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       # taz.de -- Eröffnung der Bayreuther Festspiele: Probleme mit der Energieversorgung
       
       > Yuval Sharon inszeniert zum Auftakt einen beliebigen „Lohengrin“. Die
       > blau-dräuende Bühne stammt vom Künstlerpaar Neo Rauch und Rosa Loy.
       
   IMG Bild: Szenenbild aus der Bayreuther Premiere des „Lohengrin“ unter dem Dirigat von Christian Thielemann
       
       Wie kommt es eigentlich, dass in Bayreuth die Ergebnisse jeder
       Neuproduktion nicht zu denken sind ohne die Geschichte ihrer
       Besetzungsquerelen? Seit zehn Jahren ist Katharina Wagner Chefin am Grünen
       Hügel und hat jeden Eklat mit stoischer Gleichmut überstanden. Man kann
       auch sagen: ausgesessen. Denn die Frage nach der Kompetenz in
       Besetzungsfragen stellt sich nach diesem durchwachsenen „Lohengrin“ mit
       neuer Dringlichkeit.
       
       Auch bei diesem „Lohengrin“, der in seiner zwischen märchenhafter
       Putzigkeit und linkischer Aktualisierung oszillierenden Beliebigkeit ein
       Überangebot an drolligen Assoziationen ausbreitet, aber kein Konzept,
       geschweige denn eine tiefere Durchdringung auch nur zart durchschimmern
       lässt, lohnt der Blick auf die Entstehungsgeschichte.
       
       Der Coup war der Name des Ausstatters: Erstmals gestaltet Neo Rauch, der
       standorttreue sächsische Maler figurativer, sepia-getränkter Tableaus, der
       mit seinem konservativen Image kokettiert, ein Opern-Bühnenbild. Regisseur
       Alvis Hermanis, der sich schon vor Jahren als altmodischster Opernregisseur
       der Gegenwart feierte, sollte inszenieren, was den Regietheater-Hassern ein
       Fest versprach.
       
       Hermanis meidet aber seit Jahren Deutschland als Arbeitsort aus Protest
       gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Als Ersatz für den sturen Letten
       fand sich mit Yuval Sharon ein junger US-amerikanischer Regisseur mit
       überschaubarer Erfahrung, der dem bereits stehenden Konzept von Rauch und
       seiner Ehefrau Rosa Loy wohl nichts Widerständiges entgegensetzen sollte.
       
       ## Silbrig fließend musiziertes Vorspiel
       
       Wenn der Vorhang nach dem von Christian Thielemann verheißungsvoll silbrig
       fließend musizierten Vorspiel öffnet, steht ein verlassenes Umspannwerk auf
       der dämmrigen Bühne. Hinten wölbt sich ein Rundhorizont, der mit einer
       dunklen Zypressenlandschaft à la Böcklin und dramatisch mystischen
       Lichtstrahlen à la Rembrandt bepinselt ist.
       
       Ausgesägte Bäumchen und amorphe Erdhügelchen werden herein- und
       herausgeschoben wie im Barocktheater. Der riesige Chor ist ausstaffiert in
       Blautönen wie auf Delfter Kacheln, trägt Hauben zu Sneakern, Halskrausen in
       der Manier van Dycks und auf dem Rücken Insektenflügelchen.
       
       König Heinrich (fulminant: Georg Zeppenfeld) schleppt lange Fliegenflügel,
       die umständlich gerafft werden müssen, wenn man Platz nehmen will. Elsa
       dagegen (Anja Harteros) trägt winzige Stummelflügelchen zum früh ergrauten
       (oder erblauten?) Toupier-Gebirge und wird gefesselt hereingeführt.
       
       Das Problem mit der Trafostation und generell dem Volk der Brabanter: Kein
       Strom mehr. Aber nun kommt Lohengrin ohne Schwan mit einem weißen
       Plastik-Ufo und betritt mit blauen Armen, Betonfrisur und einem gezackten
       Blitz als Waffe die Bühne, wo er – wie alle – steif herumstehen muss. Den
       Kampf mit Telramund übernehmen an Stricken baumelnde Kinderstatisten in
       luftiger Bühnenhöhe.
       
       ## Bewegung in der Beziehungskonstellation
       
       Das Motiv der gefesselten Elsa taucht im dritten Akt sogar wieder auf, und
       hier schält sich dann doch noch eine Idee heraus: Lohengrin rettet Elsa im
       ersten Akt aus dem Mordverdacht ihrer verwahrlosten gesellschaftlichen
       Umgebung. Im dritten Akt will er sie in einer von Verboten umstellten Ehe
       erneut fesseln. So kommt dann noch so etwas wie psychologische Bewegung in
       die ansonsten schreitend, stehend und sinnend absolvierte
       Beziehungskonstellation.
       
       Vorher geschieht so gut wie nichts auf der Bühne, außer dass das
       Trafohäuschen mal von hinten gezeigt wird, dann ein dunkles Schilffeld
       (die Schelde) über einem Himmel mit sich kräuselnden Wolken. Völlig
       verschenkt ist im zweiten Akt die dramatische Auseinandersetzung zwischen
       Ortrud (Waltraut Meier als Königin der Nacht) und Telramund (vokal
       übersteuert und unverständlich: Tomasz Konieczny), in der beide im
       Halbdunkel auf der Stelle verharren.
       
       Unfreiwillig heiter dann Elsas Auftritt mit dem träumerischen „Euch Lüften
       …“: Da klappt ein winziges Fensterchen in einem Mini-Trafohäuschen auf wie
       in einem Adventskalender und Elsa muss dort hinaussingen.
       
       ## Wie in der Steinzeit der Opernregie
       
       Ein Totalausfall ist auch die Chorregie: Brav nach Stimmgruppen sortiert
       steht und schreitet das Kollektiv wie in der Steinzeit der Opernregie.
       Bleibt die Musik: Musikchef Christian Thielemann hat mit dem
       „Lohengrin“-Dirigat sein Bayreuther Repertoire vollendet, das hat vor ihm
       nur Felix Mottl geschafft.
       
       Thielemann legt überwiegend flüssige Tempi an, was wohltuende Transparenz
       schafft, baut aber eigenwillige Ritardandi ein und dehnt auch stellenweise
       extrem. Im ersten Akt gibt es erhebliche Koordinationsprobleme, zwischen
       Chor und Orchester klaffen teils ganztaktige Lücken, später schleppt der
       Chor, obwohl er szenisch wahrlich nicht überbeschäftigt ist.
       
       Piotr Beczala, der für Roberto Alagna einsprang, singt einen ökonomisch
       klugen Titelhelden, hält seinen Tenor einstweilen in Schonhaltung und blüht
       im dritten Akt triumphal auf. Anja Harteros’ Elsa wirkt durchweg unfroh,
       die Stimme will nicht recht fließen, und findet spät zur Idealform, die
       große Waltraut Meier als Ortrud klingt leider sehr forciert und grell, auch
       hapert es in der Treffsicherheit. Kein einziges Buh, insgesamt enden
       wollender Applaus.
       
       27 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Regine Müller
       
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