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       # taz.de -- Berliner Szenen: Wenn die vorne zu schnell sind
       
       > Eine Radtour übers Land kann schön sein. Außer, man gerät in eine
       > ungünstige soziale Situation. Die muss dann besprochen werden.
       
   IMG Bild: Auf dem Land ist alles ruhig. Auf der Rückfahrt nicht mehr
       
       Der Tag hatte am Ruppiner See begonnen. Zum Frühstück gab es Kaffee mit
       Milch, aufgetoastetes Baguette, selbstgemachte Marmelade und ein nur
       minimal zu hart gekochtes Ei.
       
       Mittags muss ich zeitig aufbrechen. Mein Rad trägt mich Richtung
       Hennigsdorf, vorbei an Kühen, Störchen und Kranichen. Im Kremmener Luch bin
       ich ganz allein, der Betonplattenweg verträgt sich nicht gut mit den
       Rennradreifen, aber das macht nichts. Die letzten 20 Kilometer dann auf
       Asphalt, immer die Landstraße entlang.
       
       In Hennigsdorf wartet die S-Bahn schon. Wir sitzen zu viert im
       Fahrradbereich, mir gegenüber zwei Frauen mittleren Alters, laut reden sie
       miteinander. Sie waren unterwegs mit einer organisierten Radtour, es gab
       ein Problem mit der Gruppendynamik: ein spezifischer Mann, eventuell der
       Tourleiter, ist zu schnell vorneweg gefahren, vielleicht auch die gesamte
       Gruppe.
       
       Die nächste halbe Stunde kommen sie immer wieder auf diesen Sachverhalt
       zurück. Waren nicht 13 Stundenkilometer vereinbart? Man hätte den Mann
       darauf hinweisen sollen, wenn er zu schnell wird, aber wie denn, wenn er
       schon weg ist? Wirklich abgehängt habe sie sich gefühlt, sagt die eine.
       
       Auch wie sie dem Mann das Problem mitteilen, wird verhandelt. Irgendwie auf
       Facebook, aber nicht auf der Pinnwand, irgendwie direkter. Bornholmer
       Straße steigt die eine aus. Erst jetzt verstehe ich: Der Mann auf meiner
       Seite des Waggons gehört auch zu der Radtourguppe. Er hatte die gesamte
       Zeit nicht ein Wort gesagt. Jetzt wird er von der verbleibenden Frau
       angesprochen. Er spricht so leise und vernuschelt, dass ich ahne, warum er
       bisher still blieb.
       
       Die Frau redet weiter mit ihm. Umständlich wechselt er mit seinem Rad die
       Waggonseite. Aber da muss ich auch schon raus.
       
       30 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Brake
       
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