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       # taz.de -- Kolumne Minority Report: Außer es geht um Kartoffeln
       
       > Die „NZZ“ buddelt mal wieder den sogenannten umgekehrten Rassismus aus.
       > Dabei interessiert sie sich gar nicht für politische Korrektheit.
       
   IMG Bild: Es mag den Marc und den Johannes kränken, Kartoffel genannt zu werden. Aber führt es dazu, dass sie strukturell benachteiligt werden?
       
       Vielleicht ist es die deutsche Verlässlichkeit, die dafür sorgt, dass sie
       alle Jahre wiederkehrt: die Kritik am sogenannten umgekehrten Rassismus.
       Diesmal wird er vom Schweizer Qualitätsblatt NZZ angeprangert, das in den
       Worten [1][„Kartoffel“], „Alman“ und „herkunftsdeutsch“ bzw. „biodeutsch“
       eine Diskriminierung von Mitgliedern der deutschen Mehrheitsgesellschaft
       ausmacht (Oxymoron?).
       
       Unter der Überschrift [2][„Rassismus – nein danke! Es sei denn, es geht
       gegen Deutsche“] nennt der Autor und Leiter des NZZ-Berlin-Büros u.a.
       Spiegel-Journalistin Özlem Gezer eine Rassistin, aufgrund der Art und
       Weise, wie sie den Ausdruck „herkunftsdeutsches Kollektiv“ verwendet. Denn:
       „Es unterstellt Menschen aufgrund ihrer Herkunft pauschal negative
       Eigenschaften.“
       
       Hm, interessant. Nun könnte man sich fragen, warum sich ausgerechnet die
       Schweizer für solch eine durch und durch deutsche Debatte interessieren
       sollen. Mag daran liegen, dass die international sehr angesehene NZZ seit
       vergangenem Jahr nach neuen Leser*innen aus Deutschland geiert und dafür
       eigens ein E-Paper und einen Newsletter mit in Deutschland „relevanten“
       Themen kuratiert. NZZ Perspektive soll Deutschland quasi durch einen
       unaufgeregten, neutralen Blick von außen zeigen. In der Praxis heißt das:
       neo-konservativen Quatsch objektivieren.
       
       Dabei ist die Behauptung eines „umgekehrten Rassismus“ ungefähr so sinnvoll
       wie eine Armamputation zu befürchten, weil man sich beim Käsefondue den
       kleinen Finger verbrannt hat. Ich beispielsweise liebe das Wort Kartoffel,
       ich verwende es mit oder ohne Anlass, mal beleidigend, manchmal gar
       anerkennend („du bist pünktlich wie eine Kartoffel!“). Ich bin sogar mit
       Kartoffeln befreundet, ich kaufe bei ihnen ein, im Notfall lasse ich mir
       auch mal die Haare von ihnen schneiden.
       
       Trotzdem mag es den Marc und den Johannes kränken, wenn ich sie Kartoffel
       nenne. Okay. Aber führt es dazu, dass sie strukturell benachteiligt werden?
       Dass die Polizei sie häufiger kontrolliert? Dass sie keine Wohnung
       bekommen? Weniger Karriereperspektiven haben? Dass sie abgeschoben werden?
       Angezündet?
       
       Noch lächerlicher aber ist die Kritik an der Bezeichnung „herkunftsdeutsch“
       – ein Wort, das doch komplementär zu „Menschen mit Migrationshintergrund“
       gilt und von „Herkunftsdeutschen“ selbst erfunden wurde. Warum nun also die
       Aufregung? Wie bei allem im Leben ist es wohl eine Kontextsache. Wenn von
       „Überfremdung“ in Schulklassen gesprochen wird, kann durchaus die Rede von
       „nur zwei Prozent herkunftsdeutschen Kindern“ sein. Wenn Frau Gezer den
       deutschen Mediendiskurs kritisiert, ist „herkunftsdeutsch“ plötzlich eine
       rassistische Zuschreibung.
       
       Mal ehrlich, am Ende geht es immer um das Gleiche: das weiße Subjekt
       markiert tagtäglich die Anderen und schreit auf, sobald es mit dem Horror
       der eigenen Markierung konfrontiert wird – als „weiß“ oder „biodeutsch“
       oder „Alman“. Und letztlich interessiert politische Korrektheit die NZZ so
       sehr wie eine gerechte Asylpolitik. Es sei denn, es geht um Kartoffeln.
       
       22 Jul 2018
       
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