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       # taz.de -- Aktivistin über „Aktion Seebrücke“: „Es muss viel mehr Rettung geben“
       
       > Samstag demonstrieren in sieben Städten Menschen für Seenotrettung.
       > Mitorganisatorin Liza Pflaum fordert ein klares Zeichen gegen
       > Abschottung.
       
   IMG Bild: „Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören“: Dafür müsste aber zumindest die „Lifeline“ auslaufen können (Archivbild)
       
       taz: Frau Pflaum, Sie sind Mitinitiatorin der [1][Aktion Seebrücke], die am
       Samstag in mindestens sieben deutschen Städten für Solidarität mit den
       Menschen demonstrieren will, die übers Mittelmeer flüchten. Was genau
       fordern Sie? 
       
       Liza Pflaum: Wir fordern ein Ende der Abschottungspolitik von Deutschland
       und Europa. Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören. Seenotrettung
       darf nicht kriminalisiert werden, weil es das Sterben verhindert – im
       Gegenteil, es muss viel mehr Rettung geben.
       
       Was werfen Sie den Innenministern Horst Seehofer und Matteo Salvini vor? 
       
       Deren rechte Agenda und entmenschlichte Politik. Sie schaffen faktisch das
       Asylrecht ab und hebeln den Rechtsstaat aus. Wir wollen zeigen, dass es in
       Deutschland und Europa sehr, sehr viele Menschen gibt, die das überhaupt
       nicht unterstützen und für diese Art von Politik nicht mitverantwortlich
       sein wollen. Wir wollen etwas ganz anderes: eine offene, solidarische
       Gesellschaft.
       
       Sind Sie mit Städten wie Berlin, Barcelona oder Neapel in Kontakt, [2][die
       sich solidarisch erklärt haben]? 
       
       Ja, zum Beispiel mit Barcelona. Wir wollen, dass sich ein Netzwerk in ganz
       Europa bildet, dass Städte und Regionen sagen, wir sind sichere Häfen,
       hierher können die Menschen kommen, die mit den Schiffen anlanden. Ich bin
       sehr zuversichtlich, dass sich das gut entwickelt.
       
       Wie ist Ihre Aktion entstanden? 
       
       Wir sind erst letzten Mittwoch sehr spontan entstanden. Nachdem die
       Lifeline tagelang nicht anlegen durfte, die Menschen auf ihr in
       Lebensgefahr waren und noch immer fast täglich weiter Menschen auf See
       sterben, haben mehrere Einzelpersonen gesagt, [3][jetzt muss wirklich was
       passieren].
       
       Seitdem sind Sie rasant gewachsen und werden schon von 24 Organisationen
       unterstützt. 
       
       Das war ein schneller, intensiver Prozess. Die Kernidee ist, dass Leute
       sich anschließen, um selbst etwas zu machen. Das funktioniert sehr gut: Uns
       schreiben ständig Leute von überallher an, die auch etwas organisieren
       wollen. Die Struktur soll niedrigschwellig und dezentral bleiben. Es geht
       darum, zu zeigen, dass es solidarische Orte gibt, in denen Menschen sagen:
       Diese Politik unterstützen wir nicht.
       
       Was planen Sie für Samstag – einfach viele Demos? 
       
       Ja, erstmal schon. Wir haben wegen der Rettungswesten die Farbe Orange als
       eines unser Zeichen gewählt und rufen dazu auf, dass die Menschen mit
       orangenen Tüchern oder T-Shirts als Zeichen der Solidarität mit der
       Seenotrettung kommen.
       
       Lehnen Sie sich auch an die Berliner Luftbrücke an? 
       
       Nein, wir wollten eigentlich keinen historischen Bezug. Das Wort Seebrücke
       gibt es ja tatsächlich, es bezeichnet Brücken, die in Gewässer
       hineinreichen und an denen Schiffe festmachen können. Es soll ein Symbol
       sein, wir wollen viele Seebrücken, die überall nach Europa hineinreichen
       und sichere Häfen für Geflüchtete sind.
       
       Es gibt prominente Unterstützer wie Dirk von Lowtzow von Tocotronic, der
       einen Mobi-Song für euch singt. Jan Böhmermann hat mehr als 150.000 Euro
       für die [4][Gerichtskosten des Prozesses gegen den Lifeline-Kapitän
       gesammelt], der seit Montag in Malta vor Gericht steht. Seid ihr auch mit
       ihm in Kontakt? 
       
       Diese Spendekampagne haben sogar Einzelpersonen aus der Seebrücke zusammen
       mit Böhmermann ins Leben gerufen. Wenn es zu Prozessen kommt, wollen wir
       auch da solidarisch sein.
       
       Auch das KünstlerInnen-Kollektiv Peng ist bei euch Mitglied und hat die
       [5][Satire-Seite „Seebrücke des Bundes“] ins Leben gerufen. Darauf wurde
       kürzlich vermeldet, Deutschland nehme bis 2019 freiwillig alle Menschen
       auf, die bis dahin aus dem Mittelmeer gerettet wurden. Ist es sinnvoll,
       Satire und die realen Aktionen unter demselben Namen laufen zu lassen? 
       
       Auch Peng hat die Seebrücke mitgegründet. Anfangs dachten wir einfach, dass
       die Satire Teil der Aktion ist, um Aufmerksamkeit zu erregen und auf
       weiteres wie die Demos zu verweisen. Wir haben jetzt aber schon manchmal
       gehört, dass es ein bisschen verwirrend ist, vielleicht müssen wir das
       nochmal überdenken.
       
       Wie soll es nach Samstag weiter gehen? 
       
       Der Diskurs wurde in den letzten Wochen und Monaten von einer rechten
       Hegemonie bestimmt. Wir wollen mit dieser Bewegung wieder in die Lage
       kommen, eigene Inhalte und Ziele zu setzen und das auch sichtbar zu machen.
       Die Aktion am Samstag wird die erste, aber auf keinen Fall die letzte sein.
       
       5 Jul 2018
       
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   DIR [2] /Rettungsschiff-Lifeline-im-Mittelmeer/!5516521
   DIR [3] /Kommentar-Rettungsschiff-Lifeline/!5512663
   DIR [4] https://www.facebook.com/taz.kommune/photos/a.207013419357734.51100.171844246207985/1868232446569148/?type=3&theater
   DIR [5] https://www.seebruecke-des-bundes.de/
       
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