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       # taz.de -- Weltmeisterin Bresonik über Fußball: „Frauen als schmückendes Beiwerk“
       
       > Weltmeisterin Linda Bresonik bemängelt, das der Fußball noch immer viel
       > zu männerdominiert ist. Und sie ärgert sich darüber, wer sich in
       > Talkshows äußern darf.
       
   IMG Bild: Kreml-Hüpferin im Auftrag der ARD: Palina Rojinski
       
       Frau Bresonik, die WM 2018 ist vorbei – was bleibt hängen? 
       
       Linda Bresonik: Für mich, dass die Deutschen so sang- und klanglos
       ausgeschieden sind. Ihr Auftreten hat mich erschrocken und enttäuscht. Es
       hat an allem gefehlt: an Einsatz, an Kampf, an Wille. Keine Mannschaft hat
       mit so wenig Einsatz gespielt wie die Deutschen.
       
       Hat das Erdoğan-Foto mit Özil und Gündoğan zu viel Stress ins Team
       gebracht? 
       
       Mit Sicherheit. Es hat mich verwundert, dass der DFB da nicht
       durchgegriffen hat. Er hätte es nicht zulassen dürfen, dass Özil der
       Einzige war, der nicht zu diesem Medientag erschienen ist und nicht
       Stellung zum Vorfall bezogen hat. Was Bierhoff im Nachhinein über Özil
       gesagt hat, ist einfach nur schwach. Nachtreten kann man immer, wenn etwas
       falsch gelaufen ist. Bevor das Turnier startete, da hätte der DFB
       durchgreifen müssen.
       
       Hätte sich der Verband genau so verhalten, wenn es um Frauen gegangen wäre? 
       
       Das kann ich nicht beurteilen, aber zu meiner Zeit hat der DFB immer
       konsequent durchgegriffen, wenn etwas in der Öffentlichkeit herumwaberte.
       
       Sind Fußballerinnen politischer als die Männer? 
       
       Definitiv. Wenn wir früher bei Frühstück oder Mittagessen zusammen saßen,
       wurde über diverse Themen geredet. Wir haben fast alle nebenher studiert,
       haben gearbeitet. Allein dadurch weiß ich, dass viele Spielerinnen sich für
       Politik interessiert haben.
       
       Sie sind Weltmeisterin von 2003 und 2007 – und heute Mitarbeiterin im
       Gleichstellungsbüro der Stadt Düsseldorf. Gibt es im Fußball so etwas wie
       die Gleichstellung von Frauen und Männern? 
       
       Es ist die gleiche Sportart, wir sollten also entsprechend alle gleich
       behandeln. Aber meine Erfahrung sagt mir das Gegenteil. Es ist ein komplett
       anderes Geschäft. Es gibt ein riesengroßes Ungleichgewicht, von
       Gleichstellung sind wir meilenweit entfernt.
       
       Liegt das am Geld? 
       
       Auch. Fußball ist ein wahnsinniges Business geworden: Social Media, die
       ganzen Werbeauftritte. Wer kriegt Nivea, wer Rewe? Für mich wirkt es oft,
       als sei das alles wichtiger.
       
       Dennoch wird Frauen beim Fußballerischen weniger Expertise zugetraut. Warum
       ist das immer noch so extrem? 
       
       Fußball ist die Sportart Nr. 1 in Deutschland – und absolut
       männerdominiert. Es geht symbolisch gesehen um Kraft, Stärke und Härte.
       Dieses Bild verbindet die Gesellschaft eher mit Männern als mit Frauen.
       
       Auch bei den TV-Expertenrunden fielen Frauen vor allem durch Abwesenheit
       auf. Sie dürfen mit Philipp Lahm am Tegernsee sitzen oder mit einem Mikro
       über den Roten Platz hüpfen, aber selten ein Spiel analysieren – warum? 
       
       Frauen sind bedauerlicherweise in vielen Bereichen nur „schmückendes
       Beiwerk“. Sehen Sie sich an, wer die Gäste in den Logen bedient: Frauen in
       kurzen Röcken. Im Männerfußball ist die weibliche Expertise leider nicht
       gefragt.
       
       Männer müssen sich dagegen kaum anstrengen, um gehört zu werden. 
       
       So wie zum Beispiel Mario Basler. Er hat in seinem Fußballerleben einfach
       nicht sonderlich viel erreicht. Trotzdem wird er in zig Talkshows
       eingeladen – klar, weil er Dinge sagt, über die sich dann alle aufregen
       können, aber eben auch, weil ihm automatisch Expertise zugeschrieben wird.
       Als Frau musst du ein paar Mal Weltmeisterin werden, um wahrgenommen zu
       werden.
       
       Die einstige deutsche Nationalstürmerin Célia Šašić saß mit Mario Basler in
       der Runde bei der ARD-Sendung „Hart aber fair“, erntete aber prompt Kritik
       für diesen Auftritt. 
       
       Das kommt dann dazu: Wenn eine Frau als Expertin auftritt, werden absurde
       Maßstäbe an sie angesetzt.
       
       Wie bei der ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann … 
       
       Von ihrer Kompetenz könnten sich einige männliche Kollegen wirklich eine
       Scheibe abschneiden. Ein Mann mit ihrer Erfahrung und ihrer Sachkenntnis
       hätte aber eben auch nicht mit Mitte 50 sein erstes WM-Spiel kommentiert.
       
       Was muss passieren? 
       
       Alles steht und fällt mit der Förderung. Solange die bei den Männern so
       viel stärker betrieben wird, führen wir in 20 Jahren immer noch die
       gleichen Gespräche. Alle Frauen, die in der Bundesliga spielen, müssten die
       Möglichkeit haben, das als Vollprofis zu tun. Wer nicht gerade bei
       Wolfsburg oder Bayern München spielt, geht aber heute nebenher noch
       arbeiten. Wenn die Spielerinnen sich voll und ganz auf den Fußball
       konzentrieren könnten, würde auch die Qualität besser. Und dann müsste auch
       die Bezahlung angeglichen werden.
       
       20 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Voß
       
       ## TAGS
       
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