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       # taz.de -- Notrettung durch Frontex im Mittelmeer: Human und effektiv im Einzelfall
       
       > Frontex rettet eine einzelne im Mittelmeer treibende Touristin nach 21
       > Stunden. Wo bleibt diese Kompetenz, wenn Dutzende Geflüchtete sterben?
       
   IMG Bild: Werden bestimmt von Frontex live überwacht: Kinder auf einer Luftmatratze
       
       Am vergangenen Wochenende rettete die EU-Grenzschutzagentur Frontex eine
       Touristin aus dem Mittelmeer, [1][so berichtet es die The Sun]. Die
       russische Ärztin Olga K. war beim Baden auf Kreta wohl durch eine starke
       Strömung ins offene Meer getrieben worden. Eine erste Suchaktion durch die
       örtliche Küstenwache verblieb erfolglos.
       
       Ein slowakisches Flugzeug der Frontex sichtete die Frau am nächsten Morgen
       und alarmierte die griechische Küstenwache. Nachdem Olga K. 21 Stunden auf
       einer Luftmatratze im offenen Mittelmeer getrieben war, wurde sie 16
       Kilometer vor der Küste gerettet. Mit starkem Sonnenbrand, Unterkühlung und
       Herzproblemen kam sie ins Krankenhaus.
       
       Es ist ein Glück, dass Olga K. rechtzeitig gefunden und gerettet werden
       konnte. Doch viele Geflüchtete, die auf dem offenen Meer treiben, teilen
       dieses Glück nicht. So wurde in der Nacht zum Dienstag wieder einmal
       bekannt, dass nach dem Untergang eines weiteren Bootes vor der libyischen
       Küste laut örtlichen Behörden 63 Menschen vermisst werden. Allein in diesem
       Jahr sind mehr als 1.400 Menschen bei dem Versuch nach Europa zu fliehen im
       Mittelmeer ertrunken, so teilte es die Internationale Organisation für
       Migration am Dienstag mit.
       
       Der Fall der geretteten Touristin zeigt noch einmal: Sie können es ja doch.
       Frontex ist in der Lage, Menschen in Seenot zu finden und zu retten. Und
       eigentlich sollte ihnen das künftig noch besser gelingen als zuvor. Denn
       auf dem EU-Gipfel vergangene Woche wurde beschlossen, dass die
       [2][EU-Grenzschutzagentur gestärkt werden soll] – mit mehr finanziellen
       Mitteln, mehr Personal und mehr Befugnissen. Doch diese Aufstockung wird
       nicht genutzt, um Geflüchtete zu retten, sondern um die Grenzen Europas
       abzudichten.
       
       ## Wo war Frontex?
       
       Die Agentur mit Sitz in Warschau ist in den vergangenen Jahren wegen ihrer
       Praktiken immer wieder in die Kritik von Menschenrechtsorganisationen
       geraten. Dazu zählen die sogenannten „Pushbacks“, bei denen Geflüchtete,
       die sich in unmittelbarer Nähe der EU-Außengrenzen befanden, gewaltsam mit
       ihren Booten zurückgedrängt wurden. Das ist nicht nur nach der Genfer
       Flüchtlingskonvention illegal; auch der Europäische Gerichtshof urteilte
       2012 solche Verfahren als menschenrechtswidrig.
       
       Frontex-Chef Fabrice Leggeri hat sich anschließend von „Pushback“-Aktionen
       distanziert. Die Agentur ist dazu verpflichtet, in Seenot geratene Menschen
       zu retten. Doch nach jedem gesunkenen Boot mit Geflüchteten stellt sich die
       Frage: Wo war Frontex?
       
       In Anbetracht des aktuellen Falls lohnt es sich noch einmal, einen Blick in
       die Debatte um den Begriff „Asyltouristen“ zu werfen. Verschiedene Rechte
       hatten ihn immer wieder benutzt, um Geflüchtete damit zu diskreditieren.
       Ein Kampfbegriff, der Flucht als Spaß beschreibt und flüchtenden Menschen
       unterstellt, sie würden freiwillig nach Deutschland kommen. Zuletzt hatte
       ihn Innenminister Horst Seehofer in der ARD-Talkshow „Maischberger“
       benutzt.
       
       Doch nach der Rettung der russischen Touristen wird noch einmal deutlich,
       wie zynisch der Begriff ist. Denn wären Geflüchtete wirklich Touristen,
       hätten sie wohl eine deutlich höhere Chance, von Frontex gerettet zu
       werden.
       
       3 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.thesun.co.uk/news/6660514/dramatic-moment-sunbather-is-rescued-seven-miles-out-at-sea-on-tiny-lilo-after-21hr-ordeal/
   DIR [2] /EU-Gipfel-zur-Fluechtlingspolitik/!5514193
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
       ## TAGS
       
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