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       # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Happy Dependence Day!
       
       > Mit Freibier und Feuerwerk feiern die USA und andere ihre Unabhängigkeit.
       > Wichtiger wäre es, wir würden unsere Abhängigkeit zelebrieren.
       
   IMG Bild: Im Weltall am Unabhängigkeitstag Sterne sehen, aber die Welt im Blick behalten: Das lässt sich feiern
       
       Es hat einen großen Vorteil, so unwichtig zu sein wie ich: Man kann zur
       Party der US-Botschaft zum 4.Juli erscheinen, ohne einen demonstrativen
       Boykott der Trump-Regierung erwägen zu müssen. Also konnte ich am lauen
       Mittwochabend mit nur kleinem schlechten Gewissen Bier, Burgers, Donuts und
       Feuerwerk genießen und Independence Day feiern.
       
       Vor 242 Jahren hatten die Kolonisten in Neuengland eine ziemlich irre Idee:
       Sich von der Großmacht Großbritannien loszusagen und für ihre Freiheit
       alles zu riskieren. Seitdem ist den Amis ihre Independence heilig: Von
       England, vom Rest der Welt, von der eigenen Regierung.
       
       Aber: Was 1776 richtig war, ist heute falsch. Damals war Amerika noch
       Prärie, die Dampfmaschine war gerade erfunden, die Meere, Wälder und die
       Luft schienen unerschöpflich. Inzwischen ist der Planet halb ruiniert und
       die irre Idee lautet wieder: Freiheit. Alle wollen unabhängig sein von der
       Umwelt, von den Konsequenzen unseres Treibens und den Gesetzen der Physik.
       
       Da hilft nur ein neuer Feiertag: Abhängigkeitstag. Dependence Day.
       
       ## Wir brauchen Wälder, Meere, Luft von 1776
       
       Schließlich sind wir komplett abhängig – voneinander und von den Leistungen
       des Planeten. Arroganz und Ignoranz lassen Donald Trump denken, sein Land
       könne es allein schaffen – ohne billige Smartphones aus China, ohne Stahl
       aus Europa, ohne billige Arbeitskräfte aus Mexiko, ohne Mercedes und Audi
       (na gut, das ginge vielleicht noch). Vor allem aber: Ohne Rohstoffe,
       sauberes Wasser oder Ackerland aus dem Rest der Welt, ohne ein Gratisabo
       für die Atmosphäre als Müllhalde. „Wenn alle so lebten wie die USA,
       bräuchten wir 5 Planeten“, mahnt das Footprint Network, „eine ziemlich hohe
       planetarische Abhängigkeit.“
       
       Auch die trumpistischen USA hängen wie wir alle am weltweiten Austausch von
       Lebensmitteln und Gütern, am Kapital, das ins Land fließt. Wir sind
       abhängig vom Austausch der besten Ideen unter Wissenschaftlern. Wir
       brauchen aber für unser Wohlergehen noch viel mehr: Gesunde Wälder,
       möglichst unberührte Polgebiete, plastikfreie Meere und ein Ende der
       Erdüberhitzung.
       
       Schon wegen der Gratis-Donuts würde ich den Fourth of July nicht
       abschaffen. Meinetwegen feiern wir weiterhin die Unabhängigkeit in den USA,
       Frankreich, Südsudan oder Palästina mit fröhlichen Parties. Noch
       ausgelassener sollten aber die Parties am Abhängigkeitstag sein:
       Bio-Freibier für alle, vegane Snacks in kompostierbaren Tüten,
       CO2-neutrales Feuerwerk. Ziel beim Dependence Day: Weltweit die Wälder,
       Flüsse, Meere und die Luft wieder auf den Stand von 1776 zu bringen. Denn
       Abhängigkeit ist nichts Falsches. Man nennt sie auch: Leben.
       
       5 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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