# taz.de -- Kolumne Right Trash: Stichwortgeber für die rechte Blase
> Für rechte Netzaktivisten ist „Bild“ eine der wichtigsten Quellen.
> Umgekehrt spült die Zeitung oft Positionen von rechts in den Mainstream.
IMG Bild: Der bei Rechten beliebte Twitterer Julian Reichelt
Bild-Chef Julian Reichelt springt dem [1][rechtsextremen Blog „Jouwatch“]
zur Seite: Es geht um einen ironischen Schlagabtausch im Bundestag, den der
Blog einfach zu einer Tatsachenbehauptung erklärt hat. Ein ZDF-Autor sieht
darin ein Paradebeispiel für „Fake News“ durch Verzerren, das will der
Bild-Chefredakteur aber nicht gelten lassen. Die aktuelle Episode zeigt mal
wieder, wie sehr Reichelt und seine Zeitung ein rechtes Publikum
inspirieren und sich von ihm inspirieren lassen.
Die Geschichte beginnt mit einem Schlagabtausch zwischen zwei Abgeordneten.
„Wieviele von den 70 Millionen [Flüchtlingen weltweit] wollen Sie hier
aufnehmen?“, hatte der CSU-Politiker Alexander Dobrindt im Parlament
gefragt – Claudia Roth hatte geantwortet: „Alle, Herr Dobrindt!“ Die
Antwort war nicht ernst gemeint, [2][wie das ZDF recherchiert hat.]
„Jouwatch“ jedoch hatte es genau so dargestellt. Der Post ging in
einschlägigen Kreisen herum. Reichelts ZDF-Bashing macht nun seinerseits
auch die Runde in der rechten Twitterblase.
Die Idee zu dem Post hatten die Rechtsextremen offenbar von der Bild.
Genauer gesagt vom [3][Twitter-Account des Bild-Parlamentsbürochefs Ralf
Schuler]. Dieser hatte einen Screenshot des Bundestagsprotokolls
verbreitet, der dann offensichtlich von dem rechten Blog direkt kopiert und
für den eigenen Post hochgeladen wurde: Dort findet sich exakt dasselbe
Bild mit demselben Ausschnitt und Verfärbungen. Und obwohl mehrere Personen
Schuler darauf hinweisen, dass es sich um Ironie handeln muss, [4][bleibt
dieser stur]: „Wo lesen Sie da Ironie?“
Schuler beharrt darauf, dass sein Tweet nur [5][eine „nüchterne
Dokumentation“] gewesen sei. Andererseits: Schuler zufolge führt der Zuzug
von Asylsuchenden – anders als Einwanderung – [6][zu Problemen in einem
„Asyl-Land“]. Die implizite Bewertung von Claudia Roths Aussage dürfte
seinen Followern also durchaus deutlich sein.
## Welt, Focus und Bild liefern Inhalte
Dass die Bild Stichwortgeber für die rechte Blase ist, ist nicht neu. Seit
mehr als einem Jahr dokumentiert [7][der Twitter-Account @DieRechteBlase]
jene Texte aus regulären Medien, die unter rechten Twitterern besonders
häufig geteilt werden. Im ersten Jahr, zwischen April 2017 und April 2018,
kamen so fast 2.000 Medientexte zusammen. Eine Hälfte stammt dabei von drei
Medien: Welt, Focus und Bild. Die andere verteilt sich auf zahlreiche
regionale, überregionale und internationale Medien. Thematisch ist das
nicht überraschend, liefert die Bild doch zuverlässig
Kriminalitätsmeldungen mit prominenter Platzierung der Täterherkunft.
Auch anderswo sieht man, wie sehr sich rechte Netzaktivisten die Bild als
Vorbild sehen: Beim Relaunch im vergangenen Jahr übernahm die rechtsextreme
Seite „PI News“ einen neuen Look, der Bild.de zum verwechseln ähnlich
sieht. Gemeinsam mit der ähnlichen Themensetzung gibt es immer wieder
Situationen, in denen es flüchtigen BesucherInnen [8][gar nicht klar sein
könnte], ob sie bei Deutschlands reichweitenstärksten Redaktion oder einem
rechtsextremen Blog gelandet sind.
## Rechte Parole auf der Bild-Titelseite
Der Kreis schließt sich dagegen, wenn die Bild rechte Positionen in den
Mainstream holt. Unlängst übernahm sie den inhaltlichen Rahmen, dass
Abschiebung eine Möglichkeit sei, Gewaltverbrechen zu verhindern oder zu
bestrafen. [9][In mehreren Titelseiten fordert sie] entweder die
Abschiebung von Straftätern – statt ihrer Bestrafung – oder insinuiert,
dass durch eine frühere Abschiebung eine Tat hätte verhindert werden
können, obwohl Abschiebestatus und Kriminalität nicht korrelieren. Gerade
letzterer Punkt ist eine Parole, die seit dem vergangenen Herbst immer
wieder bei rechten Aktivisten auftaucht. Ende Mai [10][erschien sie fast
wortgleich auf der Bild-Titelseite].
Und Julian Reichelt? Postet nicht nur Tweets, die bei rechten Twitterern
für Beifall sorgen, sondern [11][retweetet auch schon mal eindeutig rechte
Twitteraccounts]. Wie seine Zeitung ist auch er zugleich immer wieder
Lautsprecher und Stichwortgeber für Deutschlands Rechte.
Es sei nicht die Aufgabe, „Claudia Roth vor sich selbst zu schützen“,
twittert der Bild-Chef zu aktuellen Fall. Tatsächlich ist es aber sehr wohl
die Aufgabe von Medien, rechten Verschwörungstheorien Fakten
entgegenzustellen – in Zeiten wie jetzt, wo auf Basis solcher
[12][Verschwörungstheorien] [13][auch Politik] [14][gemacht wird], ist das
geradezu geboten. Anders als Bild-Redakteur Schuler, der bei Claudia Roth
nicht nachfragte, wie sie den Satz gemeint hatte, hat es aber das ZDF
getan. Wo Bild die Vorlage für ein Freidrehen der Rechten gegen eine ihrer
Hassfiguren lieferte, lieferte ZDF den Kontext.
Und statt die Verbesserung der Informationslage zu loben, kritisiert
Reichelt, dass das ZDF überhaupt recherchiert.
6 Jul 2018
## LINKS
DIR [1] https://donotlink.it/K6G9
DIR [2] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/die-geschichte-einer-fake-news-um-claudia-roth-100.html
DIR [3] https://twitter.com/drumheadberlin/status/1012674003323015168
DIR [4] https://twitter.com/drumheadberlin/status/1013422609843785728
DIR [5] https://twitter.com/drumheadberlin/status/1015155848463683585
DIR [6] https://twitter.com/drumheadberlin/status/989009135034425344
DIR [7] https://twitter.com/DieRechteBlase
DIR [8] https://twitter.com/lalon_sander/status/976738013672869888
DIR [9] https://bildblog.de/98996/wie-bild-bruecken-fuer-die-afd-baut/
DIR [10] https://twitter.com/lalon_sander/status/1000336170621063169
DIR [11] https://bildblog.de/96939/julian-reichelt-und-der-rechte-hetz-account/
DIR [12] https://www.zeit.de/2017/31/afd-israelfreundlich-judenfeindlich
DIR [13] https://www.huffingtonpost.de/entry/afd-boehringer-ard-doku_de_5ad490bbe4b016a07e9e8c7c
DIR [14] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/bundestagswahl/id_83337320/spd-manipuliertes-groko-votum-afd-anhaenger-streuen-verschwoerungstheorie.html
## AUTOREN
DIR Lalon Sander
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