmidt will die Ergebnisse der Dialogwerkstatt, wie er
       sagt, im Herbst in die Ausschüsse geben. Gleich zu Anfang spricht er davon,
       dass beim Bezirk der Erhalt der angestammten soziokulturellen Nutzung von
       Club bis Kinderzirkus an erster Stelle stehe; man müsse aber auch sehen,
       was baulich alles „wegmüsse“. Natürlich geht im Moment, als er das sagt,
       ein beträchtliches Raunen durchs voll besetzte Säälchen.
       
       Was man an diesem Abend studieren kann, ist eine besonders radikale Version
       des alten Berliner Kampfs Alt gegen Neu in der wachsenden, reicher
       werdenden Stadt. Auf der einen Seite die Fundis, die in
       Friedrichshain-Kreuzberg alles so lassen wollen, wie es ist: auch die
       Ruinen, an denen seit 20 Jahren nichts verändert wurde, selbst zum Preis
       der Anwesenheit von Dealern und Kriminalität auf dem Gelände.
       
       ## Dialog und Kompromiss
       
       Die Fundis haben ihre Gründe: Einer berichtet von seinem Kiez in Prenzlauer
       Berg, den acht von zehn Menschen verlassen haben, seit er ihn kennt.
       Menschen wie ihm braucht man nicht mit Modellen wie dem Hackeschen Markt zu
       kommen, wo die bunten Fassaden und die teuren Läden glänzen und nur noch
       ein winziger Rest hinter Plexiglas die Touristen daran erinnert, wie wild
       hier einmal das Nachtleben tobte.
       
       Auf der anderen Seite stehen die Realos, die immer wieder auf die neuen
       Notwendigkeiten pochen, die die Entwicklung mit sich bringt. Nach wie vor
       wünscht sich der Bezirk, dass keine Wohnungen auf dem RAW-Gelände
       entstehen, aber Florian Schmidt spricht auch davon, das Gelände sei „in
       eine Dekadenz geraten“. Stadtplanerin Ute Schneider bringt es in ihrem
       Statement auf den Punkt: „Es braucht eine gewisse Dichte und Nutzmischung,
       damit die soziale Kontrolle funktioniert.“
       
       Im Grunde funktioniert das so kompliziert wirkende Gezerre auf dem
       RAW-Gelände nach einer einfachen Formel, die selbst an diesem Abend zutage
       tritt: Je interessierter sich Kurth derzeit zeigt, die soziokulturelle
       Nutzung auf dem RAW-Gelände langfristig zu sichern, desto
       kompromissbereiter werden Nutzer, Anwohner und Bezirk gegenüber seinen
       Wünschen nach Rentabilität und massiver Bebauung sein. Die vage Prognose
       von Schmidt: „Es kann noch drei, vier Jahre dauern.“
       
       Einfacher gesagt: Möglicherweise wird die Bebauung 2022 beginnen, und geht
       man von den Plänen aus, die an diesem Abend präsentiert werden, wird es
       eine dichte Bebauung sein, auch mit Hochhäusern für teure Büros, die den
       Rest, der nach wie vor billig vermietet werden soll, finanzieren sollen.
       Die Prognose: Aus dem Haubentaucher könnte eine Markthalle werden, die
       Clubs Astra, Urban Spree und Suicide Circus dürfen bleiben oder umziehen.
       Grünflächen wird es eher keine geben, dafür gute Durchwegungen und große
       Plätze mit „hoher Aufenthaltsqualität“, wie es so schön auf Maklerdeutsch
       heißt.
       
       Und übrigens: Das Badehäuschen auf der Höhe der Simon-Dach-Straße, um das
       bislang mit dem einen der beiden Besitzer des anderen Geländeteils
       gestritten wurde, könnte durch einen Kuhhandel erhalten bleiben.
       
       Die Besitzer, so Florian Schmidt, haben Interesse an einem Tausch oder
       Verkauf signalisiert. „Diese Bereitschaft eröffnet städtebaulich ganz neue
       Perspektiven“, so Schmidt zur taz.
       
       12 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
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