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       # taz.de -- Vereinbarung mit Fischerei-Verbänden: Mehr Schutz für Schweinswale
       
       > Mit neuen Warngeräten sollen Fischer in Schleswig-Holstein Schweinswale
       > von ihren Netzen fernhalten. Meeresschützer befürchten weiträumige
       > Vergrämung.
       
   IMG Bild: Schweinswale sind scheu, selten und gefährdet
       
       HAMBURG taz | Deutschlands einzige Walart soll besser geschützt werden. Das
       hat Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch
       mit dem Landesfischereiverband und dem Fischereischutzverband des Landes
       vereinbart. Danach sollen Fischernetze künftig mit neuartigen Warngeräten
       ausgerüstet werden. Die PAL (Porpoise Alert) imitieren die Warnlaute der
       Kleinen Tümmler und sollen sie so von den Netzen fernhalten. Der Begriff
       stammt von „Harbour Porpoise“, dem englischen Wort für Schweinswal.
       
       Der Schutz des Schweinswals funktioniere nur, „wenn die Fischer mitmachen“,
       sagte Habeck bei der Unterzeichnung der Vereinbarung in Eckernförde. Das
       dortige Ostsee Info-Center soll die Einhaltung der Vereinbarung
       kontrollieren. 80 Prozent der Stellnetzfischer hätten sich bereits
       verpflichtet, zum Schutz der Schweinswale ihre Stellnetzlängen zu
       reduzieren, PALs einzusetzen und sich am Monitoring zu beteiligen“, sagte
       Habeck: „Das zeigt, dass die Vereinbarung in der Fischerei akzeptiert wird.
       Und das ist entscheidend.“
       
       Die neuartige Technik PAL, entwickelt vom Kieler Meeresforscher Boris
       Culik, wird in einem Großversuch in der Ostsee bereits seit April 2017
       verwendet und soll in einem begleitenden Monitoring weiter erforscht
       werden. Das Land stellt den Fischern 1.550 Geräte kostenfrei zur Verfügung.
       Mehr als 300 Kilometer Netze wurden bereits damit bestückt. Schon in zwei
       kleinflächigen Tests 2014 und 2016 war der Beifang von Schweinswalen um
       etwa 70 Prozent reduziert worden.
       
       Die Höhe der Dunkelziffer wird seit Jahren von Meeresschützern bezweifelt.
       2017 haben Fischer nach Angaben der Hamburger Umweltstiftung WWF zwei tote
       Schweinswale aus ihren Netzen gepult und im Hafen abgeliefert, 2016 seien
       es zehn gewesen. Die Höhe der tatsächlichen Verringerung sei vollkommen
       unklar. Wissenschaftliche Berechnungen gehen von etwa 120 Schweinswalen
       aus, die Jahr für Jahr allein in der Ostsee in Stellnetzen ertrinken.
       
       Nach Angaben der Bundesregierung von 2016 wurden an den deutschen Küsten
       von Nord- und Ostsee seit 2004 jedoch mehr als 3.000 tote Schweinswale
       angeschwemmt. Schätzungsweise 60 Prozent davon, das lassen pathologische
       Untersuchungen vermuten, waren in Netzen verendet.
       
       Dabei ist Flippers kleiner Vetter zumindest in der östlichen Ostsee vom
       Aussterben bedroht. Nach Angaben der Bundesregierung vom März liegt „die
       eigenständige Population auf dem extrem niedrigen Niveau von weniger als
       500 Tieren“.
       
       In der westlichen Ostsee zwischen Rügen und dem Kattegat wird die
       Population mit etwa 18.500 Schweinswalen angegeben, in der Nordsee vom
       Ärmelkanal bis zum Nordkap mit mehr als 200.000 Exemplaren. Zehn Jahre
       zuvor hätten dort allerdings noch mehr als 300.000 Schweinswale gelebt,
       teilte die Bundesregierung mit.
       
       Umweltschützer fordern deshalb seit Langem, zumindest in den
       Meeresschutzgebieten ein wirksames Fischereimanagement einzuführen, um die
       Fischbestände zu schonen und Beifänge von Meeressäugern wie Walen,
       Seehunden und Kegelrobben sowie von Seevögeln zu vermeiden. Denn lediglich
       in 0,3 Prozent der deutschen Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee „darf
       keinerlei Fischerei stattfinden“, so die Auskunft der Bundesregierung.
       
       Der WWF ist denn auch weiterhin skeptisch über den Sinn der jetzt
       getroffenen Vereinbarung. „Wir vermissen die wissenschaftliche Begleitung
       des Feldversuchs und der PAL-Anwendungen“, kritisiert WWF-Sprecherin Britta
       König. Natürlich sei es erfreulich, wenn die Beifangzahlen sinken. Es müsse
       aber ausgeschlossen sein, dass PALs die Schweinswale aus ihren
       Schutzgebieten vertreiben. „Im Schutzgebiet sollte es auch fischereifreie
       Zonen geben, wo Schweinswale ungestört sind.“ Die Artenschützer befürchten,
       dass die Warnlaute die kleinen Delfine weiträumig vergrämen.
       
       Eher das Gegenteil befürchtet Michael Dähne, Kurator für Meeressäuger am
       Deutschen Meeresmuseum in Stralsund. Zunächst würden PALs die Schweinswale
       sehr wahrscheinlich auf Abstand halten, allerdings könne eine Gewöhnung
       eintreten. „Es ist nicht auszuschließen, dass es in einigen Jahren zu einem
       Dinnerbell-Effekt kommt“, sagt Dähne: Wenn die Tischglocke läute, wüssten
       Schweinswale, wo leichte Beute im Netz zappelt – mit der Gefahr, sich
       selbst in den Maschen zu verheddern.
       
       Deshalb sei „ein mehrjähriges und sehr präzises Monitoring unerlässlich“,
       sagt Dähne, auch müsse es über die Beifänge verlässliche Zahlen geben. Nur
       dann könnten die PALs eine positive Maßnahme sein. Denn über den
       Ostsee-Schweinswalen schwebe unverändert „das Damokles-Schwert“ des
       Artentodes.
       
       19 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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