# taz.de -- Kolumne Macht: Der Teufelskreis
> Je provokanter sich US-Präsident Donald Trump verhält, desto schwieriger
> wird die Lage für das Establishment. Seine Anhänger sehen sich bestätigt.
IMG Bild: „Donald, halt die Klappe. Geh spielen“, kann ihm leider niemand sagen
Ein Geheimdienstchef, der vor laufender Kamera [1][in haltloses Gelächter
ausbricht], als er von den neuesten Plänen seines Staatsoberhauptes
erfährt: Das hat es auf der ganzen Welt noch nicht gegeben. Aber Donald
Trump macht alles möglich. Seine Einladung an den russischen Präsidenten
Putin hat den US-Geheimdienstdirektor Dan Coats so verblüfft, dass er die
Fassung verlor und der Öffentlichkeit einen ungewöhnlich tiefen Einblick in
seine Gefühlslage gewährte.
Der Unterhaltungswert des US-Präsidenten ist hoch. Seine schärfsten
Kritiker und seine glühendsten Verehrer lachen immer wieder über ihn,
herzlich. Das Problem ist nur: Sie lachen nicht über dieselben Dinge.
Donald Trump führt das gesamte politische Establishment am Nasenring durch
die Manege – und die Betroffenen haben keine Möglichkeit, sich dagegen zu
wehren. Denn der Mann ist gewählter Präsident, und wer die Demokratie und
ihre Institutionen ernst nimmt, muss auch ihn ernst nehmen. Es gibt
niemandem, der zu ihm sagen kann: „Donald, halt die Klappe, geh spielen“,
wie widersprüchlich, irrational und bockig er sich auch verhalten mag.
So wird denn jede Kehrtwende, jede noch so abstruse Äußerung seriös
analysiert, auch wenn alle Beteiligten wissen, dass sie am nächsten Tag
längst überholt sein kann. Das politische System führt sich damit selbst ad
absurdum und bestätigt ausgerechnet jene, die ihm zutiefst misstrauen.
Die haben ja schon immer geglaubt, dass in Washington nur absurdes Theater
gespielt wird. Je provokanter Donald Trump sich verhält, desto schwieriger
wird die Lage für das Establishment – und desto amüsanter wird sie für
diejenigen unter seinen Anhängern, die ihn gerade um der Provokation willen
gewählt haben. Ein Teufelskreis.
## Hass auf die politische Klasse
Erschütternd am bisherigen Verlauf der Amtszeit des US-Präsidenten ist die
Erkenntnis, wie tief die Abneigung, sogar der Hass auf die politische
Klasse in weiten Teilen der Bevölkerung ist – und dass dies so lange
niemandem aufgefallen ist. Ausgerechnet in den Vereinigten Staaten, die den
Stolz auf ihre Verfassung und ihr System mit einer oft schwer erträglichen
Selbstzufriedenheit zur Schau stellen, droht der Demokratie und ihren
Institutionen nun eine ernsthafte Gefahr von innen.
Mittelfristig ist das eine der zentralen Fragen im Hinblick auf die
Zukunft, nicht nur in den USA, sondern auch in anderen westlichen Staaten:
Wie tragfähig ist das System – und wie viel Porzellan können Einzelne
zerschlagen? Übrigens bedeutet natürlich nicht jede reaktionäre oder dumme
Entscheidung einen Angriff auf das System. Aber wenn tragende Säulen wie
Gewaltenteilung, Bündnistreue, Pressefreiheit oder der Schutz von
Minderheiten von einem Regierungschef nicht mehr respektiert werden, dann
ist Gefahr im Verzug.
Abwehren lässt die sich nur mit Beharren auf jenen Grundsätzen, die über
alle Meinungsverschiedenheiten hinweg als nicht verhandelbar gelten. Das
bedeutet konkret: Wenn der US-Präsident sich als unfähig erweist, sein Amt
auszuüben – und was soll dafür eigentlich noch passieren? –, müssen die
Republikaner sich selbst dann gegen ihn stellen, wenn es ihren
Parteiinteressen schadet.
Aber das ist nur die halbe Miete. Solange nicht alle gemeinsam darum
kämpfen, verlorenes Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, sieht es
düster aus. Die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte, muss
selbstkritisch erörtert werden. Auch und gerade von den US-Demokraten. Sie
haben damit bisher noch nicht einmal angefangen, leider.
21 Jul 2018
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## AUTOREN
DIR Bettina Gaus
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