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       # taz.de -- Urteil im NSU-Prozess für André Eminger: Die Neonazi-Szene hat ihren Helden
       
       > Das milde Urteil im NSU-Prozess für Eminger, engster Unterstützer der
       > Rechtsterroristen, stößt auf Empörung. Die rechte Szene feiert.
       
   IMG Bild: André Eminger im Mai 2018 im Gerichtssaal in München
       
       München taz | Es schien, als könne André Eminger sein Glück nicht fassen.
       Reihum hatte Richter Manfred Götzl am Mittwoch das [1][Strafmaß] der fünf
       Angeklagten im NSU-Prozess verkündet. Dann kam der 38-Jährige an die Reihe:
       zweieinhalb Jahre Haft, gibt ihm Götzl. Die geringste Strafe. Auf der
       Empore brachen eigens angereiste Neonazis in Jubel aus, klatschten. Götzl
       mahnte sie zur Ruhe, raus schmiss er sie nicht. Eminger aber drückte nur
       fest die Hand seiner Frau Susann, die neben ihm Platz nehmen durfte. Mit
       dieser Milde hatte er wohl selbst nicht gerechnet.
       
       Das Strafmaß für Eminger war die große Überraschung der Urteilsverkündung
       im NSU-Prozess am Mittwoch. Und sie hallt nach. Denn [2][Eminger war die
       engste Bezugsperson] des abgetauchten Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und
       Beate Zschäpe. Er half ihnen bis zum Schluss im November 2011. Die
       Bundesanwaltschaft hatte für Eminger denn auch zwölf Jahre Haft gefordert –
       und ihn im September wegen Fluchtgefahr in U-Haft nehmen lassen. Und nun
       das: zweieinhalb Jahre. Mehr nicht. Und am Ende des Prozesstags hob Richter
       Götzl auch den Haftbefehl von Eminger auf. Der verließ das Gericht als
       vorerst freier Mann.
       
       „Wir sind nicht nur enttäuscht, sondern auch wütend über das Urteil“,
       erklärten noch am Mittwochabend 22 Anwälte von Angehörigen der NSU-Opfer.
       Die geringe Strafe für Eminger sei für die Hinterbliebenen „unerträglich“.
       Der NSU-Helfer habe im gesamten Prozess keinen Hehl aus seiner
       rechtsextremen Haltung gemacht. Die Strafe könne dieser nun „als
       Bestätigung seines Auftretens auffassen“.
       
       Auch auf den [3][Demonstrationen] zum Ende des Prozesses, die am Abend
       bundesweit stattfanden und weitere Aufklärung im NSU-Komplex einforderten,
       wurde scharfe Kritik laut. Die Strafe für André Eminger sei eine
       Verharmlosung des Rechtsterrorismus, ein „Fanal“, sagte eine Rednerin in
       München.
       
       ## Eminger schwieg bis zum Schluss
       
       Tatsächlich hatte ihn der Generalbundesanwalt noch angeklagt, weil er dem
       Trio logistische Hilfe geleistet hatte, in dem er etwa Wohnmobile und
       Wohnungen angemietet hatte.
       
       2007 rettet Eminger Zschäpe vor einer zufälligen Entdeckung. In Zwickau
       stand im Januar des Jahres ein Polizist vor der Tür. Es ging um einen
       Wasserschaden und einen Diebstahl im Wohnhaus. Zschäpe öffnet und stellt
       sich als „Susann Eminger“ vor. Zur Anhörung auf das Polizeirevier begleitet
       sie André Eminger. Sie gaben sich als Ehepaar aus, im Haus seien sie nur zu
       Besuch gewesen. Der Beamte schöpft keinen Verdacht.
       
       Ganz am Ende, nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt half er Zschäpe zu
       fliehen. War er der vierte Mann im NSU? Stand womöglich „die vierte
       Paulchen Panther Figur im Video für Sie, Herr Eminger?“, fragte ihn der
       Oberstaatsanwalt [4][in seinem Plädoyer vor knapp einem Jahr]. Gemeint war
       das NSU-Bekennervideo das Zschäpe nach dem Tod der Uwes verschickt hatte.
       
       Eminger schwieg zu alledem bis zum Schluss, als einziger der Angeklagten.
       Aus seiner Gesinnung aber machte er keinen Hehl. Von oben bis unten mit
       Nazi-Tattos übersät, erschien er im Prozess mal mit Pullover mit
       Sturmgewehr, mal mit „Brüder schweigen“. Nach dem Prozesstag zog es ihn zu
       einem Pegida-Aufzug in München oder er besuchte ein rechtsextremes
       Großkonzert im thüringischen Themar.
       
       ## Szene unterstützte Eminger während des Prozesses
       
       Der Strafsenat aber sah die Anklagevorwürfe gegen Eminger als nicht
       ausreichend nachgewiesen an. Im Verfahren blieb offen inwieweit Eminger
       wissentlich involviert war in die Planungen und Durchführungen der Morde
       und Bombenanschläge. Die Anmietung von Wohnmobile die Mundlos und Bönhardt
       bei Banküberfällen nutzten, konnte ihm vorgehalten werden. Unstrittig ist
       auch, dass er jenes Fahrzeug anmietete, das die beiden nutzten, um eine
       Bombe in einem Kölner Laden zu deponieren. Unklar, so Götzl, blieb jedoch
       ob Eminger wusste, was das Trio genau geplant hat.
       
       Deshalb wurde Eminger am Ende nur für minderschwere Hilfeleistungen
       verurteilt und nicht etwa für Waffenübergaben, wie andere Angeklagte.
       
       Die rechtsextreme Szene aber hat jetzt ihren Helden. Über den Prozess
       hinweg hatte sie Eminger unterstützt, genauso wie den früheren
       NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. „Freiheit für Wolle und André“, posteten
       mehrere Szene-Webseiten noch kurz vor dem Urteil, auch der NPD-Chef von NRW
       stimmte in die Forderung ein. Nun dürfte die Szene feiern.
       
       12 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
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