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       # taz.de -- Abschiebung von Sami A.: Anwälte werfen Bamf Täuschung vor
       
       > Die Kritik am Verhalten des Bundesamtes für Migration im Fall Sami A.
       > wächst. Gerichte beklagen „grundsätzliche Probleme“ mit dem Amt.
       
   IMG Bild: Prominenter Fall: Vom Flughafen Düsseldorf aus wurde Sami A. nach Tunesien abgeschoben
       
       KÖLN taz | Der Konflikt um die Abschiebung des mutmaßlichen Leibwächters
       des Top-Terroristen Osama Bin Laden, Sami A., sorgt weiter für Unruhe. Die
       Situation ist so verworren, dass ein seit Längerem für diesen Dienstag
       geplantes Arbeitstreffen zwischen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
       und NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) kurzfristig abgesagt
       wurde. Erst nach der Sommerpause wollen sei wieder miteinander reden.
       
       Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte Sami A. trotz
       einer bevorstehenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen
       kurzfristig in seine Heimat Tunesien abschieben lassen, wo ihm unter
       Umständen Folter droht. Es hatte das Gericht nicht über den Termin
       informiert. Das Bamf hätte keine unumkehrbaren Fakten schaffen dürfen,
       erklärte Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV):
       „Das Bamf ist wie jede andere Behörde verpflichtet, das Gericht umfassend
       und vollständig zu unterrichten. Hiergegen hat es ganz offensichtlich
       verstoßen.“ Schellenberg wirft der Behörde vor, das Gericht getäuscht zu
       haben.
       
       Am kommenden Freitag wird auf Antrag von SPD und Grünen im NRW-Landtag eine
       Sondersitzung des Rechtsausschusses zum Fall Sami A. stattfinden. „Die
       Vorwürfe des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen gegenüber den beteiligten
       Behörden wiegen schwer“, teilte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Monika
       Düker mit: „Daher ist eine Aufklärung des Sachverhalts dringend geboten.“
       
       Über den prominenten Einzelfall hinaus verdichtet sich die Kritik am Bamf
       von Seiten der Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen. So würden trotz
       gerichtlicher Aufforderung meist keine Prozessvertreter zu Verhandlungen
       entsandt: „Ich habe seit 25 Jahren niemanden mehr vom Bamf in unseren
       Sitzungen gesehen“, erklärte Rita Zimmermann-Rohde vom Kölner
       Verwaltungsgericht gegenüber der taz: „Selbst kleinste Gemeinden kommen
       unseren entsprechenden Aufforderungen nach.“ Durch die Verweigerungshaltung
       des Bamf könnten einfache Sachverhalte meist nicht zügig erörtert oder
       entschieden werden.
       
       ## „Wir saufen ab“
       
       „Wir haben grundsätzlich Probleme, das Bamf überhaupt zu erreichen“,
       erläuterte auch die Präsidentin des Kölner Verwaltungsgerichts, Birgit
       Herkelmann-Mrowka. Die Prozessabteilung bei der Migrationsbehörde sei
       deutlich unterbesetzt: „Da sind viel zu wenige Menschen für viel zu viele
       Fälle.“ Die Folge sei neben der Verzögerung der Prozesse eine Überlastung
       des Personals in der Justiz, so die Gerichtspräsidentin: „Wir saufen in
       Fällen rund um Asylentscheidungen ab.“ Ähnlich hatten sich zuvor bereits
       Vertreter des Verwaltungsgerichts in Düsseldorf geäußert. Das Bamf wollte
       sich auf Anfrage der taz zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern.
       
       Das Kommunikationsdefizit zwischen dem Bundesamt und den
       nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten führt nach Angaben von
       PraktikerInnen dazu, dass zuweilen Kraft in Fälle investiert wird, die
       längst entschieden sind. Auf behördlichem Wege werde man oft gar nicht
       informiert, wenn Kläger bereits abgeschoben wurden, erläutert Birgit
       Herkelmann-Mrowka. Im Rahmen der Prozesse müsse man dann selbst aufwändige
       Recherchen anstellen. Für einen anderen Aspekt nähmen sich die Mitarbeiter
       im Bamf aber offenbar gerne Zeit: Berechtigte Kostenrechnungen des Kölner
       Verwaltungsgerichts würden von der Behörde häufig juristisch angegriffen.
       
       Derweil nimmt die Kritik an Seehofer und Stamp kein Ende: FDP-Fraktionsvize
       Wolfgang Kubicki etwa sagte im RBB: „Ich kann mir schwer vorstellen, dass
       das Vertrauensverhältnis zwischen Justiz und Innenministerium auf dieser
       Grundlage fortgesetzt werden kann.“
       
       17 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Überall
       
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