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       # taz.de -- Depeche Mode in Berlin: Freie Bahn für alle!
       
       > Die Kultband sorgt in Berlin für hohe Wellen: Sie hat in einem
       > öffentlichen Schwimmbad eine Bahn für sich reserviert.
       
   IMG Bild: Depeche Mode-Sänger Dave Gahan am 23. Juli auf der Berliner Waldbühne
       
       Die Zweiklassengesellschaft nervt. Sie nervt in der Bahn, sie nervt im
       Wartezimmer und sie nervt am allermeisten im Flugzeug, wo bereits am Gate
       das sogenannte Priority-Boarding darauf hinweist, dass eben nicht alle ein
       Anrecht auf den besten Service und einen salzigen Snack haben.
       
       Eine der letzten Bastionen gegen dieses Geld-regiert-die-Welt-Modell war
       bisher das öffentliche Schwimmbad. Hier schrumpeln fremde Körper noch
       gemeinsam in einem großen Becken voller Chlorwasser vor sich hin. Hier gibt
       es ohnehin nur Softeis und Pommes Schranke und vor der knallend-heißen
       Sonne sind wir alle gleich gehalten, regelmäßig an die Sonnenmilch zu
       denken.
       
       Im Freibad unterscheidet man nicht zwischen Kassen- und PrivatpatientInnen,
       sondern zwischen Badehaubengegner- und -befürworterInnen. Und wer sonst
       First Class fliegt, hat vermutlich ohnehin einen eigenen Pool.
       
       Zur Hochsaison ist man hier also unter, neben und auch ein bisschen außer
       sich: Dann besteht der wirkliche Sport im Freibad darin, möglichst elegant,
       ohne anzustoßen und ohne Wasser zu schlucken, an den mindestens zehn
       anderen SchwimmerInnen vorbeizuziehen, mit denen man sich die Bahn teilen
       muss.
       
       ## Heimlich Kekse horten ..
       
       Teilen – das erklärt man besonders Kindern, und zwar mit der nötigen
       Portion moralischer Überlegenheit – ist ganz wichtig. Und dann hortet man
       heimlich Kekse in einer Dose auf dem obersten Küchenregal. Oder man mietet
       sich eine eigene Bahn im öffentlichen Schwimmbad.
       
       So geschehen diese Woche im Berliner Olympiabad, wo das Management der
       englischen Band Depeche Mode für mehrere Tage von 8 bis 10 Uhr morgens eine
       Bahn zum ungestörten Plantschen reserviert hat. 60 Euro kostet eine Stunde
       auf der 50-Meter-Bahn, wer sich mit 25 Metern begnügt, zahlt 35 Euro.
       Mieten können alle, die eben gewillt sind, dafür zu zahlen, bestätigte eine
       Sprecherin der Berliner Bäder Betriebe. Auch sei der Luxus des
       Alleineschwimmens nur außerhalb der Hochbetriebszeiten möglich.
       
       Trotzdem: Insgesamt 65.000 Gäste besuchten am vergangenen Wochenende die
       Berliner Bäder, für die kommenden Tage wird ein neuer BesucherInnenrekord
       erwartet. Es gibt ganz klar zu wenig Becken für zu viele Menschen. Was
       kommt als Nächstes? Autobahnspuren, die man fürs uneingeschränkte Fahren
       reservieren kann? Die Wiese im Mauerpark, die man gegen eine Gebühr für
       eine Viertelstunde nur für sich hat? Where is the revolution, Dave?
       
       26 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lin Hierse
       
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