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       # taz.de -- Wahl in Simbabwe: Neuanfang mit Respekt für Gegner
       
       > Zum ersten Mal hat Simbabwe einen Wahlkampf fast ohne Gewalt erlebt.
       > Heute findet die erste Wahl ohne Robert Mugabe statt.
       
   IMG Bild: Ein historischer Tag für Simbabwe: vor einem Wahllokal in Harare, 30. Juli
       
       Harare taz | Es sind die ersten Wahlen in Simbabwe seit dem Ende der
       Herrschaft von Robert Mugabe, und alle rechnen mit einem knappen Ergebnis.
       Um unter dem neuen Präsidenten Emmerson Mnangagwa zu gewinnen, setzt die
       Zimbabwe African National Union – Patriotic Front (Zanu-PF), die das Land
       seit der Unabhängigkeit 1980 mit eiserner Faust regiert, auf zwei
       Innovationen: jüngere Kandidaten – und Respekt für politische Gegner.
       
       Gewählte Kandidaten, der Staatschef eingeschlossen, sollen jetzt nicht mehr
       als zwei fünfjährige Amtszeiten auf ihren Posten bleiben, heißt es. Das ist
       eine Revolution im Vergleich zur Zeit Mugabes, der Zanu-PF 42 Jahre lang
       angeführt hatte. Die meisten amtierenden Parlamentsabgeordnete der Partei
       sind über 60 Jahre alt – bei einem Durchschnittsalter der Simbabwer von 19
       Jahren. Bei den Wahlen am 30. Juli schickt die Partei nun vor allem
       Politiker unter 45 ins Rennen.
       
       Die personelle Erneuerung dient auch dazu, den Teil der Partei, der einst
       Mugabes Ehefrau Grace Mugabe als nächste Präsidentin wollte, zu
       marginalisieren. Man müsse „totes Holz“ entfernen, erklärte der zuständige
       Politikkommissar von Zanu-PF, der frühere Generalleutnant Engelbert Rugeje,
       auf einem Treffen der Parteispitze.
       
       Mit neuem Personal will die einstige Befreiungsbewegung auch ihr Image von
       Gewalt und Brutalität überwinden. „Wenn man sich den Wahlkampf anguckt,
       gibt es keine Kultur von Gewalt, Einschüchterung und Zwangsteilnahme an
       Wahlveranstaltungen mehr“, sagt der einflussreiche Zanu-PF-Aktivist
       Kudakwasha Macharaga. „Noch wichtiger: Wir sehen Oppositionsaktivisten
       nicht mehr als Verräter an. Das ist gut für die Demokratie und es wird dazu
       führen, dass die Mehrheitsbevölkerung Zanu-PF über Jahre hinaus lieben
       wird.“
       
       Macharaga ist einer der schwarzen Agrarunternehmer, der von Mugabes
       kontroverser Landenteignungspolitik ab dem Jahr 2000 profitierte, als rund
       4.000 weiße Farmer im Besitz von fast 70 Prozent des kultivierbaren Landes
       aus Simbabwe verjagt wurden und die Wirtschaft zusammenbrach.
       
       Er hofft nun, dass Millionen schwarzer Jugendlicher, die damals zur
       Opposition und ihren Versprechen von Demokratie und Rechtstaatlichkeit
       strömten, jetzt wieder zur ehemaligen Befreiungsbewegung zurückfinden.
       
       Dass der neue liberalere Stil der Regierungspartei aus Eigeninteresse
       erfolgt, um an der Macht zu bleiben, ist klar – aber es sei dennoch
       bemerkenswert, sagt auch Merjury Chatikobo, eine Händlerin an der
       weltgrößten Tabakbörse in Simbabwes Hauptstadt Harare. „Unter dem früheren
       Präsidenten (Mugabe) konntest du verschwinden, wenn du auch nur sein Alter
       erwähntest“, sagt sie.
       
       Heute könnten die Menschen den Präsidenten kritisieren, ohne Angst vor
       einer Verhaftung haben zu müssen. „Diese positiven Veränderungen gehören
       nicht zur DNA der Partei“, meint die Tabakhändlerin. „Zwar wird die neue
       Politik vor allem von den alten Veteranen des Befreiungskrieges geführt,
       aber wir loben sie dafür, dass sie in sich gehen und Selbstkritik üben. Es
       gibt keine Gewalt mehr im Wahlkampf.“
       
       ## „Zusammen lachen und trinken“
       
       Oppositionsaktivisten bestätigen die freiere Stimmung. „Unter Mugabe gab es
       nie eine Wahl, wo Aktivisten der Opposition und der Regierung zusammen
       Witze machen, lachen und trinken konnten“, sagt Arnold Mukwazhe, Aktivist
       der oppositionellen Movement for Democratic Change (MDC) in Harare. „Dies
       ist ein Neuanfang.“
       
       In der Vergangenheit wurde die MDC, hervorgegangen aus Simbabwes
       Gewerkschaftsbewegung, von der Zanu-PF als Marionette der Weißen
       verunglimpft und mehrfach um den Wahlsieg betrogen. Jetzt liegt in Umfragen
       MDC-Chef Nelson Chamisa, 40, nur wenige Punkte hinter Präsident Mnangagwa,
       75, aber beide Parteien haben sich zu Beginn des Wahlkampfs zu einem fairen
       und gewaltfreien Wahlkampf bekannt und halten diesen Wahlkampfkodex auch
       ein.
       
       „Als das Militär im November 2017 die Massenproteste gegen Mugabe
       unterstützte, dachte ich nie, dass das Land einen so friedlichen Wahlkampf
       erleben würde“, sagt ein anderer MDC-Aktivist in Harare. MDC-Funktionärin
       Precious Muchemwa stimmt zu: „Ich finde es toll“, sagt sie. „Der Präsident
       (Mnangagwa) hält seine Versprechen. Wer auch immer die Wahl am 30. Juli
       gewinnt, muss auf dieser Grundlage aufbauen.“
       
       ## Nicht so toll: „Kakerlaken“ zertreten
       
       Zwar forderte ein [1][Anschlag auf ein Wahlkampfveranstaltung von Präsident
       Mnangagwa] am 23. Juni zwei Tote – der Präsident machte Anhänger seines
       gestürzten Vorgängers Robert Mugabe verantwortlich. Aber Befürchtungen, das
       sei der Auftakt zu einem Wahlkampf voller Gewalt, bewahrheiteten sich
       nicht.
       
       In der Schlussphase des Wahlkampfs allerdings mehren sich Bedenken. Das
       unabhängige Zimbabwe Peace Project hat im Juli 71 Brüche des Wahlkampfkodex
       registriert. Dazu gehört etwa ein MDC-Aktivist, der Zanu-Mitglieder als
       „Kakerlaken“ bezeichnete, die man am 30. Juli zertreten müsse – eine
       Sprache wie die des Völkermordes in Ruanda.
       
       Probleme gibt es auch innerhalb der Zanu-PF, denn die [2][Machtkämpfe
       zwischen der Mnangagwa-Fraktion und der Mugabe-Fraktion] sind noch nicht
       überwunden. Im Wahlkreis Norton starb ein Mitarbeiter eines unabhängigen
       Gegenkandidaten gegen Zanu-Kandidat Christopher Mutsvangwa, ein Vertrauter
       des Präsidenten, bei einem Autounfall, den seine Familie nicht für einen
       Unfall hält.
       
       Nach Berichten von Menschenrechtsgruppen haben in Chitungwiza rund 100
       Aktivisten der Zanu/PF-Jugend Häuser geplündert und Autos beschädigt, weil
       dort Wahlplakate des Oppositionsführers Chamisa hingen. Wachschützer
       Chamisas sollen ihrerseits einen 76-jährigen Aktivisten einer
       MDC-Splitterfraktion angegriffen und mit Pfefferspray die Augen verletzt
       haben.
       
       Und aus Misstrauen gegen die Wahlkommission drohte vergangene Woche die
       MDC), die Wahlen „unmöglich“ zu machen. Sie verlangte, dass die
       Wahlkommission einen Testlauf ihrer neuen Wahlzettel organisiert, um
       auszuschließen, dass Kreuze neben einem Kandidaten nicht hinterher einem
       anderen Kandidaten zugeordnet werden können. Einen angedrohten Wahlboykott
       zog die MDC wieder zurück.
       
       Die Regierungspartei Zanu/PF (Simbabwe Afrikanische
       Nationalunion/Patriotische Front) und die Wahlkommission ZEC „stecken unter
       einer Decke, um die Wahlen zu fälschen“, sagte MCC-Führer Chamisa. „Wir
       sollten das nicht zulassen. ZEC führt dieses Land absichtlich in die
       Instabilität.“ Früheren MDC-Forderungen hatte die Kommission stattgegeben –
       zum Beispiel zog sie eine neue Regel zurück, wonach die Wahlzettel unter
       Aufsicht von Wahlhelfern angekreuzt werden müssen, damit die Wähler keine
       Selfies damit machen.
       
       ## „Wir werden das Wahlergebnis anerkennen“
       
       Aber Gewaltvorfälle und Streitereien um das Wahlprozedere sind heute die
       Ausnahme – nicht wie früher die Regel. Vertreter afrikanischer
       Nachbarländer, die ebenfalls von ehemaligen Befreiungsbewegungen regiert
       werden, äußern sich positiv. „Es gibt keine Gewalt und wir freuen uns, dass
       der Vorlauf der Wahl Grund zur Hoffnung bietet“, sagt Namibias
       Botschafterin Balbina Daes Pienaar.
       
       Simbabwes Innenminister Obert Mpofu, zugleich Verwaltungschef der
       Regierungpartei, bekräftigt, dass man jedes Wahlergebnis anerkennen werde,
       auch eine Niederlage – anders als früher. „Es sind Fragen gestellt worden,
       ob Zanu-PF das Wahlergebnis anerkennt, auch wenn es ungünstig ausfällt. Wir
       haben gesagt, dass der Präsident das bestätigt hat. Er hat diese Wahl für
       die Welt geöffnet, und die Welt wird sehen, dass wir dazu stehen.“
       
       30 Jul 2018
       
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