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       # taz.de -- Kommentar Handelskonflikt USA-EU: Unsere Globalisierung ist in Gefahr
       
       > Atempause im Handelsstreit zwischen den USA und der EU. Das nutzt den
       > Europäern wenig. Sie müssen ihr Geschäftsmodell sowieso ändern.
       
   IMG Bild: Auf dem Weg gen USA: Neuwagen von Mercedes in Bremerhaven
       
       Juchhu, der Streit ist verschoben: Vorerst dürfen neue Daimler und BMW noch
       weiter ohne Strafzölle durch Manhattan cruisen. Über den Handelskonflikt
       zwischen den USA und dem Rest der Welt wird wieder in Washington und
       Brüssel verhandelt. Es war „ein großer Tag, sehr groß“, sagte US-Präsident
       Donald Trump, als er und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
       ankündigten, wieder zu reden statt nur zu twittern.
       
       Es klingt wie eine gute Nachricht, dass die EU und die USA ihren
       Handelsstreit vorerst nicht eskalieren. Der Außenhandel sorgt hier für
       Millionen Jobs. Die Deutschen sind ja, wenigstens gefühlt, immer noch
       Exportweltmeister. Aber die Basis, die Globalisierung, erodiert. Unser
       Geschäftsmodell ist in Gefahr.
       
       1. Der stark gestiegene Warenaustausch hat zwar für gigantische
       Wohlstandsgewinne weltweit gesorgt, kennt aber auch unendlich viele
       Verlierer. Populisten wie Trump, Orbán und Gauland versuchen, den
       vermeintlich Benachteiligten eine Stimme zu geben. Es steigt die
       Wahrscheinlichkeit, dass die Globalisierung politisch beendet wird, weil
       sie ökonomisch nicht allen genutzt hat.
       
       2. Die hohen Wachstumsraten im globalen Handel waren sowieso nur ein
       vorübergehendes Phänomen. Deutschland hat bisher vor allem
       Spitzentechnologie exportiert – doch genau auf dieses Feld drängen jetzt
       auch andere. Beispiel China: Bis 2025 will es weniger Vorprodukte aus dem
       Ausland importieren und seinen eigenen inländischen Fertigungsanteil
       radikal steigern – und außerdem Weltmarktführer in zehn Schlüsselindustrien
       werden. Dazu gehören unter anderem die Robotertechnik, die Biomedizin sowie
       die Elektromobilität. Viele Experten fürchten, dass die hiesige
       Autoindustrie die anstehende Dekarbonisierung des Verkehrs nicht überstehen
       wird.
       
       ## Das Plus in unserer Handelsbilanz ist viel zu groß
       
       3. Trump liegt nicht immer falsch. Das Plus in unserer Handelsbilanz ist
       viel zu groß. Die Deutschen exportieren mehr, als die Welt ertragen kann.
       Wo ein Plus ist, muss es auch ein Minus geben. Die Eurokrise war das beste
       Beispiel, als Spanien oder Griechenland viel zu hohe Defizite im
       Außenhandel hatten. Unabhängig vom Handelsstreit mit den USA gilt daher,
       dass die Deutschen vor allem auf ihre Binnennachfrage setzen müssen.
       Übersetzt: Die Löhne müssen steigen. Ist doch eigentlich eine gute
       Nachricht.
       
       4. Trump irrt allerdings, wenn er glaubt, die gigantischen Bilanzdefizite
       der USA seien Teil einer sinistren Handelspolitik der EU oder Deutschlands.
       Die Zölle sind mit Zustimmung der US-Amerikaner vor Jahrzehnten
       ausgehandelt worden.
       
       Stattdessen entstehen die amerikanischen Handelsdefizite, weil die USA über
       ein einzigartiges Privileg verfügen: Mit dem Dollar besitzen sie die
       Leitwährung. Weltweit will jeder Dollar haben, sodass die USA fast
       unbegrenzt auf Einkaufstour gehen können. Die USA können über ihre
       Verhältnisse leben, weil sie die Leitwährung besitzen, doch von diesem
       Privileg profitiert nicht jeder Amerikaner. Die Bewohner im Rust Belt
       stellen nur fest, dass ihre Arbeitsplätze verloren gehen, weil der Stahl
       aus China kommt.
       
       Dieser Druck der Unzufriedenen bleibt. Niemand in Europa sollte glauben,
       dass die Gefahr des Protektionismus gebannt sei, sobald Trump nicht mehr an
       der Macht ist. Auch die Demokraten könnten eine gemäßigte Form des
       Protektionismus entdecken, um die enttäuschten Arbeiter zu binden. Für
       Europa sollte gelten: Europa ist der wichtigste Kunde. Das führt wieder zu
       den Löhnen. Siehe oben.
       
       Fazit: Die Globalisierung wird sich verändern. Nicht so sehr Güter- und
       Kapitalströme werden die Weltwirtschaft zusammenhalten, sondern
       grenzüberschreitende Datentransfers, siehe Amazon oder Google. Die neue
       Wirtschaftsordnung muss zudem ökologischer werden. Am 1. August hat die
       Menschheit alle Ressourcen verbraucht, die der Planet in einem Jahr liefern
       kann. Die Deutschen tun sogar so, als hätten sie drei Erden zur Verfügung.
       Es gibt aber nur eine.
       
       8 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai Schöneberg
       
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