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       # taz.de -- Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas: Von Gelb zu Gelb
       
       > Der Waliser Geraint Thomas fuhr schon als Bub im Gelben Trikot. 2018
       > setzt er sich bei der Tour de France gegen den eigenen Kapitän durch.
       
   IMG Bild: Nach 21 Etappen ganz oben auf dem Treppchen: Geraint Thomas
       
       Paris taz | Zuweilen dauert es, bis ein Kleidungsstück so richtig sitzt.
       Bereits als 11-Jähriger war Geraint Thomas in einem gelben Leibchen auf dem
       Rad. Locker flattert das Trikot des Maindy Flyers Youth Cycling Club aus
       Cardiff um den schmalen Körper des Burschen. Thomas’ erste Trainerin,
       Debbie Wharton, stellte die Aufnahme ins Netz. 20 Jahre später sitzt das
       gelbe Textil perfekt am Körper des mittlerweile 32-jährigen Athleten. Das
       Trikot kommt jetzt vom Tourorganisator ASO.
       
       Weil Thomas dieses Trikot auch auf die Champs-Élysées tragen durfte,
       bedeutet es: Er hat die Tour de France gewonnen. Der Traum eines jedes
       Jungen, der Radsport liebt, hat sich für ihn erfüllt.
       
       „Mann, ich habe die Tour gewonnen“, sagte Thomas im baskischen Städtchen
       Espelette, und umarmte Kumpel Chris Froome. Beide hatten im Zeitfahren noch
       einmal aufgetrumpft, sahen lange wie die sicheren Sieger aus, bevor
       Zeitfahrweltmeister Tom Dumoulin auf dem letzten Drittel der Strecke an
       ihnen vorbeizog. Sie belegten hinter dem Sunweb-Profi die Tagesplätze 2 und
       3. Thomas sicherte damit den Gesamtsieg, Froome beförderte sich zurück aufs
       Podium.
       
       Beide Briten schwebten schier im Glück. „Der Toursieg – das fühlt sich so
       surreal an“, meinte Thomas. Froome war gar den Tränen nahe – und das,
       obwohl er als Titelverteidiger gar nicht mehr für den Gesamtsieg infrage
       kam. Nein, der vierfache Toursieger erfreute sich an kleineren Meriten.
       „Ich wäre so glücklich, wenn das klappt, das Podium in Paris, neben Thomas,
       neben Geraint Thomas, das wäre der Traum“, sagte Froome, als ihn die
       französischen Fernsehkameras in dem Moment erwischten, in dem sein
       härtester Rivale, Primož Roglič, den roten Teufelslappen passierte.
       
       ## Länger als die Siegeslisten: der Unfallreport
       
       Roglič hatte Froome am Freitag mit einer beherzten Abfahrtsattacke noch vom
       Podium gefahren. Der Slowene, Vizeweltmeister im Zeitfahren, galt aufgrund
       seiner aufsteigenden Formkurve sogar als Favorit für den Tagessieg. Als es
       darauf ankam, den Sack zuzubinden, erstmals aufs Podium einer Tour zu
       klettern und Übersieger Froome auf den undankbaren vierten Platz zu
       stellen, verließen den Exskispringer die Kräfte. Er verlor mehr als eine
       Minute auf Froome. „Ich habe alles gegeben, 110 Prozent sogar. Es hat nicht
       gereicht. Es war eine verrückte Tour. Wir werden stärker wiederkommen“,
       tröstete sich Roglič tapfer.
       
       Froome war glücklich, an dem Quereinsteiger noch vorbeigezogen zu sein. Auf
       mehr hatte er bei dieser Tour keine Chance. Das lag vor allem an einem, der
       ihm eigentlich helfen sollte. Geraint Thomas war loyaler Begleiter bei
       Froomes Toursiegen 2013, 2015 und 2016. Im Jahr 2013 schleppte er sich mit
       einem Beckenbruch über Frankreichs Straßen. „Was soll ich aus dem Rennen
       aussteigen. Auch wenn ich abreise, bleibt das Becken ja gebrochen“, teilte
       er damals laut britischen Medien seiner besorgten Mutter mit. Thomas zeigte
       sich als Leidensmann.
       
       Das war auch später seine herausragende Qualität. Länger als seine
       Siegeslisten war lange der Unfallreport – Nasenbeinbruch beim Tirreno
       Adriatico 2009, Beckenbruch bei der Tour 2013, Schlüsselbeinbruch bei der
       Tour 2017, dazwischen Crashs bei Paris–Nizza, im Olympiarennen und beim
       Giro 2017. „Schon als Junge stürzte er viel“, sagte Jugendtrainerin Wharton
       britischen Medien betrübt.
       
       ## Früher Schatten, heute Licht
       
       Die vielen Rückschläge sorgten allerdings auch dafür, dass Thomas lange
       Zeit der Paladin bleiben musste. Höhere Ambitionen, wie sie andere
       Froome-Helfer wie Richie Porte und Mikel Landa pflegten, um endlich zu
       anderen Rennställen zu wechseln – konnte Thomas sturzbedingt kaum
       entwickeln. Er musste sich immer neu heranarbeiten. Er blieb bei Sky, als
       Mann im Schatten – und nutzte seine Chance, als der Boss ausfiel. „Er hätte
       sicher auch wechseln können und wäre in jedem anderen Team als Leader
       infrage gekommen. Aber hätte er in der Form, die er jetzt hat, auch gegen
       Sky die Tour gewonnen? Ich glaube nicht“, spekuliert Rolf Aldag, Exprofi
       und aktuell Performance Manager beim Rennstall Dimension Data.
       
       Für Thomas fiel bei dieser Tour jedes Steinchen auf den rechten Platz. Er
       selbst kam ohne Sturz und weitgehend ohne Defekte durch, während die
       Konkurrenten patzten. Seine härtesten Rivalen – Tom Dumoulin und Froome –
       waren durch die Strapazen des Giro geschwächt.
       
       Für Team Sky stellt sich in Zukunft die Frage, welchem seiner Toursieger es
       welche Grand Tour auf dem Silbertablett servieren will. Vielleicht wagt
       Thomas aber auch die ultimative Herausforderung: die Tour gegen Sky zu
       gewinnen. Sein zum Saisonende auslaufender Vertrag ist noch nicht
       verlängert. „Erst die Tour, dann das andere“, meinte der Waliser lächelnd.
       
       29 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Mustroph
       
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