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       # taz.de -- Skandal um gestohlene Medikamente: Golze blass, Behörden schwach
       
       > Nach einem Bericht über wirkungslose Krebsmittel aus Griechenland tagt
       > der Gesundheitsausschuss. Das Ministerium hat alles falsch gemacht.
       
   IMG Bild: Was wusste Diana Golze?
       
       Potsdam taz | Am Mittwochmorgen ist es in Potsdam schon heiß, der neue
       Landtag mitten im Sommer verlassen. Fast jedenfalls – vor dem Raum 2.050
       ballen sich Fernsehkameras, Abgeordnete, Journalisten. Sondersitzung des
       Gesundheitsausschusses, die Abgeordneten sind aus den Ferien angereist.
       Gesundheitsministerin Diana Golze (Linkspartei) kommt erst pünktlich zum
       Sitzungsbeginn, sie sieht blass aus.
       
       Ein Bericht des ARD-Magazins „Kontraste“ vom 12. Juli beunruhigt bundesweit
       Krebspatienten, [1][Golze steht unter Druck]. Dem Bericht zufolge hat der
       Pharmahändler Lunapharm aus dem brandenburgischen Mahlow gestohlene
       Krebsmedikamente aus Griechenland an deutsche Apotheken vertrieben.
       Möglicherweise sind die Arzneien unwirksam geworden, weil sie nicht richtig
       gekühlt wurden.
       
       Golzes Ämter haben in dem Fall fast alles falsch gemacht, was sie nur
       falsch machen konnten. Obwohl schon Ende 2016 von den griechischen Behörden
       und der deutschen Staatsanwaltschaft informiert, starteten sie weder einen
       Medikamentenrückruf noch führten sie eine unangemeldete Stichprobe bei
       Lunapharm durch, um die Medikamente zu prüfen, noch entzogen sie Lunapharm
       die Betriebserlaubnis. Die offene Frage ist nun: Was wusste Diana Golze?
       
       Erst am vergangenen Freitag, über eine Woche nach dem „Kontraste“-Bericht,
       reagierte die Ministerin: Eine Hotline für Betroffene wurde geschaltet,
       eine Taskforce soll die Vorgänge aufklären. Golze entzog Lunapharm die
       Betriebserlaubnis.
       
       Verteidigungsstrategie: Ich war's nicht 
       
       Sicher scheint, dass Golzes Krisenmanagement seit der Anfrage von
       „Kontraste“ nicht funktionierte. Die Alarmglocken schrillten weder bei ihr
       noch bei der Presseabteilung. Nach der „Kontraste“-Sendung, so sagt Golze,
       sei ihr „klar gewesen, dass großer Handlungsbedarf“ bestehe. Aber noch am
       Tag nach der Ausstrahlung ging sie nicht persönlich in die Öffentlichkeit,
       stattdessen erklärten nachrangige Beamte der Presse im Hintergrundgespräch:
       Alles ist in Ordnung, niemand geschädigt worden. Erst als die
       Medienberichte anhielten, ließ sich Golze die Akten kommen – dann erfolgte
       die Kehrtwende.
       
       Aber was ist mit der Zeit seit Ende 2016? Golzes Verteidigungsstrategie im
       Ausschuss lautet: Ich bin es nicht gewesen, meine Mitarbeiter waren es –
       und die haben mich nicht informiert. Auch der Chef ihres Landesamtes für
       Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) will von den
       zuständigen Mitarbeitern entgegen den Vorschriften in solchen Fällen nicht
       unterrichtet worden sein. „Wir haben uns zu lange auf die Informationen
       verlassen, die wir bekommen haben“, sagt Golze im Ausschuss. Die Frage sei
       nur, ob die Mitarbeiter „fachlichen Fehleinschätzungen“ unterlegen seien
       oder ob sie „vorsätzlich gehandelt“ hätten.
       
       Gegen zwei Mitarbeiter des LAVG, die mit dem Fall betraut waren, hat das
       Ministerium nun Strafanzeige wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit
       erstattet: den Ministerialreferenten Volker G., bis 2017 zuständig für die
       Arzneimittelaufsicht im LAVG und nun im Ministerium selbst beschäftigt. Und
       gegen Anja B., eine Mitarbeiterin des Landesgesunheitsamts.
       
       Die konservative Berliner Boulevardzeitung B.Z. schrieb in einem Kommentar
       den Skandal dagegen Golzes „Führungsversagen“ zu. Sie habe sich „nach ihrem
       Amtsantritt mit einer Handvoll Genossen in der Chefetage verschanzt“: „Die
       Atmosphäre im Ministerium wurde eisig – kein Wunder, dass die Hausleitung
       Wichtiges nicht erfuhr“.
       
       Ein Einfallstor für Kriminelle 
       
       Wirklich klären könnte dies wohl nur ein Untersuchungsausschuss. Am
       Mittwoch wurde aber deutlich, dass eine Reihe von Faktoren den Skandal
       begünstigt haben: Die Staatsanwaltschaft, die in dem Fall ermittelte,
       fühlte sich nicht dafür zuständig, auch die Leitungsebene des Ministeriums
       über den Fall zu unterrichten – auch nicht, als Lunapharm immer weiter
       machen durfte.
       
       Und: Das LAVG sitzt nicht in Potsdam, sondern in Wünsdorf – im märkischen
       „Mid-of-nowhere“. Eine typische Dezentralisierung von Landesbehörden, mit
       den typischen Folgen: Von den acht Pharmazeutenstellen im LAVG sind derzeit
       nur vier besetzt, drei Stelleninhaber haben sich ins beliebtere Berlin
       abgesetzt. Qualifizierte Bewerber gehen lieber woanders hin.
       
       Den schwachen Behörden steht auf der anderen Seite ein internationaler
       Medikamentenhandel gegenüber, der ein Einfallstor für Kriminelle bietet –
       gefördert durch gesetzliche Vorschriften: 2002 hatte Rot-Grün eine
       bestimmte Quote für importierte Medikamente eingeführt, die Apotheker
       einhalten müssen. Das soll die Gesundheitskosten senken.
       
       So werden etwa in Deutschland hergestellte und ins Ausland exportierte
       Medikamente dort von Händlern wiederaufgekauft und nach Deutschland
       zurückexportiert. Der Grund: Im Hochlohnland Deutschland verkaufen
       Pharmafirmen die Medikamente teurer, im Ausland billiger. Das ist das
       Geschäft von Firmen wie Lunapharm.
       
       Der Skandal kommt kurz vor der Landtagswahl 
       
       Auch wenn Golze ihr Ministerium jetzt umbaut, bleibt ein Restrisiko bei der
       Medikamentensicherheit. Falls sie noch dazu kommt: In Brandenburg sind in
       den letzten Jahren eine ganze Reihe von Ministern über Bagatellen
       gestolpert, meist wegen persönlicher Vorteilsnahme.
       
       Die Vorwürfe gegen Golze kommen aus einer anderen Richtung, sind aber
       ebenfalls ein Rücktrittsgrund: Wenn Mitarbeiter gravierende Fehler machen,
       halten Minister dafür den Kopf hin – wenn der öffentliche Druck zu stark
       wird. Der Gesundheitsausschuss stritt am Ende um seinen nächsten Termin.
       SPD und Linke drängten auf ein möglichst spätes Datum, die CDU strebt ein
       früheres an, um das Thema am Köcheln zu halten.
       
       In einem Jahr wird in Brandenburg gewählt. In den Umfragen haben SPD und
       Linkspartei schon jetzt keine Mehrheit mehr.
       
       25 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5523059/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Reeh
       
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